18.

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Kaum in der Schule angekommen, springt Jenny mir regelrecht in die Arme. Überrascht erwidere ich ihre Umarmung.
"Warum zur Hölle bist du um diese Uhrzeit, an diesem Ort so gut gelaunt? Oder... Wer bist du und was hast du mit Jenny gemacht?!"
"Haha, sehr lustig. Weil du und ich heute noch shoppen gehen. Ich habe Freitag ein Date. Und wenn ich heute nichts finde, habe ich noch ein paar Tage Zeit was andere zu suchen oder zu bestellen."
Überrumpelt stöhne ich auf. Wann genau hatte ich meinen letzten faulen Nachmittag oder gar Abend, mit einfach nichts tun? Nicht arbeiten, nicht trainieren, einfach nur rumliegen, Serien schauen, zocken,... Seit wir umgezogen sind gar nicht. 
Dann dämmert mir etwas. "Sage mal Jenny... Mit wem denn genau?" grinse ich sie verschwörerisch an und entsprechend meiner Erwartung wird sie ziemlich rot im Gesicht und ihr Blick huscht zu meinem Bruder, der schon mit Shane und den Jungs auf dem Weg in ihre Standard-Rumsteh-Ecke sind. Klar, die Bitches müssen ja wissen, wo die heißen Typen stehen. Auch wenn ich es nicht zugeben will- dieser Gedanke gefällt mir nicht. Weder bei meinem Bruder, dass aufgetakelte, unechte Brüste sich an meinem Bruder reiben, und noch viel weniger bei Shane. Mühsam schiebe ich die Bilder in meinem Kopf beiseite, hake mich bei Jenny ein und lasse mich zu unseren anderen beiden Mädels ziehen.
Dabei raune ich ihr zu "Darüber reden wir noch, Schätzelein."
Ihr Blick, der dem eines erschrockenen Rehs ähnelt, quittiere ich mit einem Lachen und knuffe sie in die Seite. Mir ist es viel lieber, sie an der Seite meines Bruders zu sehen, als so ein Luder, von der ich mir nicht sicher bin, ob sie ihm nicht irgendwelche Krankheiten ansteckt.
Dann umarme ich Svea und Anna, die uns sogleich in den neuesten Klatsch und Tratsch einweihen.
"Bea war vorhin kurz bei uns. Stacy kommt wohl in zwei Wochen wieder. Begeisterung sah anders aus, wenn ihr mich fragt." Svea schaut verschwörerisch in die Runde, doch unsere mangelnde Begeisterung für Gossip lässt ihre Mundwinkel nach unten wandern. Beleidigt stemmt sie die Hände in ihre schmalen Seiten. "Ihr seid unmöglich. Mit euch kann man nicht mal lästern!" schmollt sie. Liebevoll lege ich ihr einen Arm um die Schultern. "Ich kann ja gar nicht lästern, ich kenn diese Püppi ja nicht einmal." Anna wirft mir einen dankbaren Blick zu. "So geht das schon den ganzen Morgen." jammert sie in mein Ohr und ich muss ein Lachen unterdrücken. Dann lasse ich mich von ihnen in das Schulgebäude ziehen, um weitere Stunden meines Lebens zu vergeuden. Nein, der Schule kann ich einfach nichts abgewinnen. Ich habe einfach nicht den Eindruck, dass ich hier noch irgendwas sinnvolles lerne. Aber was solls, von der Gesellschaft wird das so verlangt und lange geht das ganze Drama ja eh nicht mehr.

