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„Hier hat jemand für dich angerufen" sagte mein Bruder breit grinsend als ich die Türe zum Büro rein kam und schnell sah ich nach, ob ich die Nummer in der Anruferliste erkannte. Es war die von unserer Schwester und ich legte den Kopf schief, um ihn genervt anzusehen. „Hah! Was hast du denn gedacht wer das gewesen sein könnte?" lachte er laut und wir beide wussten wohl die Antwort. Dabei war es völlig irrsinnig zu glauben, dass Greta anrufen würde, denn unsere Büronummer gaben wir nie einfach so weiter. „Bruder, lass mich" sagte ich nur lachend und er tat es mir gleich, ehe er mit seinem Bürostuhl zu mir rüber gerollt kam, doch schubste ich ihn gleich wieder mit meinem Fuß in die andere Richtung. Leider schubste ich so doll, dass er rücklings auf dem Boden landete und erst sah er mich geschockt an, ehe wir beide einen Lachanfall bekamen. „Tut mir leid" sagte ich zwischen zwei Lachern und als ich sah wie mein Bruder auf dem Boden lag, konnte ich nicht mehr an mich halten. „Du siehst aus wie eine Schildkröte" meinte ich und mein Bruder blieb einfach so liegen, legte sich die Hand auf den Bauch und bekam fast keine Luft mehr vor lachen. Gerade in solchen Momenten wurde mir bewusst wie sehr ich ihn schätzte und amüsiert half ich ihm auf. „Danke, echt. Ich hab dich auch lieb" meinte Andreas dann, als er wieder stand und nahm mich kurzerhand in den Schwitzkasten, um durch meine Haare zu wuscheln. „Ahh! Bruder!" kommentierte ich das Geschehen und versuchte mich zu befreien, doch hatte ich keine Chance.

Während wir so rangelten bemerkten wir nicht, dass Steffi mittlerweile im Büro stand und uns tadelnd ansah. „Also das nennt ihr arbeiten, ja?" lachte sie und zog damit die Aufmerksamkeit auf sich. „Schatz, was machst du denn hier?" fragte Andreas, der mich endlich los ließ und seiner Frau einen Kuss gab. „Ich wollte nur kurz Bescheid sagen, dass ich mit Annika heute Abend ins Kino gehe. Wäre das okay?" lächelte sie und mein Bruder winkte ab, „Ja na klar, mach das" sagte er und meine Schwägerin lächelte zurück. „Und was macht ihr hier?" stellte sie glucksend die Gegenfrage und mein Bruder hob abwehrend die Hände „Mein kleiner Bruder ist seitdem er Greta getroffen hat völlig aus dem Häuschen und vermutet sie hinter jede Ecke. Oder hinter jedem Anruf" sagte er dann lachend und Steffi stimme mit ein, während ich mich mit genervter Miene auf meinen Bürostuhl fallen ließ. „Jetzt übertreib mal nicht so" kommentierte ich seine Aussage und er schnaubte ungläubig. „Ich weiß ja nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber du redest wirklich viel über sie" meinte er dann und ich wusste innerlich, dass er Recht hatte, doch wollte ich mir die Blöße nicht geben. „Über die Harley" hielt ich meinen Standpunkt aufrecht und nun war Steffi es, die lachte. „Nee Chrissi.. das stimmt nicht so ganz" meinte sie dann und ich hasste es, wenn sie mich Chrissi nannte. Es machte mich noch kleiner, als ich in dieser Familie eh schon war. Manchmal fühlte ich mich wie ein Außenseiter, da ich keine eigene Familie hatte und immer als schwer vermittelbar galt. Auch wenn ich wusste, dass alle nur Spaß mit mir machten, so konnte ich es nicht verhindern, dass es etwas an mir nagte. Denn eine eigene Familie mit allem was dazu gehört war auch schon immer ein Traum von mir. Gerade nach dem Tod von meinem Vater hatte sich der Wunsch gestärkt und es machte es nicht unbedingt leichter, dass ich immer älter wurde und sich nichts an meiner Situation änderte.

„Hey, alles gut?" wollte mein Bruder wissen und riss mich so aus den Gedanken. „Ja klar, sorry" meinte ich nur schnell - zu schnell, denn mein Bruder wusste sofort Bescheid und ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen. „Das klingt vielleicht bescheuert, aber was ist denn wenn du einfach noch mal zu ihr fährst?" fragte er dann und ich nickte „Das klingt wirklich bescheuert". Steffi setzte sich grinsend auf den Schreibtisch vor uns und musterte mich. „Aber wieso nicht? Du weißt wo sie wohnt und wenn du sie gerne wieder sehen möchtest dann bleibt dir wohl nichts anderes übrig" sagte sie dann und ich schnaubte. „Dann komme ich mir vor wie ein Stalker" sagte ich dann und nun schnaubte Andreas. „Du kannst ihr ja einfach Tickets für unsere Show mitbringen, das würde sie bestimmt freuen. Und ihren Vater erst recht" sagte er dann und ich sträubte mich immer noch. „Leute ich halte das echt für keine gute Idee. Das hat sowieso keinen Sinn" meinte ich dann und Andreas stöhnte genervt aus. „Das kannst du doch nicht schon von vornherein sagen. So wirst du ja nie eine Frau finden" meinte er dann und ich blickte nur genervt zu ihm.

