17.

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Es war einfach mal schon wieder 1 Uhr nachts, als ich leise die Haustür aufschloss. Irgendwie haben Jenny und ich uns noch ein wenig verquatscht. Bemüht, wirklich keinen Lärm zu machen, ziehe ich Jacke und Schuhe aus und tapse die Treppe hoch. Die Mühe hätte ich mir allerdings sparen können, denn natürlich lag Kaiden noch nicht schlafend im Bett. Und natürlich war er auch noch nicht allein. Er und Shane saßen an seinem PC und probierten Dinge an seinem Audio-Programm aus. Was nämlich nur wenige wissen, Kaiden macht Musik- verdammt gut sogar. Tatsächlich gehören die Electrobeats, die er produziert, zu meiner All-time-favourite-Playlist.
Leise seufze ich auf und betrete das Zimmer meines Bruders. Sanft hauche ich ihm einen Kuss auf den strubbeligen Hinterkopf und lasse meine Hand kurz über Shanes Schulter gleiten. Wie immer überkommt mich eine eigenartige Mischung aus Entspannung und Aufregung, wenn ich ihm so nahe bin. Angenehm, aber gerade viel zu verwirrend.

Zeitgleich drehen sie sich um und schauen mich erleichtert an. "Da bist du ja endlich!" Kaiden springt auf und schließt mich in seine Arme. Verwirrt erwidere ich seine brüderliche Zuneigung. "Ich meine, ja, ich war lange weg, und ja, ich habe vergessen dir zu schreiben, aber dein Aufstand ist bisschen übertrieben gerade..."
"Das ist Ansichtssache. Ich habe einen Song fertig und du MUSST ihn dir anhören!"
Ich lache laut auf. Daher weht also der Wind. "Natürlich, liebster Bruder." Ich schwinge mich auf seinen super bequemen Stuhl und schnappe mir die Kopfhörer.
Schon bei den ersten Takten muss ich mit wippen und weiß schon, dass ich jetzt die nächsten Tage einen krassen Ohrwurm haben werde. Meinen ganzer Ärger über Kaidens ungerechte Reaktion über mein langes Wegbleiben vergesse ich direkt. Vollkommen automatisch schließe ich mein Handy an seinen PC an und speichere den Song darauf.
"Der Wahnsinn, Bruderherz! Wenn das nicht dein Durchbruch wird, weiß ich auch nicht weiter." lache ich. Bislang betont er immer , dass er das nur zum Spaß macht- aber ich weiß auch, dass er gerne Anerkennung bekommt, für das was er leistet. Sein Blick wandert zu Shane. "Da gehen aber auch ein paar Credits an ihn. Ich hab da echt großartige Hilfe gehabt."
Mit schiefgelegtem Kopf schaue ich Shane an. "Ich wusste gar nicht, dass du Musik machst."
"Du weißt vieles nicht, aber du fragst ja auch nicht." kontert er zurück, grinst dabei aber so blöd, dass ich seine Stichelei in diesem Moment nicht ernst nehmen kann. 
Kurzentschlossen wende ich mich wieder an meinen Bruder. "Ich mache dir morgen wieder ein Video dazu? Heute definitiv nicht mehr, ich bin todmüde."
"Danke Schwesterchen. Dann schlaf mal gut, ich fahr' Shane noch eben schnell heim."
Erneut umarmt er mich und verlässt den Raum mit meinem Autoschlüssel, den ich zuvor auf seinem Schreibtisch abgelegt hatte. "Klar, gerne darfst du mein Baby nehmen, kein Problem!" rufe ich ihm ironisch hinterher.
Neben mir lacht Shane leise auf. "Du liebst dein Auto wirklich, oder?"
Ich zucke mit den Schultern. "Klar. Der ist mir treu, wartet immer auf mich, bringt mich sicher überall hin- und das wichtigste: er widerspricht mir nicht. Zu schade, dass es ein Auto ist und kein Mann. Ich bin mir sicher, er wäre ziemlich heiß."
"Das wäre aber ein langweiliger Typ... Erzähl mir nicht, dass dir das gefällt, ein Typ der dir komplett die Oberhand lässt. Dir alles durchgehen lässt. Da ist doch keine Herausforderung für dich dabei..." Seine Stimme ist ganz dicht an meinem Ohr und ich spüre seinen warmen Atem auf meine Haut. Ich weiß plötzlich nicht mehr, wo mir der Kopf steht, mir ist heiß und kalt gleichzeitig, alles dreht sich. 
Wäre mein Leben ein schlechter Teenie-Film, würde ich jetzt in Ohnmacht fallen, denn ich spüre Shanes weiche Lippen - an meinem Hals, hinter meinem Ohr, auf meiner Wange...
So viel zum Thema Freunde und Zeit lassen. Aber ich wehre mich nicht, dafür gefällt mir seine Zuneigung einfach viel zu sehr. Auch dann noch, als mir eine kleine fiese Stimme in meinem Hinterkopf erklärt, dass er mit genau dieser Masche sicherlich schon diverse Mädels in sein Bett gelockt hat. Unerwartet erhebt er sich und zieht mich mit. Hätte er mich nicht gehalten wäre ich sicherlich umgefallen, denn meine Beine sind gerade nicht so standfest wie sie es sein sollten. Eher so belastbar wie Wackelpudding. Seine warme Brust drückt sich an meine und ich schmiege mich für den Bruchteil einer Sekunde an ihn. Dann lässt er mich auch schon wieder los und seine Lippen drücken sich auf meinen Scheitel. "Bis morgen und schlaf gut, Kalista."
"G-g-gute Nacht, Shane."
Mit einem Augenzwinkern und seinem hinreißenden Lächeln im Gesicht verlässt er den Raum und folgt meinem Bruder nach draußen.

Bis eben war ich der festen Überzeugung, Liam ein Selfie zu schicken, wie ich eingekuschelt in meinem Bett liege, doch jetzt fühlt es sich an, als würde ich Shane hintergehen. Also ziehe ich mich erstmal in Ruhe um und lege mich ins Bett. Vielleicht wollte er genau sowas damit erreichen?  Dass ich gar keine anderen Männer kennenlernen will und er freie Bahn hat für seine Spielchen? Nicht mit mir, Freundchen. Von so vielen blöden Gedanken bekomme ich echt Kopfschmerzen und genervt presse ich mir die Fingerspitzen auf die Nasenwurzel. Als ob das helfen würde.Kurzentschlossen greife ich nach meinem Handy und schieße ein Foto für den super heißen Typen, der jetzt noch einen virtuellen Gutenachtkuss bekommt schreibe ich ihm dazu und muss grinsen. Dann kuschle ich mich in meine Decke und schließe endlich die Augen. Viel ist von dieser Nacht nicht mehr übrig.

Vollkommen gerädert quäle ich mich einige Stunden später aus dem Bett. Nur halb motiviert schleppe ich mich zur Dusche und lasse das warme Wasser auf mich niederprasseln. Zum Abschluss noch einmal kalt abduschen und dann bin ich sogar einigermaßen wach.
Nachdem ich mich fertig gemacht habe, nutze ich dir Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Wenn mich meine Ohren nicht täuschen, steht mein Bruder gerade erst auf. Was für mich bedeutet, ich habe Zeit. Viel Zeit. Entspannt lümmle ich mich auf den Stuhl und knabbere weiter an meinem Brötchen, nebenbei checke ich mein Handy. Natürlich hat Liam mir noch geschrieben, aber da habe ich natürlich schon geschlafen.

Kalista, du machst deinem Namen alle Ehre <3 Schlaf gut und träum was schönes

Ich bin verwirrt. Was zum Teufel meint er damit? Google ist mein Freund und Helfer, da bin ich mir sicher und schon tippe ich alles in die Suchmaschine  ein.
Für mein Ego ist das natürlich klasse. Die Schönste. Hehehehe. Danke Mum und Dad. Aus reiner Neugier suche ich auch noch nach seinem Namen. Und ja, auch nach Shane. Ich kann nichts dafür, meine Finger haben einfach getippt, ohne dass ich was machen konnte.
Kaiden kommt noch immer schlaftrunken zum Tisch geschlurft und schnappt sich eine kleine Schale Müsli. Für mehr hat er jetzt definitiv jetzt keine Zeit mehr.
"Ich dachte du fährst Shane nur noch nach Hause? Wie lange warst du denn noch wach?"
"Bisschen. Hab mit meinem Handy noch bisschen geschrieben und so."
"Na ja, die Quittung dafür hast du ja dann jetzt. Beeil dich, wir müssen dann so langsam los." Während mein Bruder isst, schreibe ich Liam zurück.

Schleimer. Ich hoffe du hattest eine angenehme Nacht. ;)
btw. Google oder bist du einfach schlau? lG die Schönste


Wenig später schwingen wir uns in mein Auto- die Schule ruft. Ich kann es kaum erwarten, einen weiteren Tag hier zu verschwenden.

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt