Die kalte Abendluft streift mein Gesicht.
Es ist echt kalt geworden.
Ich versinke noch tiefer in meinen dicken Pelzmantel.
Kein Wunder. Es ist ja auch Mitte November.
Ich schaue auf. Durch die Äste des dichten Waldes, welche sanft im Wind wiegen, kann man den klaren Himmel mit seinen Sternen und dem geradezu mystisch leuchtenden Mond beobachten. Ich laufe weiter durch Gestrüpp und zertrete dabei einige Äste.
Ich komme an einem der zahlreichen Bäume zum Stehen. Ich fasse mit meiner schon fast vor Kälte tauben Hand den Baum an und berühre seine raue Fassade. An einigen Stellen ist die Rinde des Baumes schon abgeblättert und einige tiefe Wunden sind zu sehen, wo im Mondlicht schimmerndes Harz austritt.Du und ich haben es beide nicht leicht, was? Schmerzt es sehr? Weißt du im Grunde genommen sind wir uns sogar ähnlich. Wir beide sind nicht vollkommen. Uns beiden fehlt etwas. Du hast deine kostbare Rinde verloren und ich...
Hast du dich eigentlich schonmal gefragt, welchen Geräuschen man alles im Wald lauschen kann? Das Rascheln des Grases oder die Tiere, welche die späte Stunde mit ihren Rufen einleiten?
... kann nichts mehr hören.
Ich bin beidseitig taub.Vor einiger Zeit ist das passiert. Ganz plötzlich. Wie aus dem Nichts.
Es war als hätte ich eine dicke Watteschicht im Ohr gehabt.
Früher habe ich noch viel über meinen Hörverlust geweint.
Wir - meine Mutter und ich - sind damals zum Arzt gegangen.
Er meinte, dass ich einen Hörsturz erlitten hätte und dass er davon abrät eine Behandlung vorzunehmen.
"Ein Hörsturz geht nach einigen Tagen wieder weg.", hatte er mir versprochen. So plötzlich, wie er gekommen war, zieht er auch schon weiter. Doch bei wenigen Ausnahmen könnte dieser jedoch vorhanden bleiben. So war es bei mir.
Ich könnte mich zwar jetzt noch behandeln lassen, jedoch bin ich irgendwie glücklich nichts mehr hören zu können. Es gibt keinen Grund für mich wieder hören zu müssen.
Menschen, die man verabscheut kann man einfach ignorieren.
In meiner Schule sitze ich meist alleine, da ich mich geweigert hatte zu einer Sonderschule zu wechseln. Ich will nicht bevorzugt werden, nur aufgrund meiner Krankheit. Ich fühle mich dadurch so schwach. So wertlos. Deswegen hab ich mir angeeignet von den Lippen anderer zu lesen. Schule war dennoch hart für mich, aber das war schon okay so. Ich habe das ja so gewollt.Ich sinke langsam in die Knie. Meine eine Hand berührt immer noch den Baum und krallt sich regelrecht in die Rinde bis diese anfängt zu bröckeln. Meine andere Hand fährt zu meiner pochenden, glühenden Stirn. Sie legt sich auf diese und kühlt sie somit.
Zusammengekauert sitze ich da. Nur ich, der Baum und die Nacht.Mir ist schwindelig.
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Say My Name || ATEEZ Woosan
Fiksi PenggemarJe mehr Tage vergehen, desto mehr vermisse ich deine Stimme...