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„Papa, sag mal warum stinkst du so?" fragte Emma und empört, aber belustigt sah ich sie über den Rand meiner Kaffeetasse an. „Ich stinke?" stellte ich die Gegenfrage und Emma nickte kräftig, rümpfte die Nase und wedelte mit ihrer Hand hin und her. „Ja als wärst du in einen Eimer mit all deinem Parfüm gefallen" sagte sie dann angeekelt und ich lachte laut los. So unrecht hatte sie gar nicht, ich hatte vielleicht wirklich etwas dick aufgetragen. „Wenn Greta das riecht, dann geht sie rückwärts wieder raus" lachte Emma und gleichzeitig verstummte mein Lachen. „Meinst du ich soll noch mal duschen gehen?" fragte ich und Emma nickte so kräftig, dass ich Angst hatte sie würde am nächsten Tag Nackenschmerzen bekommen. „Ja und ein anderes T-Shirt musst du dir auch anziehen, Greta liebt blau und deins ist weiß. Außerdem machst du die so schnell dreckig" tadelte mich meine kleine Tochter und ich verdrehte die Augen. „Jaja, du räumst den Tisch ab und ich gehe noch mal duschen" sagte ich und Emma grinste zufrieden. „Aber danach nicht wieder in den Eimer mit Parfüm fallen" rief sie mir hinterher und ich winkte nur gefolgt von einem „Jaja" ab. Kinder.
Ich war tatsächlich total aufgeregt Greta heute wieder zu sehen. Nach unserem Telefonat hatten wir beschlossen, dass es so nicht weiter gehen konnte und wir uns wieder sehen mussten. Die Tatsache, dass sie mich sehen wollte, obwohl sie wusste, dass es mich nur noch mit Emma im Doppelpack gab, machte mich unheimlich glücklich und verstärkte die Hoffnung, dass Greta einfach nur Zeit gebraucht hatte sich auf die neue Situation einzulassen.

Frisch geduscht, neu parfümiert und mit einem blauen Shirt stand ich nun vor einer kritisch drein blickenden Emma. „Und?" fragte ich, während sie mit ihren kleinen Beinen ein mal um mich herum ging, um anschließend zu nicken. „So geht's" befand sie und ich lachte leise. „Und ich stinke auch nicht mehr?" wollte ich sicherheitshalber wissen und Emma kniff ein Auge zu. „Doch, aber nicht mehr so viel. Und die Greta mochte das ja auch vorher" sagte sie und erneut musste ich lachen. Da hatte sie wohl recht. „Okay, dann gehst du jetzt raus auf den Hof zu den anderen und ich räume noch schnell hier auf" befahl ich Emma, die mit den Augen rollte. „Junge Dame, was habe ich dir dazu gesagt?" wollte ich wissen und meine Tochter stöhnte genervt. „Dass meine Augen irgendwann noch so stehen bleiben, wenn ich sie so wild hin und her rolle" kam es genervt und ich nickte kräftig, „Genau. Also lass das lieber" meinte ich noch und Emma sah mich noch ein mal genervt an, ehe sie zur Türe raus ging.

Als ich gerade fertig mit aufräumen war und hinaus auf den Hof gehen wollte, kam mir eine aufgeregte Emma entgegen, die prompt über die Türschwelle auf ihre Knie fiel. „Sie ist da!" sagte sie aufgeregt und rappelte sich auf, als wäre nichts gewesen. „Du musst kommen, Papa, sie ist da!" sagte sie erneut und zog mich an der Hand mit nach draußen. So schnell und so energisch wie Emma mich mit sich zog musste ich aufpassen, dass ich nicht ebenso über die Türschwelle stolperte und als ich draußen war erkannte ich Greta sofort. Sie hatte ein gelbes Sommerkleid an und ihre braunen Haare waren zu einem Zopf geflochten. Sie stand mit dem Rücken zu mir und unterhielt sich gerade mit Steffi, die mich sofort breit angrinste, als sie mich entdeckte. Automatisch drehte sich Greta um und folgte Steffis Blick und als ihre Augen auf meine trafen blieb ich wie angewurzelt stehen. Emma, die meine Hand immer noch nicht los gelassen hatte, sah mich irritiert an. „Papa, du musst laufen" sagte sie leise, als wäre ihr mein Verhalten peinlich. Aber für ein paar Sekunden schien es so, als könne ich mich nicht bewegen. Viel zu überwältigend war der Augenblick. Viel zu viele Gefühle kamen in mir hoch, die ich nicht richtig zuordnen konnte. Erst als Greta wie in Zeitlupe die Hand hob, um mich zu grüßen, löste ich mich aus meiner Schockstarre. Ich erwiderte ihren Gruß und meine Lippen formten automatisch ein breites Grinsen, ehe ich mich in Bewegung setzte und auf sie zuging. Doch Lotta und die Jungs waren schneller als ich und begrüßten sie mit einem lauten „Greta, was machst du denn hier!" und fielen ihr daraufhin gleich um den Hals. Ich war wohl nicht der Einzige, der sie vermisst hatte. Als dann auch noch mein Bruder in Badehose um die Ecke kam, war das Chaos perfekt. „Was macht ihr denn für einen Krach? Lotta, komm wir ... - Greta!" sagte er und ging auf sie zu, um sie zu umarmen. „Wie schön dich zu sehen" sagte mein Bruder als er sich von ihr löste und ich alles aus einer Distanz von wenigen Metern beobachtete. Ich fühlte mich als wäre ich mitten in einem Film. Irgendwie gehörte ich dazu und irgendwie auch nicht. Irgendwie waren die Regieanweisungen klar und vertraut: ich sehe Greta, begrüße sie und wir reden miteinander. Und irgendwie auch nicht, denn Bewegungen und ganze Sätze waren in dieser Sekunde zwei völlig fremde, fast schon unmöglich zu meisternde Sachen für mich. „Ich glaube wir sollten die drei mal alleine lassen" sagte Steffi dann zu meinem Bruder und bedeutete den drei anderen Rabauken mitzukommen. Mein Bruder grinste mich noch ein mal aufmunternd an, ehe ich es endlich schaffte die wenigen Meter bis zu Greta zu überbrücken und vor ihr stehen zu bleiben. „Hey" meinte ich dann sanft und lächelte sie an, was sie direkt erwiderte. „Hey" kam es dann unsicher von ihr und dann war Emma es, die Gretas Aufmerksamkeit einforderte. „Hallo" sagte sie freudig und winkte ihr zu, was Greta lachend erwiderte. „Schön dich zu sehen Emma" sagte Greta dann aufrichtig, während sie auf die Knie ging und Emma fackelte nicht lange. Schnell ging sie auf Greta zu und umarmte sie, so stürmisch, dass Greta nach hinten ausrutschte und sich gerade so anfangen konnte. „Emma nicht so stürmisch" tadelte ich sie, allerdings nur halbherzig, weil die beiden Frauen vor mir vor sich hin kicherten und damit mein Herz erwärmten. „Es ist auch schön dich zu sehen. Du hast dir ja auch lang genug Zeit gelassen" sagte Emma dann und ich riss meine Augen weit auf und bedeutete ihr damit nicht so frech zu sein. Das einzige Problem an meiner erzieherischen Maßnahme war, dass Emma mich keines Blickes würdigte. Greta lächelte schuldbewusst und nickte dabei. „Da hast du nicht ganz unrecht, junge Dame" sagte sie dann, während sie sich wieder hinstelle und mir anschließend in die Augen sah. „Ich habe da vielleicht ein, zwei falsche Entscheidungen getroffen" sagte Greta ohne den Blick von mir abzuwenden und ich konnte nicht verhindern, dass meine Lippen erneut ein breites Grinsen formten. „Emma, die Lotta wartet bestimmt schon im Pool auf dich" sagte ich an meine kleine Tochter gewandt und verwundert sah sie mich an. „Lotta ist doch ein totaler Angsthase, die geht ohne Onkel Andi doch gar nicht in den Pool?" kam es dann fragend zurück und diesmal war ich es, der die Augen verdrehte. „Emma. Sie wartet ganz bestimmt. Ob im Pool, am Pool, wer weiß das schon" sagte ich dann drängender und nun verstand Emma endlich. „Achso, du willst alleine mit Greta sein, warum sagst du das denn nicht gleich" sagte sie dann und Greta konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Lotta wartet im Pool... das war ja wohl die schlechteste Ausrede der Welt" motzte Emma vor sich hin, während sie davon stiefelte und ich konnte nicht anders als lachend den Kopf zu schütteln.

„Sie ist genauso frech wie du" lachte Greta dann und ich tat es ihr gleich. „Ja.. ich glaube ein paar schlechte Manieren habe ich ihr schon beigebracht" gab ich zu und dann lachten wir beide. Als wir verstummten blieb mein Blick wieder an ihrem hängen und ich machte einen Schritt auf sie zu, um meine Hände an ihre Schultern zu legen. „Es tut so gut dich zu sehen" sagte ich und strich dabei sanft über ihre Arme. Zufrieden stellte ich fest, dass Greta eine Gänsehaut bekam und grinsend suchte ich ihren Blick. „Ja.. ich kann's auch noch gar nicht realisieren, dass du wirklich wieder vor mir stehst" meinte sie dann und ohne zu überlegen kniff ich ihr kurz in den Arm. „Aua?!" kam es empört von ihr, was mich zum Lachen brachte. „Ich wollte dir nur zeigen, dass du nicht träumst" sagte ich dann und sie schnaubte. „Na das kannst du mir auch anders zeigen" meinte sie dann und rubbelte kurz über die Stelle, die ich getroffen hatte.
„Komm wir gehen erst mal rein" sagte ich dann und nahm wie selbstverständlich ihre Hand, um sie ins Haus zu führen. Greta folgte mir und es war ein unglaubliches Gefühl sie wieder so nah bei mir zu spüren. Viel zu lange hatte ich auf sie verzichten müssen und ich hoffte inständig, dass wir beide da weiter machen konnten, wo wir vor einigen Monaten aufgehört hatten. Denn ich wollte nichts sehnlicher als mit ihr und Emma glücklich zu werden.
Mit einem erschrockenen „Huch" riss mich Greta aus meinen Gedanken und ich konnte sie gerade noch so auffangen, da sie über die Türschwelle gestolpert war und nur kurz vor meinem Gesicht zum stehen kam. Schüchtern grinste sie mich an und ließ ihre Augen über mein Gesicht schweifen. Als sie bei meinen Lippen angekommen war, veränderte sich ihr Blick und ich selber konnte es ebenfalls ganz deutlich merken, dass sich die Stimmung zwischen uns schlagartig geändert hatte. Das Kribbeln, den Drang sie zu küssen.. - all das kam wie eine Welle auf mich zu und ich konnte nicht anders, als die letzten Zentimeter zwischen uns zu überbrücken und sie zu küssen. Viel zu stürmisch nahm ich ihr Gesicht zwischen meine Hände und fixierte sie mit meinem Körper zwischen Haustüre und mir, sodass Greta erst mal erschrocken nach Luft schnappte. Doch ihre Verwunderung hatte sich schnell gelegt und ich hatte nicht vor mich von ihr zu lösen und so verschloss ich erneut unsere Lippen miteinander, diesmal langsamer, aber immer noch genauso fordernd wie davor.

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