"Auto oder Öffis?" frage ich Jenny, als wir nach Schulschluss zu unserer Shoppingtour aufbrechen können.
"Puh. Auto ist bequemer. Aber mit den Öffis könnten wir noch was trinken gehen. Außerdem holt Kaiden dich bestimmt gern ab nachher."
Nachdenklich nicke ich und gehe auf meinen Bruder zu, der wie zu erwarten, nicht allein dasteht und auf mich wartet.
"Mein herzallerliebster Bruder..." setze ich mit meinem Engelslächeln an.
Sein genervtes Stöhnen unterbricht mich direkt. "Was hast du, Kalista?"
Meine Augen vergrößerten sich schockiert, ob seiner schroffen Antwort. "Okay, vergiss es einfach. Dann bleibt mein Auto halt einfach hier über Nacht und ich nehme mir nachher ein Taxi. Warte heute Abend nicht auf mich." Damit drehe ich mich gekränkt um und will zurück zu Jenny, als ich am Arm zurückgehalten werde.
"Sorry Schwesterchen... Was möchtest du denn? Bitte sag es mir. Und was machst du heute Abend?"
Ich hasse diese Masche von ihm. Sobald er merkt, dass er Mist gebaut hat, wird er total lieb und fürsorglich. Aber ich habe schon über seine Reaktion von gestern hinweggesehen, damit ist mein Fass diesbezüglich gerade einfach voll.
"Das geht dich einen Scheissdreck an. Sieh zu wie du nach Hause kommst, meinen Wagen wirst du ganz sicher nicht anrühren. Und jetzt lass mich, ich kann deine Fresse gerade einfach nicht sehen." Ich entreiße ihm mit einem Ruck meinen Arm und lasse meinen Blick über die kleine Gang schweifen. Tom und Marc schauen hochinteressiert auf ihre Smartphones, nur Shane funkelt mich amüsiert an. "Was ist?" fauche ich ihn an, obwohl ich genau weiß, dass er ja nun gerade nichts für meine schlechte Laune kann. Doch anstatt dass er darauf eingeht schüttelt er lachend den Kopf. "Nichts, nichts, kleines wildes Biest."
"Ich geb' dir gleich mal wildes kleines Biest, Spinner." flüstere ich genervt, als ich an ihm vorbei zu meinem Wagen gehe und nach Jenny winke.
"Versprochen?" schon wieder ist er mir so unfassbar nahe, dass ich außer seinem Duft nicht anderes wahrnehmen kann. Innerlich verfluche ich Kaiden dafür, dass er nur Augen für Jenny hat, die sich uns nähert und die anderen Beiden, dass sie nur auf ihre Handys starren. Ein Gänsehautschauer kriecht über meinen Rücken und ich verspanne mich kurzzeitig. Schon hat Shane sich wieder von mir entfernt und Jenny schaut mich fragend an.
"Wir nehmen doch mein Auto. Ich möchte mein Baby ungern über Nacht hier stehen lassen und Kaiden hat sich dazu entschlossen, mich nicht abzuholen. Dann trinke ich halt nichts, auch nicht schlimm."
Sie nickt mir lächelnd zu und wir steigen ein. Kaum sind die Türen geschlossen und der Motor gestartet atme ich tief durch. Schon beruhigt sich mein Puls wieder und viel entspannter drücke ich das Gaspedal sanft nach unten und wir bewegen uns Richtung Innenstadt.
"Was war los?" fragt Jenny schließlich.
"Keine Ahnung, Kaiden hat mich irgendwie direkt dumm angemacht und nach gestern bin ich ehrlich gesagt nicht bereit ihm das einfach durchgehen zu lassen. Er hat gestern einen Riesenaufstand gemacht, weil wir so ewig unterwegs waren. Und ja, Wahrscheinlich ist das übertrieben und ziemlich zickig von mir, aber so bin ich nun mal. Und Shane der Vollpfosten steht daneben und macht mich dann auch schon wieder an. Was soll das? Neulich meint er noch irgendeinen Mist von wegen Freunde, und im nächsten Moment habe ich das Gefühl, dass er mich nur ins Bett kriegen will."
"So ist Shane nun mal. Ich habe ihn noch nie mit einem Mädchen gesehen, die er nicht nur in sein Bett oder Ähnliches geführt hat. Also bist du schon was ziemlich Besonderes in seinem Umfeld."
Nachdenklich schalte ich den Motor aus und bleibe noch kurz sitzen. Dann wende ich mich zu Jenny. "Ich weiß nicht. Ich habe so oft das Gefühl, dass das alles eine Masche von ihm ist. Einfach nur, weil ich ihm von Anfang an klipp und klar gesagt habe, dass ich nicht sofort mit ihm in die Kiste gehen würde."
"Aber du würdest."
"Ja. Nein. Moment, was?" Geschockt schaue ich ihr in die Augen und dann brechen wir in Gelächter aus.
Beieinander eingehakt betreten wir die Shoppingmall und ich trauere bereits jetzt dem Inhalt meines Portemonnaies hinterher.

