loose dog

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Ich beherrsche jegliches Vokabular, das mit der Arbeit auf der Farm zu tun hat, perfekt. Leider nur auf Englisch. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, als ich etwa in der Mitte meines Aufenthalts zwei Tage gebraucht habe, bis mir die korrekte deutsche Übersetzung zu bowl eingefallen ist.

Wörtlich übersetzt heißt das natürlich Schüssel, aber mir war klar, dass es im Hunde-Kontext ein anderes Wort ist. Ich wusste, dass der richtige Begriff irgendwo in meinem Hirn abgespeichert war, und habe mich deshalb geweigert zu googeln. Auch, weil ich mir diese Niederlage nicht eingestehen wollte.

Immerhin hatte ich 14 Punkte im Englisch-Abi. In Baden-Württemberg.

Letztendlich ist mir dann doch irgendwann Napf eingefallen und ich konnte beruhigt schlafen.

Worauf ich eigentlich hinauswill: Mir ist keine deutsche Überschrift eingefallen, die sich nicht auf wundersame Art und Weise dämlich für mich angehört hätte (freilaufender Hund?!). Wahrscheinlich werde ich im Laufe dieses Kapitels meiner Memoiren auf ähnliche Probleme stoßen und entschuldige mich deshalb schon einmal im Voraus, wenn ich mitten im Satz plötzlich ins Englische wechsele.

Ich weiß beispielsweise bis heute nicht, was shack genau auf Deutsch heißt, aber ich kann mit dem Wort etwas anfangen und könnte sogar ein Bild von einem solchen malen.

Ich bin halt eine Lisa. Und das war ich auch schon, bevor ich nach Kanada gereist bin (das übrigens das erste englischsprachige Land war, auf das ich Fuß gesetzt habe). Darauf sollte ich eigentlich nicht stolz sein und das bin ich auch nicht, aber die englische Sprache und ich, wir haben nunmal einen engen Draht zueinander.

Wenn man auf einer Schlittenhundefarm arbeitet, kommt es ziemlich regelmäßig vor, dass sich der ein oder andere Hund mal losreißt und auf dem Gelände herumstromert. Das Gute: Keiner würde weglaufen (abgesehen davon, dass meilenweit sowieso nichts ist).

Das geht sogar soweit, dass manche der Hunde den dog yard (Hof klingt irgendwie falsch) nur verlassen, wenn sie vor den Schlitten gespannt sind.

Zweite gute Sache: Man bekommt das immer mit, weil die anderen Hunde dann ohne ersichtlichen Grund wie verrückt bellen (wobei das auch bedeuten kann, dass ein Elch vorbeistapft, aber das ignorieren wir einfach).

In über 90 Prozent der Fälle versagt dabei der snap, sprich der karabinerähnliche Verschluss, der das Halsband mit der Kette verbindet, welche wiederum am post befestigt ist. In einem solchen Szenario ist es beinahe kinderleicht, den Hund wieder anzuketten (es sei denn, es handelt sich um ein paar ganz gewisse Hunde, die sich ums Verrecken nicht einfangen lassen wollen und das alles für ein Spiel halten).

Ganz selten kann es auch mal sein, dass der Hund mitsamt Kette herumläuft, was eigentlich auch kein großes Problem ist. Außer einmal.

Das war gegen Ende meines Aufenthaltes an einem der drei Tage, an denen ich die einzige Freiwillige war. Ich habe ewig probiert, die Kette wieder ordnungsgemäß zu befestigen, aber funktioniert hat nichts. Da hat es auch nicht geholfen, dass ich mich nicht erinnern konnte, wie es vorher aussah.

Und wenn man es mit Chance, der Hyperaktivität in Hund, zu tun hat, ist sowieso alles doppelt so schwer.

Ich musste also meine Gastmutter vom Schreibtisch aufscheuchen, damit sie das unter die Lupe nimmt. Ich kam mir echt dämlich vor, als ich ihr erklären musste, dass ich keinen Schimmer hatte, wie ich das reparieren sollte. Am Ende war sie genauso ratlos wie ich (ein kleiner Trost) und hat bestimmt 15 Minuten gebraucht, um das irgendwie hinzuwurschteln, dass sich Chance nicht direkt wieder losreißen konnte.

Wovon ich dir, sehr verehrter Leser, eigentlich berichten will, hat sich aber knapp eine Woche später zugetragen. Mein Gastvater war quasi während meines gesamten Aufenthalts in Alaska unterwegs, um einige der Hunde zu trainieren und an Rennen teilzunehmen.

Memoiren, die keinen interessierenWhere stories live. Discover now