Jules Sicht
Verträumt packte ich meine Tasche aus und während ich meine dreckige Wäsche auf einen Haufen schmiss konnte ich nicht verhindern, dass meine Gedanken immer wieder zu Andi schweiften. Das ganze Wochenende über hatte er mit seinen Gefühlen nicht hinterm Berg gehalten und auch, wenn ich überrascht war, dass er so in die Offensive gegangen war, freute ich mich sehr darüber. Denn ich konnte schon längst nicht mehr leugnen, dass ich Gefühle für ihn entwickelt hatte und so wie es aussah beruhte dies auf Gegenseitigkeit. Grinsend schüttelte ich den Kopf, denn genau das war es, was ich eigentlich vermeiden wollte. Aber die Liebe war ein seltsames Spiel und schon gar nicht dafür gedacht sie zu kontrollieren. Damit hätte ich ohnehin früher anfangen müssen, denn jetzt war ich hoffnungslos verloren. Ich hatte mich in Andreas verliebt.
Gerade als ich meine Wäsche in den Keller bringen wollte klingelte es an der Türe und schwungvoll und mit einem breiten Grinsen auf den Lippen öffnete ich die Türe. Doch mein Lächeln erstarrte sofort, denn entgegen meiner Erwartung stand nicht Andreas, sondern Steffi vor mir und lächelte unsicher. "Hey" sagte ich verwirrt und sie erwiderte ein "Hi Jule", ehe ich eine einladende Handbewegung machte und sie so in mein Haus bat. "Tut mir leid, dass ich dich so überfalle, aber hast du vielleicht ein paar Minuten für mich?" fragte sie und ich sah sie immer noch verwirrt an. "Klar" war alles, was ich raus brachte, ehe ich wie automatisch ins Wohnzimmer zeigte und sie mir folgte. Während ich zur Couch ging rasten die Gedanken in meinem Kopf und ein Gefühl war dabei besonders vorrangig: Schuld. Ich fühlte mich ertappt und äußerst unwohl, der Tatsache geschuldet, dass Steffi in meinem Haus war. "Es geht um Andreas" sagte sie dann, was die Sache nur verschlimmerte und ich musste mich wirklich zusammenreißen nicht meine komplette Fassung zu verlieren. "Um Andi?" fragte ich dann dumm nach und setzte mich neben sie auf die Couch. "Ja" sagte sie und schien nach den passenden Worten zu suchen. Da ich selber nicht im Stande war etwas sinnvolles oder überhaupt etwas zu sagen, blieb ich erst mal still. Mir wurde speiübel und mit einem flauen Gefühl im Bauch sah ich sie an. "Ich glaube du weißt was zwischen uns vorgefallen ist.. jedenfalls hat er gesagt, dass du in letzter Zeit öfter auf die Kids aufgepasst hast. Danke noch Mal.." fing sie dann an und skeptisch sah ich sie an. Ich wusste nicht wie viel sie wusste und genau das machte die Situation so unheimlich schwierig. "Kein Problem, auf die Rabauken aufzupassen war ja nichts Neues" versuchte ich es möglichst neutral und Steffi nickte leicht lächelnd. "Und ja.. er hat ein Bisschen 'was erzählt" fügte ich hinzu und dann schaute Steffi mir in die Augen, doch konnte ich ihrem Blick nicht lange Stand halten. "Ich kann mir denken was du von mir denkst.." fing sie an und ich würgte sie schnell ab. "Steffi, das geht mich absolut nichts an. Ich denke nicht anders von dir als vorher" meinte ich dann und sie nickte kurz, ehe sie mich anlächelte. "Ach, du musst nicht lügen, Jule. Ich kann das schon verstehen.. Ich habe mir sowieso schon gedacht, dass du zu Andreas hältst. Das hast du immer schon" meinte sie und ich legte den Kopf fragend schief, ein Lächeln kam mir dabei nicht über die Lippen. "Ich meine das nicht böse, ihr habt euch nur schon immer gut verstanden. Da hatte ich nie eine Chance bei euch Zweien, ihr wart immer schon einer Meinung" sagte sie und ich schluckte geräuschvoll, ehe ich nickte. "Aber was du getan oder nicht getan hast geht mich nichts an, Steffi" sagte ich und sah sie noch ein mal an, ehe ich weiter sprach. "Weswegen wolltest du denn mit mir sprechen?" fragte ich dann.