"Hat er irgendwas gesagt was ihr macht?" frage ich nachdenklich, als ich Jenny ein weinrotes, knielanges Kleid in die Umkleide reiche.
"Keine Ahnung, er meinte nur was von entspannt und unaufgeregt."
"Oh, dann gib das Kleid wieder her. Das passt dann nicht zu euren Plänen." Ja, ich kenne meinen Bruder. Ja, ich weiß was er plant. Es besteht auch die Möglichkeit, dass er diese Idee von mir hat, denn ich habe mich mal beschwert, dass kaum ein Typ ein einfaches 'Netflix and chill' Date macht.
"Keine Chance. Das Teil kommt mit. Auch wenn ich es vielleicht nicht Freitag anziehe. Aber auf deiner und Shanes Hochzeit spätestens." Empört boxe ich ihr gegen den Oberarm, als sie gerade aus der Umkleide kommt. Doch sofort halte ich inne und betrachte sie staunend. "Wow. Du bist umwerfend! Wenn du das auf meiner Hochzeit anziehst, dann weil du meine Braut wirst. Holla die Waldfee!" Amüsiert steckt sie mir die Zunge raus und verschwindet wieder in der Umkleide, während ich nach meinem klingelnden Handy in meiner Tasche krame.

"Nate! Wie geht's dir, wie war dein Urlaub, wann sehen wir uns OMG ich hab dich so vermisst!"
"Ruhig Blut meine Hübsche." lacht er herzerwärmend durchs Telefon. "Ich bin unfassbar sexy braungebrannt, wenn du das nur sehen könntest... "
"Das ist nicht nett, ich bin gerade auf Shoppingtour und kann mich jetzt definitiv nicht ins Auto setzen und zu dir kommen."
"Tja dann... Morgen vielleicht? Training, quatschen,.. und so?"
"Okay. Ich freu mich auf dich, Natey-boiii" quietsche ich in den Hörer, wohlwissend, dass er diesen Spitznamen hasst.
"Bis morgen. Und kauf dir schöne Unterwä- ähem Trainingssachen natürlich."
Kichernd lege ich auf und packe mein Handy weg. Jenny steht schon wieder neben mir und streichelt verliebt über ihr neues Kleid. "Wer war das?" fragt sie neugierig.
"Öhm... " Wie viel kann ich ihr davon erzählen, ohne dass sie mich als Schlampe sieht? "Mein... naja... Trainer?" frage ich eher, als ich sage. "Und was... trainiert er so?" fragt sie mit einem zweideutigen Blick. Ich lache erleichtert auf. "Jede Stelle meines Körpers? Eigentlich machen wir Kickboxen. Zumindest den halben Abend." zwinkere ich ihr zu, als wir zum nächsten Laden schlendern. Und zum Übernächsten. Und Über-Übernächsten. Volltreffer- Unterwäsche. Tatsächlich finde ich, könnte ich mir auch diesbezüglich mal wieder etwas gönnen. Auch ohne, dass Nate etwas davon gesagt hätte.

Vier volle Einkaufstüten später lassen wir uns erschöpft in einem recht neuen Café auf die Sitzbank fallen.
Da stößt Jenny mir den Ellbogen in die Rippen. "Den Kellner kennen wir aber!" Überrascht hebe ich meinen Blick und ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.


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Ich hab gerade einen ganz schönen Schreibfluss, viel Spaß also damit :) 

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt