Luftmatratze mit Aussicht

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Ich habe dir, sehr verehrter Leser, ja schon berichtet, dass ich über Couchsurfing bei einem Einheimischen übernachtet habe. Gut, einheimisch passt zu ihm jetzt nicht wirklich, weil er erst vor einem halben Jahr nach Vancouver gezogen ist.

Davor hat er einige Zeit in Seattle gelebt, wollte dann aber aus Langeweile weg, weil er alle Strecken in der Nähe schon zigmal mit seinem Motorrad abgefahren hatte. Ja, ich habe bei dem bestimmt größten Motorradenthusiasten in Vancouver übernachtet.

Ernsthaft, er hat mir Fotos von seinen Reisen gezeigt, die ihn schon in gefühlt jeden Winkel (oder besser gesagt jeden Berg und jedes Gebirge) unseres Globus geführt haben. Einmal war er im Himalaya, dann in Patagonien, sowohl den kanadischen als auch den US-amerikanischen Rockies und so weiter und so fort.

Und genauso lässig wie du dir einen solchen Typen bilderbuchmäßg gerade wahrscheinlich vorstellst, war er auch. Bart natürlich inklusive.

Seine Wohnung lag in einer auf den ersten Blick recht unscheinbaren Gegend, zwar nicht weit vom Zentrum, aber doch unscheinbar. Damit sollte ich mich gewaltig irren. Das erste, was einem nämlich ins Auge fällt, wenn man durch die Tür tritt, ist die Aussicht.

Einer, wenn nicht sogar der Hauptgrund, warum er sich in diese Wohnung verliebt hat (die, nebenbei bemerkt die erste und damit einzige war, die er besichtigt hat).

Man hat durch die Fensterfront, die sich wirklich über die ganze Wand erstreckt, einen perfekten Blick auf die Skyline.

Die Aussicht war aber nicht das, was mich am meisten vom Hocker gehauen hat. Auch nicht die Umgebung, in der ich mich definitiv nicht wie in der drittgrößten Stadt Kanadas gefühlt habe. Inmitten der für Amerika typischen Einfamilien-Holzhäusern und weiß-rosa blühenden Kirschbäumen, habe ich mich wie zuhause gefühlt.

Auch, wenn mich weder das eine, noch das andere, an zuhause erinnert.

Nein, was mich wirklich umgehauen hat, war der Mülleimer im Badezimmer. Und nein, ich meine damit nicht, dass er dort überhaupt einen stehen hatte (mal abgesehen davon, dass die Mülltüte gefehlt hat).

Besagter Mülleimer hatte eine Absenkautomatik!

Ja, das, was man eigentlich nur von Klodeckeln kennt.

Jetzt fragst du dich bestimmt, wozu sowas gut sein soll. Zugegeben, ich habe mich das anfangs auch gefragt, aber wenn man quasi mietfrei für ein paar Nächte bei jemand Wildfremdem pennt, dann will man zwangsläufig keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Besonders morgens. Und ganz besonders, wenn die Wohnung exakt drei Türen hat, eine für den Eingang, eine zum Badezimmer und eine zur Waschküche.

Da kann es schon von Vorteil sein, wenn man sich keine Gedanken darüber machen muss, dass der Mülleimer sich geräuschvoll schließt (was normalerweise ja irgendwie immer der Fall ist).

Die Sorge meinerseits, meinen Gastgeber aus Versehen aufzuwecken hat sich im Endeffekt übrigens als haltlos herausgestellt. Weil er davor in Seattle an einer vielbefahrenen Straße gewohnt hat, schläft er auch gerne mal durch einen Feueralarm.

Das ist erstmal kontraproduktiv, aber wenn nachts durchschnittlich drei bis vier Krankenwagen direkt unter dem Fenster vorbeidüsen, ist es nicht ganz unpraktisch, wenn man nicht jedes Mal aus dem Schlaf gerissen wird.

Bei mir war das ein wenig anders. Es waren aber nicht die Sirenen der Krankenwagen, sondern die Stille, wenn diese eben nicht zu hören waren. Das hört sich erst einmal paradox an, ist es aber nicht.

Von der Farm war ich nämlich allerlei Geräusche während der Nacht gewohnt. Die Rohre des Heizungsanlage haben durchgehend gerattert und geklackert und wenn man das fast zwei Monate nonstop um sich hat, dann fühlt es sich ohne einfach falsch an.

Memoiren, die keinen interessierenWhere stories live. Discover now