15 -Das Haus im Wald-

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Alex wachte mit den ersten Strahlen der Sonne auf. Es war sehr kalt, er fror trotz seines warmen Mantels. Sein Atem verwandelte sich in kleine Wölkchen. Das Feuer war erloschen, nur noch die Asche erinnerte an die Flammen. Leise seufzend streckte der Nekromant sich, entzündete erneut ein kleines Feuer und entdeckte, zur Freude seines knurrenden Magens, den Hasen, den Evan am Vortag gefangen hatte. So gut er es konnte, bereitete der Schwarzhaarige das Essen zu. Hase zum Frühstück würde wohl nie sein Lieblingsessen werden, doch in diesem Moment war er einfach froh, überhaupt etwas essen zu können. 

Durch den Geruch des Fleisches geweckt, setzte Evan sich verschlafen auf. Er musterte den Nekromanten und ihm fiel sofort auf, dass dieser noch immer abgekämpft und müde wirkte. 

"Deine Augen sind ja wieder normal", stellte er fest.

Überrascht sah Alex auf, ihm war bisher entgangen, dass der Vampir ebenfalls wach war: "Ja, sie verfärben sich nur an meinem Geburtstag..."

"Du wolltest mir noch einiges erklären... Wo gehen wir hin? Was genau hast du vor?", fragte Evan. Auch wenn er versuchte, es zu verhindern, bemerkte Alex die Sorge hinter seinen Worten.

Trotzdem schüttelte er den Kopf: "Das können wir auch noch unterwegs bereden! Wir sollten gleich aufbrechen... Willst du dir noch was zum Trinken besorgen oder können wir schon los?"

"Wir können los", leichte Enttäuschung schwang in der Stimme des Brünetten mit.

"Sehr gut", er verstaute die Reste des Fleischen sorgsam. Dann nahm er einige große Schlucke aus einer Wasserflasche, die er vor ihrer Flucht aus Evans Zimmer entwendet hatte.

Eine Zeit lang sagte keiner der beiden ein Wort, während der Todesfürst dem Vampir, wie am Vortag, den Weg wies, den sie zu gehen hatten. 

"Ich meinte es ernst, als ich sagte, ich würde dir die Entscheidung überlassen, ob du zurück zu deinem Clan willst. In vier Tagen könntest du mich endgültig los sein, wenn es das ist, wonach dir der Sinn steht", sagte Alex unvermittelt.

"Und wenn ich das nicht will?", Evan hatte ohne Nachzudenken gesprochen.

"Wenn du das nicht willst", er war sich nicht sicher, aber er meinte eine Art gequältes Lächeln um die Mundwinkel des Nekromanten schleichen gesehen zu haben, "dann werden wir uns in vier Tagen darüber unterhalten."

Evan war mit dieser Antwort zwar alles andere als zufrieden, vermutete aber, dass Alex nicht mehr dazu sagen würde, also fragte er: "Wo gehen wir überhaupt hin?"

"Zu einem Freund von mir, bei ihm sind wir sicher. Wir sollten auch bald ankommen, es ist nicht mehr besonders weit."

Der junge Vampir beschloss, sich vorerst mit diesen Antworten zufrieden zu geben. Er war äußerst gespannt auf diesen Freund des Mannes. Mit welchen Persönlichkeiten sich ein Mann wie Alex Martin wohl abgab? 

Ebendieser hing selbst in seinen Gedanken fest. Würde Evan womöglich tatsächlich bei ihm bleiben wollen? Was sollte er dann machen? Er mochte den Vampir, das stand außer Frage, allein die Tatsache, dass er ihn mitgenommen hatte, bewies ihm, dass er ihn vielleicht sogar etwas zu gerne in seiner Nähe wusste. Noch nie zuvor hatte er so dringend mit Raymond sprechen wollen. Der Magier wusste immer einen guten Rat und auch dieses Mal würde er ihm aus der Patsche helfen. Alex befürchtete, dass der Vampir bald fragen würde, weshalb er vier Tage mit ihm verbringen solle, obwohl sie noch heute Raymonds Haus erreichen würden. Sollte er ihm die Wahrheit sagen? Konnte er das überhaupt? Vermutlich war er dazu gar nicht in der Lage, schließlich verstand er es selbst nicht richtig. Sie kannten sich erst seit so kurzer Zeit und dennoch, da war irgendetwas, was sie verband. 

Das Flüstern des TodesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt