35.

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Andreas Sicht

Nach einer weiteren halben Stunde, die ich mit Grübeln verbrachte entschied ich mich dazu einfach zu Jule herüber zu gehen. Dabei ließ ich außer Acht, dass es eigentlich danach klang, dass sie mich nicht sehen wollte. Ich hatte das Bedürfnis mich zu erklären und ich wollte nicht, dass sie sich meinetwegen schlecht fühlte oder gar schlecht über mich dachte.

Als ich auf ihre Einfahrt einbog erkannte ich, dass in der Küche Licht brannte und als ich die Treppen zur Türe hoch ging sah ich Jule, die im Fenster stand. Verwirrt sah sie mich an und dann dauerte es keine drei Sekunden, bis sie die Türe geöffnet hatte. „Andreas?" kam es dann fragend von ihr und ich lächelte leicht, während ich meine Hand zum Gruß hob. „Hey" meinte ich dann sanft und sah in Jules fragendes Gesicht. „Hey" sagte sie und es klang immer noch fragend, doch versuchte ich es zu ignorieren und machte einen Schritt auf sie zu, was sie dazu veranlasste zur Seite zu treten und langsam schloss sie die Türe hinter uns. „Ist alles okay?" wollte sie dann wissen und ich zog eine Augenbraue nach oben. „Das Selbe könnte ich dich fragen" sagte ich und nun war sie es, die ihre Augenbrauen hob. „Du mich?" wiederholte sie und ihr Tonfall war prompt ein anderer, fast schon schnippisch. „Wollen wir uns vielleicht hinsetzen?" fragte ich, um die angespannte Situation etwas aufzulockern und Jule nickte schnell Richtung Wohnzimmer. „Fühl dich wie zu Hause" sagte sie und ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Seufzend schmiss ich mich aufs Sofa, was Jule zum Lachen brachte und mit zwei Gläsern und einer Flasche Wein bewaffnet kam sie wieder. Beim Blick auf die Flasche sah ich sie erneut mir hochgezogener  Augenbraue an und Jule folgte meinem Blick und schien zu überlegen. „Vielleicht doch lieber Wasser" lautete ihr Entschluss und während sie die Weinflasche wieder weg räumte lachte ich leise vor mich hin. Als Jule sich wieder neben mich setzte sah sie mich erwartungsvoll an und ich rückte ein Stück nach hinten, um mich seitwärts hinzusetzen, damit ich sie besser angucken konnte. Jule tat es mir gleich und stütze ihren Arm auf der Lehne ab, um ihren Kopf mit der Hand zu halten. „Also?" fragte sie und erneut musste ich grinsen. „Also" wiederholte ich, „Ist alles in Ordnung?" wiederholte ich meine Frage von eben und konnte in Jules Blick sehen, dass sie damit nicht gerechnet hätte. „Es ist alles okay" meinte sie und ich legte meinen Kopf schief, um ihr zu signalisieren, dass ich ihr nicht glaubte. „Andi.." murmelte sie und wich meinem Blick aus, doch ließ ich es nicht gelten und hob ihren Kopf mit meinem Zeigefinger an, um ihn anschließend wieder zu mir zu drehen. Und dann sah sie mich traurig an, bevor sie endlich die Frage stellte, die ihr auf der Seele brannte. „Was hast du bei Steffi gemacht?".

Seufzend ließ ich meinen Finger sinken und stützte nun ebenfalls meinen Kopf ab. „Ich glaube ich habe einfach nach Antworten gesucht.." versuchte ich zu erklären, was mir durch den Kopf ging und Jule nickte kurz. „Und hast du sie bekommen? Die Antworten" fragte sie und ich stieß die Luft aus. „Ich glaube schon. Steffi und ich, wir haben beide Fehler gemacht und ich glaube es war wirklich gut, dass wir noch ein Mal miteinander gesprochen haben" sagte ich nachdenklich und Jule sah mich ebenso nachdenklich an, sagte aber nichts. „Ich habe mich einfach die ganze Zeit gefragt was ich falsch gemacht habe. Ob ich vielleicht zu viel unterwegs war und vor allem, ob es größtenteils an mir lag, dass unsere Ehe nicht mehr funktioniert hat. Aber mir ist klar geworden, dass ich nicht alleine Schuld daran bin und das tut unheimlich gut" sagte ich noch und Jules Blick wurde weicher. „Natürlich bist du nicht alleine Schuld" bestärkte sie mich und ich legte dankend meine Hand auf ihre, um sie kurz zu drücken. „Steffi ist jetzt mit diesem Markus zusammen. Aber ich hatte den Eindruck und das hat sie mir eigentlich auch durch die Blume hindurch gesagt, dass es nicht für lange ist" erzählte ich und Jule starrte mich eine Zeit lang an, was mich unsicher werden ließ. „Und.. du weißt nicht was du davon halten sollst?" fand sie ihre Sprache wieder und ich nickte. „Ja, so könnte man das sagen" bestätigte ich.  „Willst du es noch ein Mal mit Steffi versuchen?" fragte sie dann ganz leise und sorgenvoll sah ich sie an. „Jule, ich.. ich weiß es nicht. Ich habe darüber nachgedacht, aber ich weiß absolut nicht wo mir der Kopf steht" meinte ich dann und Jule wandte ihren Blick ab und nickte. „Weiß sie das mit uns?" fragte sie und ich schüttelte nur mit dem Kopf. „Du solltest einfach versuchen deine Gedanken ein bisschen zu ordnen" sagte sie dann wieder leise und sah mir in die Augen. „Es zwingt dich ja niemand jetzt auf alles eine Antwort parat zu haben. Du musst für dich selber wissen was dir gut tut" sagte sie und ich lächelte sanft. „Du tust mir gut" sagte ich dann ebenso leise und rückte ein Stück an sie heran. Seufzend beobachtete sie meine Bewegungen und steckte ihre Hand aus, um sie auf meine Brust zu legen und leichten Druck auszuüben, damit ein gewisser Abstand zwischen uns bestehen blieb.

„Ich lenke dich ab, aber das wird dir auch nicht ewig helfen" kam es dann trocken von ihr und ich sah ihr an, dass sie verletzt war. „Jule du weißt ganz genau, dass ich dich nicht ausnutze" meinte ich dann und legte meine Hand auf ihr Bein, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. „Das weißt du doch?" fragte ich noch ein mal nach, da sie immer noch meinem Blick auswich und dann stieß sie langsam die Luft aus. „Jule, du bist mir unheimlich wichtig. Ohne dich hätte ich die letzten Wochen überhaupt nicht gemeistert. Ich halte das nicht für selbstverständlich und wenn ich dich mit meinem Verhalten verletzt habe, dann tut es mir wirklich leid" sagte ich und sah sie eindringlich an. Wenn sie mich doch nur anschauen würde. „Du hast mich nicht verletzt" sprach sie leise und dann, endlich, sah sie mich an. Doch ihr Blick sprach Bände und ich wusste, dass ihre Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen. „Ich bin nur einfach... ich, ich mag dich" sagte sie dann und für einen kurzen Moment hielt ich die Luft an. „Ich meine du liegst mir sehr am Herzen. Dich so zu sehen tut mir einfach weh und du bist einfach viel öfters in meinem Kopf als mir lieb wäre" sagte sie und grinste dabei leicht, so als würde sie sich über sich selber lustig machen. „Ich bin nicht in dich verliebt" sagte sie dann und hob schnell die Arme, „Aber ich mag dich und ich weiß nicht, ob es wirklich so gut ist, wenn wir weiterhin miteinander schlafen .. vor allem wenn du daran denkst deiner Ehe eine zweite Chance zu geben, dann.. Dann sollten wir das vielleicht besser lassen" meinte sie und ich nickte, während ich die Luft anhielt und dann mit doppelter Kraft ausstieß. „Ich mag dich auch, Jule. Und ich gebe dir Recht, dass es vielleicht vernünftiger wäre nicht mehr miteinander zu schlafen.." - „Aber?" fragte sie und zog dabei eine Augenbraue nach oben. „Aber ich schlafe einfach zu gerne mit dir" sagte ich dann ehrlich und gleich darauf ertönte Jules Lachen. „Bitte?" fragte sie verwirrt und ich nickte nur grinsend. „Ja. Ich schlafe viel zu gerne mit dir, als dass ich damit freiwillig aufhören würde" bestätigte ich dann noch ein mal und Jules perplexes und amüsiertes Gesicht brachte mich zum lachen. „Ich glaube du hast doch Wein getrunken" sagte sie dann und grinsend schüttelte ich den Kopf, ehe ich noch weiter an sie heran rutschte. Jule hielt lachend ihre Hände gegen meine Brust und versuchte mich weg zu schieben. „Andreas, ich glaube du musst jetzt gehen" lachte sie und ich tat es ihr gleich. „Ich muss jetzt gehen?" fragte ich und Jule nickte kräftig, ehe sie kurzerhand aufsprang. „Ja, weil .. das hier" sagte sie und deutete mit ihrem Zeigefinger auf mich, indem sie kleine Kreise zog. „Geht nicht" stellte sie dann klar. „Und da bist du dir ganz sicher?" wollte ich wissen, ehe ich aufstand und kurzerhand meine Hände auf Jules Rücken legte, um sie zu mir zu ziehen. Ihr Gesicht war nur noch Millimeter von meinem entfernt und sehnsüchtig sah sie mich an. Grinsend legte ich meine Lippen auf ihre und sofort nahm sie mein Gesicht in beide Hände, um unseren Kuss zu intensivieren. Ich spürte erneut die vertraute Spannung, die sich zwischen und aufbaute und gerade als ich sie triumphierend anlächeln wollte, löste sie sich von mir. „Ja, nein..doch. Ich bin sicher" sagte sie dann und ging ein paar Schritte zurück. Nun war ich es, der sie perplex ansah und Jule zögerte nicht lange und griff nach meiner Hand, um mich mit ihr in den Flur zu ziehen. „Es war wirklich schön, dass du da warst, aber du musst jetzt gehen" sagte sie und versuchte mir nicht in die Augen zu sehen, weil sie wohlmöglich befürchtete doch noch ihre Meinung zu ändern. Grinsend verstärkte ich unseren Griff und wollte sie gerade Richtung Schlafzimmer ziehen, als sie sich auf ihre Versen stemmte und lachend protestierte. „Andreas! Ab nach Hause mit dir" schimpfte sie lachend und ich tat es ihr gleich. Und als ich ihr mit meinem Gesicht wieder näher kam und sie mit dem Rücken gegen die Wand drückte, verstummte ihr Lachen. Erneut legte ich meine Lippen auf ihre und Jule ließ sich auf den Kuss ein, der so schnell nicht endete. „Gute Nacht" sagte ich, ehe ich mich grinsend von ihr löste und schelmisch erwiderte sie meinen Blick. „Gute Nacht" meinte sie dann, bevor ich die Türe öffnete und noch ein mal kurz draußen stehen blieb. „Letzte Chance" sagte ich und war mir eigentlich sicher, dass Jule mich wieder zu sich ziehen würde, um da weiter zu machen wo wir aufgehört hatten, doch hatte ich die Rechnung ohne Jule gemacht. „Mach's gut, Andi" lachte sie nämlich und schloss die Türe vor meiner Nase. Für einen kurzen Moment schaute ich die Türe an und wartete vergeblich darauf, dass sie noch ein mal geöffnet wurde. Und dann machte ich mich leise lachend und kopfschüttelnd auf den Weg nach Hause.

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