Todesangst

6 4 0
                                    

Ich muss zugeben, dass ich nicht wirklich Todesangst hatte. Trotzdem, es ging in die Richtung.

Wie du, sehr verehrter Leser, weißt, muss ich montags immer vom Abzweig einen Kilometer nach Hause laufen (Ich verweise auf "Perfektes Timing"). Heute allerdings nicht alleine, und glaube mir, es war einfach nur gruselig. 

Mir ist an der Bushaltestelle bei der ich einsteigen musste aufgefallen, dass da einer sitzt, der auch bei mir im Kaff wohnt. Da dachte ich mir schon: Scheiße, jetzt habe ich wohl unweigerlich eine Begleitung. Gut, magst du dir vielleicht denken, so schlimm wird das doch nicht sein. Das dachte ich zu Beginn auch, weil ich mit ihm schon mal ein paar Worte gewechselte habe (ich musste in dieser Situation Smalltalk führen, und ja, das hasse ich) und er mir normal vorkam.

Da stand ich also and er Bushaltestelle und habe auf den Bus gewartet. Das erste, was mir Angst gemacht hat, war, dass er die ganze Zeit diesen einen Satz wiederholt hat: "Ich komm' lebendig nicht mehr aus dem Gefängnis raus." (Und mit wiederholt meine ich wirklich die ganze Zeit, also so etwa zehn Minuten. Das hat sich angehört wie ein Mantra. Den Rest, den er vor sich hingemurmelt hat, habe ich, glücklicherweise, nicht verstanden) 

Ach ja, das könnte eventuell ein bisschen gruselig werden. Habe ich vergessen zu erwähnen. 

Ich bin dann also am Abzweig ausgestiegen. Da war noch alles okay. Plötzlich hat er dann angefangen, von Cyberkriminalität zu reden und, dass alles an ihm hängen bleiben würde und er voll den Stress hätte. Er meinte daraufhin, dass er hofft, dass hier nicht so viele Kriminelle wohnen. Sagen wir's so, ich war dezent verwirrt und überfordert. Mein Kopf war der Meinung: Renn. Das hab ich dann auch gemacht. Gut, ich bin nicht gerannt, sondern nur schnell gelaufen.

Das hat sich als eine gute Entscheidung herausgestellt, wenn man davon absieht, dass ich nach der Hälfte der Strecke ziemlich starke Schienbeinschmerzen bekommen habe und die letzten hundert Meter definitiv nicht schön waren. 

Ich sollte an dieser Stelle erwähnen, dass in meinem Kaff einer wohnt, der schon oft in der Psychatrie war und nicht mehr ganz richtig im Kopf ist. Er lebt nicht in direkter Nachbarschaft, trotzdem weiß jeder, dass er immer das Messer dabei hat und ab und zu Mal aus dem Fenster brüllt (merke dir das mit dem Brüllen). Das ist mir nach ein paar Metern eingefallen und ich habe noch einen Zahn zugelegt, weil ich den Verrückten davor noch nie gesehen hatte und sich Sicherheitsabstand in dem Fall gar nicht so dumm angehört hat.

So etwa hundert Meter war alles normal und ich dachte mir schon, dass ich überreagiert habe. Aber falsch gedacht: Er hat dann auf einmal angefangen, in der Gegend rumzuschreien. Ich bin noch einen Ticken schneller gelaufen; das kannst du dir bestimmt denken. Er hätte mir auch nachrennen können, ist mir später aufgefallen (Ich bin einfach nur froh, dass mir der Gedanke erst im Nachhinein gekommen ist).

Ich habe nicht alles verstanden, was er rumgebrüllt hat, aber "Fick deine Mutter" und sowas wie "Ich mach dich fertig" war deutlich zu hören. Es war total creepy und mein Schienbein hat, wie oben geschrieben, geschmerzt wie nochwas. Ich habe mich gefühlt wie in einem Horrorfilm, hatte aber nicht die totale Panik, weil ich ja den Sicherheitsabstand hatte (Ein Dank geht hiermit an meine Spontanität und Intuition, die mich normalerweise im Stich lassen). 

Als ich dann so in der Mitte von meinem Dorf war, habe ich auf die Hälfte der Geschwindigkeit abgebremst und mich irgendwie nach Hause geschleppt. 

Ich habe leichte Panik, dass das nochmal vorkommt, aber das interessiert dich, sehr verehrten Leser, bestimmt nicht.

Memoiren, die keinen interessierenWhere stories live. Discover now