"Ich habe lange überlegt und die letzten Monate haben mir einfach gezeigt, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe" fing sie an und spätestens jetzt wusste ich mit welchen Absichten sie hierher gekommen war. "Ich würde gerne noch ein Mal mit Andreas sprechen, aber er hat das letzte Mal als wir miteinander gesprochen haben angedeutet, dass er eventuell auch jemanden hat, mit dem er zurzeit schläft. Und ich dachte, dass du vielleicht etwas mehr darüber weißt, immerhin wohnst du nebenan und du warst doch auch mit im Urlaub oder?" ließ sie dann die Bombe platzten und ich konnte nicht verhindern, dass meine Augen immer weiter wurden, während ich versuchte das Gesagte zu verarbeiten und die richtigen Worte zu finden. "Ich.. äh" fing ich nicht sonderlich geistreich an, doch schnitt Steffi mir das Wort ab "Ich weiß, dass das vielleicht etwas viel verlang ist, aber ich denke, dass jeder eine zweite Chance verdient hat und immerhin waren wir so lange verheiratet. Ich will das nicht einfach so wegwerfen" sagte sie noch und ich konnte mir ein Schnauben nicht verkneifen. 'Das hättest du dir vielleicht vorher überlegen sollen' dachte ich. "Ja ich weiß.. aber manchmal trifft man einfach die falschen Entscheidungen" sagte sie und erst dann merkte ich, dass ich wohl laut gedacht haben musste. "Ich weiß nicht, ob man das unter 'falsche Entscheidung' verbuchen kann" sagte ich dann ehrlich, da ich meine Gedanken eh schon offenbart hatte und Steffi sah mich verwundert an. "So wie ich das verstanden habe hast du diesen Zumbafutzi ja erst nur geküsst, bis es dann zum Äußersten gekommen ist. Und ich denke wirklich nicht, dass ich mir ein Urteil erlauben darf, aber wenn du mich fragst, dann war der Sex definitiv etwas was du hättest vermeiden können. Andi ist doch der Letzte mit dem man nicht reden kann und hättest du ihm vorher gesagt, dass du an eine Trennung denkst, dann wärt ihr vielleicht jetzt immer noch glücklich. Aber dass du dann, obwohl er schon am Boden lag und alles auf der Kippe stand, mit deinem Zumbatrainer geschlafen hast ist für mich keine Sache, die man mit einer falschen Entscheidung entschuldigen kann" sprudelte es aus mir heraus und gerade als Steffi etwas sagen wollte, ergriff ich wieder das Wort. "Ich weiß, dass es mich auch absolut nichts angeht und man eben auch Fehler macht. Aber in diesem Moment ging es dir nur um dich selber und darum Andi zu verletzten und das ist nicht okay. Und ich finde es fragwürdig, dass es dir jetzt einfällt, nachdem er weg ist" sprach ich und Steffi hob eine Augenbraue und beobachtete mich für einen Moment. Ich hielt ihrem bohrenden Blick stand und hob ebenfalls eine Augenbraue. Die negative Spannung, die sich zwischen uns aufbaute war mittlerweile nicht mehr zu leugnen. "Ich denke, dass du es einfach nicht nachvollziehen kannst wie eine Ehe funktioniert und das ist auch okay so, du bist noch jung" sagte sie und ich konnte nicht verhindern, dass ich direkt zurück austeilte "Aber anscheinend weißt du ja auch nicht wie eine Ehe funktioniert" sagte ich und hätte mich im selben Moment Ohrfeigen können. Steffi sah mich nur entgeistert an und ich konnte ihre Reaktion verstehen, da ich mich selber nicht wieder erkannte. "Du verteidigst ihn aber ganz schön" sagte sie dann und ich nickte nur betont beiläufig. "Wie du schon gesagt hast: wir sind schon immer einer Meinung gewesen" sagte ich und lächelte gespielt. "Gut, also ich glaube hier her zu kommen war ein Fehler" sagte sie dann und schlug sich auf die Oberschenkel. "Ich denke du bist hier einfach an der falschen Adresse. Andi ist morgen Abend wieder da. Wenn, dann solltest du mit ihm sprechen" meinte ich dann und Steffi nickte nur. "Ich wollte die Dinge nicht noch schlimmer machen" sagte sie dann, während sie aufstand und ich tat es ihr gleich. "Bei mir hast du nichts schlimmer gemacht" meinte ich während ich zum Flur ging und dann langsam die Haustüre öffnete. "Wir sehen uns" sagte ich und Steffi nickte nur, ehe sie mich noch ein Mal skeptisch ansah und ein "Bis dann" murmelte. Und dann war sie genauso schnell verschwunden wie sie gekommen war.
Laut stieß ich die Luft aus und überlegte einen Moment, was ich tun sollte. Und dann griff ich wie automatisch zu meinem Handy, um Andi anzurufen. "Hey" meldete er sich und ich konnte sein Grinsen förmlich hören. "Steffi war hier" platzte es direkt aus mir heraus und ich hörte ein lautes Rascheln, ehe er "Was?" fragte. "Steffi war hier" wiederholte ich, diesmal langsamer. "Was wollte sie?" fragte er und ich wusste auch nicht genau, was ich dazu sagen sollte. "Ich glaube sie wollte herausfinden mit wem du schläfst" sagte ich dann und Andreas schien sich verschluckt zu haben, da er auf ein Mal heftig anfing zu husten. "Sie wollte was?" fragte er und ich verdrehte die Augen, wie oft sollte ich mich denn noch wiederholen? "Okay, hör zu" forderte ich ihn auf und erzählte ihm dann alles. "Sie hat erst damit angefangen, dass ich ja bestimmt jetzt anders von ihr denken würde, weil wir beide ja immer einer Meinung sind. Und da ich im Moment so viel Zeit bei dir oder mit dir verbringe hat sie gedacht, dass ich vielleicht mehr darüber wüsste mit wem du deine Zeit verbringst. Und dann hat sie angefangen davon zu sprechen, dass ihr Seitensprung ja eine falsche Entscheidung war. Und dann bin ich glaube ich ein bisschen über die Strenge geschlagen" sagte ich und Andreas seufzte. "Was hast du gesagt?" wollte er wissen und ich verzog meinen Mund, wenn ich daran dachte in welche Richtung das Gespräch mit Steffi gegangen war. "Ich habe ihr gesagt, dass ich das für absoluten Schwachsinn halte" sagte ich und dann lachte Andi und ich konnte nicht anders, als es ihm gleich zu tun. "Das hat ihr bestimmt richtig gut gefallen" sagte er und ich kniff ein Auge zu, ehe ich ihm den ungefähren Wortlaut von unserem Gespräch wiedergab und für einen kurzen Moment schweig Andi am anderen Ende der Leitung.
