"Alex? Was zur Hölle wird das?!", fragte Evan in einem leicht panischen Ton, als Alex Anstalten machte, auf das Dach von Raymonds Haus zu klettern.
"Wir müssen da hoch! Ihr Vampire seid doch angeblich so stark, dann beweg' deinen Hintern mal da hoch!", gab der Todesfürst unbeeindruckt zurück.
Resigniert seufzend tat Evan es ihm gleich und kurz darauf standen die beiden nebeneinander auf dem Dach.
Alex schloss die Augen und ein breites Grinsen trat in sein Gesicht: "Ich hab das so lange nicht mehr gemacht!"Evan beruhigte diese Aussage ganz und gar nicht, aber er beschloss, dass Alex wohl wusste, was er da tat. Zumindest hoffte er das. Doch er verwarf seine Sorgen spätestens dann vollständig, als er sah wie Alex begann, große Bewegungen mit den Armen zu machen. Sofort kam Wind auf, der die Haare und den schwarzen Mantel des Todesfürsten flattern ließ. Evan war nicht sicher, ob er es sich einbildete, aber es schien, als ob es auch etwas dunkler und kälter geworden war.
Alex sprach laut und deutlich einige Worte in einer Sprache, die Evan noch nie gehört hatte. Doch auf einmal bildete sich ein dunkelblauer leuchtender Strudel vor den beiden."Ein Portal", hauchte der Vampir ehrfürchtig.
"So sieht's aus!", bestätigte der Nekromant zufrieden. Er streckte die Hand aus, die Evan sofort ergriff. "Ab ins Gefecht!"
Gemeinsam traten sie in den Strudel. Evan war es, als würde sein Körper sich etwas schneller drehen als seine Organe, ein nicht besonders angenehmes Gefühl. Dennoch war er beeindruckt als sie nur Sekunden später vor einer gewaltigen Villa standen.
"Jetzt sind wir doch mal gespannt auf die dummen Gesichter, wenn die sehen, dass ich mich selbst gerettet hab...", grummelte Alex leise.
Grinsend ging er mit großen Schritten auf die imposante Eingangstür zu. Evans Nervosität wuchs, er würde hier extrem mächtige Leute kennenlernen und außerdem war er der Sohn des Feindes. Nicht unbedingt die beste Mischung, wie er fand.
Alex griff an den goldenen Türklopfer in Form eines Löwenkopfes, man konnte die Schläge leiser widerhallen hören. Etwas zwanzig Sekunden später wurde die Tür von einer jungen Frau in einem schwarzen Kleid mit einer weißen Schürze geöffnet."Oh, das ist neu!", stellte Alex fest.
Verwirrt sah die Frau ihn an und beschloss anscheinend, den Kommentar einfach zu überhören: "Was kann ich für Sie tun?"
"Ich bin Alex Martin, ich möchte zu Dana Santiago und er", Alex nickte in Evans Richtung, "gehört zu mir."
"Warten Sie bitte noch einen Moment, ich melde Sie an", sagte sie und schloss die Tür wieder vor ihren Nasen.
"Dann besorgt sie sich schon Personal und man muss trotzdem zweihundert Jahre warten, bevor man reinkommt!", brummte der Nekromant unzufrieden.
"Ach das meintest du mit 'das ist neu'?"
"Jap, du musst wissen, Dana hatte schon immer einen Hang dazu, möglichst viel Macht und Reichtum zur Show zu stellen, aber du wirst feststellen, dass sie trotzdem erstaunlich gutherzig und nett sein kann. Nur das mit dem Personal wäre mir an ihrer Stelle zu unsicher, man weiß nie, aber offenbar ist sie der Meinung ihr Ruf sei Schutz genug... Wenn ich so anfangen würde, hätte ich-", Alex wurde in seinen Ausführungen unterbrochen, als die Tür plötzlich aufgerissen wurde und drei Personen dahinter erschienen und sie mit großen Augen ansahen.