„Christian, du musst dich mal ein bisschen locker machen" sagte Steffi dann aus dem Nichts heraus und amüsiert schauten wir zu ihr. „Du magst sie und sie fand dich doch auch nett, also was ist schon dabei? Und ich verstehe, dass du vorsichtig sein willst, aber es bringt dir auch nichts, wenn du zu vorsichtig bist" meinte sie und ich nickte. Sie hatte schon Recht mit dem was sie sagte, aber ich hatte einfach keine Lust wieder enttäuscht zu werden. „Können wir das Thema einfach lassen?" fragte ich dann und mein Bruder gab mir mit einem Augen verdrehen zu verstehen: nein. „Überleg es dir doch einfach mal. Wir sind bis Mittwoch noch hier und Köln ist auch nicht so weit weg" meinte er dann und ich nickte, um meine Ruhe zu bekommen. „Und Greta würde sich bestimmt freuen" säuselte er dann noch in mein Ohr, ehe er Steffi an die Hand nahm und erst ein mal aus dem Büro verschwand.

„Und Greta würde sich bestimmt freuen" äffte ich ihn nach und warf meinen Kopf in den Nacken, der von der Kopflehne aufgefangen wurde. Natürlich wusste ich, dass mein Bruder es nur gut mit mir meinte, aber ich war mir einfach unsicher. Zudem kam auch noch, dass ich mich in Gretas Nähe wirklich beherrschen musste, um nicht wie ein kompletter Idiot rüber zu kommen. Außerdem wusste ich überhaupt nichts von ihr, vielleicht war sie auch vergeben und ich würde mich mit der Aktion extra zu ihr zu fahren lächerlich machen. Oder, oder, .. noch viel solcher Gedanken kamen mir in den Sinn und ich dachte daran was mein Vater mir jetzt sagen würde. „Egal wie viele Gründe es dagegen gibt, es gibt immer den einen guten Grund es zu versuchen. Und wenn es funktioniert, dann hast du gewonnen und wenn nicht, stehst du eben wieder auf und probierst es noch mal. Wer hätte am Anfang gedacht, dass ihr mit eurer Idee zu zaubern so viel Erfolg haben könntet?" hörte ich seine Stimme in meinem Ohr und wurde traurig und dankbar zugleich. Er war immer derjenige, der an uns geglaubt hatte. Und auch wenn ich wusste, dass Andreas genauso hinter mir stand so war es einfach nicht das Gleiche und auch wenn wir so viele Fans und ich vor allem so viele Angebote von weiblichen Fans bekam, fühlte ich mich manchmal alleine.

Seufzend fuhr ich mir mit der Hand durchs Gesicht und bemerkte, dass es schon dunkel draußen geworden war. „Sag mal, grübelst du jetzt schon seit einer Stunde?" hörte ich Andreas fragen, der den Kopf aus der Türe steckte und mich besorgt ansah. „Ich glaube schon" war meine knappe Antwort und mit einem mitfühlenden Gesichtsausdruck kam er auf mich zu. „Christian, ich weiß zwar nicht genau was in deinem Kopf vorgeht, aber ich kann es mir denken. Versuch es doch einfach, du hast nichts zu verlieren. Und wenn es nicht klappt kannst du mir immer noch Vorwürfe machen" sagte mein Bruder dann und ich grinste leicht. Wenn er meinen vollen Namen aussprach, dann musste es ihm wirklich wichtig sein. Und eigentlich wusste ich auch, dass er Recht hatte. „Okay.. ich probiere es" sagte ich dann ohne weiter nachzudenken und mein Bruder wollte gerade jubeln, als ich ihn unterbrach, „Aber ich habe riesen Hunger. Die Pizza geht auf dich" stellte ich klar und er nickte zufrieden.

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Seit geschlagenen zehn Minuten saß ich nun im Auto, das ich gegenüber von Gretas Einfahrt geparkt hatte und murmelte immer wieder „Gott.. was mache ich hier.. was mache ich hier". Ich hatte mich wirklich dazu entschlossen zu ihr zu fahren, doch traute ich mich nicht wirklich aus dem Auto auszusteigen, da ich überhaupt nicht wusste was ich sagen sollte. „Hallo, ich bin Chris und ich stalke gerne" schien mir keine gute Alternative zu sein und ich lehnte meinen Kopf aufs Lenkrad und sorgte dafür, dass die Hupe laut aufheulte. Erschrocken fuhr ich zurück und schlug mir die Hand vors Gesicht. Wie blöd konnte man sich eigentlich anstellen? Bevor noch etwas schlimmeres passierte fasste ich mir endlich ein Herz und stieg aus meinem Auto aus. Langsam ging ich die Einfahrt entlang und versuchte nicht darüber nachzudenken wie blöd ich mir vorkam. Die Harley stand unterm Carport und brachte mich sofort zum Lächeln - mit ihr hatte alles angefangen. Und dann erkannte ich, dass jemand mit einem Müllbeutel in der Hand die Türe raus kam und Richtung Carport lief. An den braunen Locken erkannte ich sie, es war Greta, die in einer Jogginghose, T-Shirt und Schlappen den Müll in die Tonne warf, sich dann umdrehte und abrupt stehen blieb. Sie hatte mich entdeckt und ihr Gesichtsausdruck brachte mich unwillkürlich zum lachen. So perplex wie ich selber war konnte ich nichts sagen und hob einfach die Hand, was sie wie von alleine erwiderte und immer noch völlig fassungslos einen Schritt auf mich zu kam. War ich vielleicht doch zu weit gegangen? 

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