"Sag doch was" meinte ich und Andreas zog scharf die Luft ein. "Du warst ganz schön provokant" stellte er fest und ich erwiderte ein gequältes "Ich weiß". "Ich weiß ja auch nicht was mit mir los war, aber ich habe einfach nicht nachgedacht" fügte ich noch hinzu und Andi lachte erneut. "Das trifft es wohl ganz gut" stimmte er mir zu und dann schwieg er wieder für einige Augenblicke. "Du kannst es jetzt eh nicht mehr ändern, ich frage mich nur was sie von mir will" sagte er dann und dann wurde mir klar, dass ich ihm das (für ihn) Wichtigste noch gar nicht erzählt hatte. "Sie will eine zweite Chance" sagte ich dann leise und gleich darauf hörte ich Andis schrille Stimme "Sie will was?!" fragte er und ich seufzte. Schon wieder diese Wiederholungen. Erneut war es still und diesmal war die Stille unangenehm. Ich wusste, dass ich Andreas mit meiner Äußerung total aus dem Konzept gebracht hatte und mir gefiel überhaupt nicht in welche Richtung dieses Gespräch lief - oder überhaupt dieser ganze Tag. Denn bis vor einer Stunde war ich noch glücklich auf Wolke sieben und jetzt war davon nur noch wenig, bis gar nichts übrig. Angekommen in der Realität lauschte ich dem Schweigen am Telefon und konnte nur zu gut ahnen, dass Andreas sich gerade fassungslos mit der Hand übers Gesicht fuhr. Und dann, endlich, fand er seine Sprache wieder. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht was ich dazu sagen soll. Ich rede mal mit ihr" meinte er dann und diesmal wurde meine Stimme schrill "Du redest mit ihr?" fragte ich nach. "Ich denke das wird sie so oder so versuchen oder?" fragte er dann und ich nickte, ehe ich bemerkte, dass er mich ja gar nicht sehen konnte. "Ich denke sie wird morgen Abend vorbei kommen. Ich habe ihr gesagt, dass du dann wieder da bist" meinte ich und Andreas seufzte. "Okay dann schreibe ich ihr, dass wir morgen miteinander sprechen" sagte er und ich konnte nicht verhindern, dass ich einen kleinen Stich in meinem Herzen spürte. So kindisch es war, aber ich wollte nicht, dass er mit Steffi sprach. Denn ich wusste, dass eine kleine Liebelei im Vergleich zu fünfzehn Jahren Ehe ein Witz waren. Ich ahnte, dass ich dem Druck nicht Stand halten konnte und dass ich keine Chance hatte dagegen anzukommen. Das alles gepaart mit dem Wunsch Andreas einfach nur glücklich zu sehen und dem Widerspruch darin wohlmöglich selber glücklich zu werden, ließ mich unheimlich traurig werden.
"Jule?" fragte Andreas dann sanft und ich konnte nicht verhindern, dass sich Tränen in meinen Augen sammelten und ich schaute nach oben um zu verhindern, dass sie sich einen Weg nach draußen bahnten. Ich war genau an dem Punkt angekommen, an dem ich nicht hätte ankommen sollen und ich machte mir gleichzeitig selber Vorwürfe, dass ich es überhaupt so weit hatte kommen lassen. Denn ich hatte gewusst worauf ich mich da eingelassen hatte - doch die Realität tat trotzdem weh. "Ich leg' jetzt mal auf" sagte ich leise und Andreas kannte mich leider viel zu gut als dass er nicht gemerkt hätte was mit mir los war. "Julchen.." sagte er sanft, doch schnitt ich ihm das Wort ab. "Wir hören uns, okay?" fragte ich, doch bevor er antworten konnte hatte ich auch schon aufgelegt und ließ meinen Tränen freien Lauf.
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Only One
RomanceChris lernt durch Zufall die kecke Greta kennen und die Beiden begeben sich auf eine Reise voller Emotionen. Als dann auch noch die Scheidung von Andreas in den Vordergrund rückt, ist das Chaos perfekt. Keine der Personen gehört mir.