Flüchtig ließ Evan seinen Blick über die drei Gesichter schweifen. Es waren zwei Männer und eine Frau, sie war offenbar Dana. Sie sah jung aus, sehr hübsch mit ihren großen dunklen Augen, der leicht gebräunten Haut und nicht zu vergessen mit den Kurven an den richtigen Stellen. Die dunklen Haare fielen ihr in sanften Wellen über die Schultern und eine wahnsinnig teuer aussehende, schmale, goldene Kette um ihren Hals betonte ihr beinahe irrsinnig zartes Schlüsselbein. Neben ihr stand ein hochgewachsener Mann, der neben der zierlichen Gestalt der Fee noch um einiges großer und muskulöser wirkte, als er eh schon war. Auch er war extrem schön, wie dem Vampir auffiel. Kantige und dennoch weiche Gesichtszüge, warme blaue Augen und braune Haare, die so ungeordnet wirkten, als wäre er soeben durch einen Wirbelsturm gelaufen. Er wirkte etwas älter als die beiden anderen, etwa dreißig, schätzte Evan. Und als letztes stand da noch ein Mann, der neben den beiden anderen beinahe unauffällig wirkte, doch er strahlte irgendetwas aus, das Evan zeigte, dass er keinesfalls so unbedeutend sein konnte, wie er vielleicht wirken mochte. Er hatte schwarze Haare, gräuliche Augen und eine sehr gerade Nase. Evan war ein kleines Stück größer als er.
"Alejandro?", fragte der schwarzhaarige Mann, den Evan zu letzt betrachtet hatte, ungläubig.
"Raymond! Ich freue mich ehrlich, dich zu sehen! Euch auch Dana und Atticus, aber ich würde es dennoch vorziehen, drinnen mit euch zu sprechen", sagte Alex und schritt an den anderen vorbei, Evan folgte ihm unsicher.
Er nickte den drei Personen vor sich zu und murmelte ein leises "Hallo", während er darüber nachdachte, wieso Raymond "Alejandro" zu Alex gesagt hatte. War das sein echter Name?
Dana ging ihren Gästen voran in ein großes Zimmer mit hohen Decken. Der Raum war genauso, wie Evan ihn sich angesichts der emposanten Erscheinung des Hauses vorgestellt hatte, scheinbar teure Teppiche und Gemälde, eine nicht wirklich bequem wirkende graue Couch und an der Decke entdeckte er doch tatsächlich auch einen protzigen goldenen Kronleuchter.
Die fünf Personen nahmen Platz, der junge Vampir setzte sich dicht neben Alex. Vielleicht etwas zu dicht, überlegte er, als ihm Atticus' wissender Blick auffiel. Augenblicklich rutschte er ein kleines Stückchen weiter von dem Todesfürsten weg.
"Alex, du hast uns einiges zu erklären! Es gehen aller Hand Gerüchte um, dass du von Vampiren entführt wurdest! Selbst Raymond meinte das und jetzt kreuzt du plötzlich hier auf und bringst... Wer ist er überhaupt?", Dana durchbrach aufgebracht die Stille.
Alex seufzte: "Die Gerüchte stimmen, aber ich hab es mit Evans Hilfe rausgeschafft. Das ist übrigens Evan, der Sohn meines Entführers, er ist im Ordnung..."
Dieser Satz spukte dem Vampir eine ganze Zeit im Kopf herum, "er ist in Ordnung", was sollte das heißen?
In dem hitzigen Gespräch, das nach Alex' Erklärung folgte, hörte Evan zwar nur mit halbem Ohr zu, trotzdem fand er heraus, dass Dana einen Hang zur Dramatik hatte. Sie war ihm nicht geheuer, warum wusste er nicht.
Raymond war ein ganz anderer Charakter, eher ruhig und überlegt. Es war nicht besonders verwunderlich, dass er so gut mit dem Todesfürsten befreundet war, wie der Vampir fand.
Atticus war ein scheinbar pausenlos grinsender Nekromant, der dem Brünetten zunehmend sympathisch wurde.Als Alex herzhaft begann zu Gähnen, beschloss Dana ihren neuen Gästen Zimmer zuzuteilen.
"Gute Nacht", sagte Evan leise zu Alex, bevor er die Zimmertür hinter sich schloss.
Alex ging in sein Zimmer, das gegenüber von dem Evans lag. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Vampir nur die anderen begrüßt und sich jetzt von ihm verabschiedet hatte, seit sie Danas Haus betreten hatten. Ein schlechtes Gewissen machte sich in ihm breit. Wie hatte er so dumm sein können? Es war offensichtlich, dass diese Situation für den Vampir mehr als unangenehm sein musste. Morgen würde er es besser machen, morgen würde er auf seinen Freund achten, beschloss er.
Dann zog er alles außer seiner Unterhose aus und legte sich auf des wunderbar weiche Bett und schloss erschöpft die Augen.
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Das Flüstern des Todes
FantasíaEs war ein ganz normaler Tag im Leben des Nekromanten Alex Martin, solange bis er einen Schlag auf den Hinterkopf bekam und von Vampiren entführt wurde. Sein Leben als Einzelkämpfer, wie er sich selbst gerne nannte, war vorbei und auf einmal musste...