20 -Die Klärung der Fronten-

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Und Alex blieb stehen...

"Was willst du?", gereizt drehte er sich zu Evan um. Der Vampir starrte in die geröteten Augen seines Gegenübers und stockte kurz.

"Warum rennst du vor mir weg, wenn du mich doch angeblich magst? Wozu hast du mich überhaupt mitgenommen, wenn ich für dich nur eine Belastung bin?! Alex, ich weiß nicht, was das alles soll!"

Evan war so in Rage, dass ihm erst entging, wie er sich dem Todesfürsten immer mehr näherte, ruckartig blieb er stehen.  

"Du bist keine Belastung...", es war nur ein Flüstern, das über Alex' Lippen kam, doch der Vampir hörte ihn.

"Was bin ich dann?", fragte er. Seine Stimme hatte einen beinahe verzweifelten Unterton angenommen. 

Doch der Schwarzhaarige antwortete ihm nicht, stattdessen zog er Evan an dessen T-Shirt zu sich hin und presste ihre Lippen aufeinander. Nach einer kurzen Schockstarre, fing der Vampir sich und erwiderte den Kuss mit einer ebenso verzweifelten Intensität, seine Arme schlangen sich wie von selbst um den Körper des Mannes vor ihm, strichen über seinen Rücken, in den Nacken und er ließ es sich auch nicht nehmen, Alex' erstaunlich weichen Haare in Unordnung zu bringen. 

Atemlos lösten sie sich voneinander, doch keiner von beiden wagte es, sich zu bewegen, als würden sie aus einem Traum aufwachen, wenn sie es doch täten. Mit wild klopfenden Herzen sahen sie sich gegenseitig in die glitzernden Augen. 

"Verstehst du jetzt, wieso ich dich mitgenommen habe?", murmelte Alex nach einer Weile, seine Stimme hörte sich ungewöhnlich rau an. 

Evan brachte noch immer kein Wort über die Lippen, er nickte nur. 

Keiner von beiden konnte im Nachhinein sagen, wie lange sie dort im Flur gestanden hatten oder noch gestanden hätten, wenn nicht eines von Danas Hausmädchen sie unwissend gestört hätte, als sie auf dem Weg in die Waschküche einen Umweg machte, um ihrer Herrin nicht zu begegnen. 

"Wir sollten zu den anderen, es wird Zeit, dass wir uns Gedanken machen, was jetzt aus deinem ehemaligen Clan und in erster Linie aus dir wird...", brummte Alex scheinbar entschlossen, doch Evan sah ihm an, dass er diesen Moment genauso wenig beenden wollte, wie er selbst.

Trotzdem gingen die beiden schweigend nebeneinander her. Kurz vor dem Wohnzimmer, in dem ihre Freunde sich aufhielten, hielt Evan den Schwarzhaarigen jedoch zurück: "Alex, bitte sag mir, dass das zwischen uns auch hiernach noch da ist!"

Alex sah ihn ernst an: "Ich verspreche es dir, wir reden heute Abend richtig, ja?"

Der Vampir nickte zustimmend und wollte schon weitergehen, doch dieses Mal war es der Todesfürst, der ihn aufhielt, indem er ihm noch schnell einen Kuss auf die Lippen drückte und seine Hand leicht drückte: "Vergiss niemals, dass du besser bist, als alle anderen von ihnen!"

Evan sollte erst später verstehen, was Alex mit diesen Worten hatte sagen wollen, doch in diesem Moment hinterfragte er sie nicht. Stattdessen folgte er dem Schwarzhaarigen in das Zimmer und ließ sich neben ihm auf dem unbequemen Sofa nieder.  

Anderthalb Stunden später saßen alle fünf Personen mit rauchenden Köpfen um einen Tisch. Alex hatte mit Evans Hilfe seine Freunde so gut es ging über die Geschehnisse in seiner Gefangenschaft aufgeklärt. Sie alle kannten nun Mavericks Plan, was zum Großteil Evan zu verdanken war. Selbst Dana schien etwas weniger misstrauisch als am Anfang, doch dennoch fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen: "Aber warum sollen wir überhaupt was gegen diesen Maverick unternehmen? Alex ist frei und wird wohl kaum noch einmal von ihm in Gefangenschaft genommen und nur um die Vampire in die Schranken zu weisen, ist mir das Risiko zu hoch. Und außerdem verstehe ich immer noch nicht, wieso der Blutsauger uns helfen sollte! Was für einen Vorteil zieht er daraus?!"

"Erstens sitzt dir der 'Blutsauger' gegenüber, du kannst ihn also jederzeit selbst fragen", knurrte Alex, "und zweitens sind nicht nur die Vampire und Menschen betroffen, wenn Maverick sie tatsächlich unterwirft! Denk doch mal nach! Vampire haben schon immer mit Nekromanten zusammen gearbeitet. Sie wären durch die Menschen als Blutsklaven sowieso schon sehr gestärkt und dann wäre es der perfekte Zeitpunkt, so viele Nekromanten und Todesfürsten wie möglich zu mobilisieren, was meinst du denn, wieso ich gerade jetzt entführt wurde?! Es würde also schon mal eine Allianz zwischen Nekromanten und Vampiren geben, nicht zu vergessen die daraus resultierende Armee aus Wiedergängern. Die Menschen wären ausgeschaltet und es wäre nur noch fraglich, welche Magier und Feen sich freiwillig unterwerfen!"  

"Und was mich betrifft, ich bin vierundzwanzig Jahre alt und hab in ein paar Tagen Geburtstag. Was will mein Vater wohl, was ich mache, wenn ich fünfundzwanzig und damit ausgewachsen bin?! Ich soll bei seiner Blutherrschaft mitmachen und ich weiß nicht, was du von Vampiren denkst, aber nicht alle von uns empfinden Vergnügen bei der Menschenjagd!", fügte Evan bissig hinzu. 

"Es wundert mich, dass du den Kleinen so verteidigst, wenn man bedenkt, was die Blutsauger damals mit Winston gemacht haben...", murmelte Dana scheinbar unbeteiligt, doch ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.

Wütend schlug Alex auf den Tisch: "Lass Winston aus dem Spiel!"

"Dana, wenn du nicht mit uns kämpfen willst, sag es lieber jetzt deutlich! In dem Fall verschwenden wir nämlich unsere Zeit mit einem potentiellen Feind und damit meine ich nicht Evan!", warf Atticus aufgebracht ein.

"Da hat er recht, du musst dich jetzt entscheiden...", pflichtete Raymond ihm bei.

"Ist ja schon gut! Ich bin natürlich auf eurer Seite", brummte die Fee ungehalten. 

Es wurde noch ein langer Abend, doch am Ende war eines allen bewusst geworden. Sie würden Maverick nötigenfalls töten müssen und ein Krieg war unumgänglich. 

Das Flüstern des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt