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Der vorherige Tag hat mich sehr nachdenklich gemacht. Obwohl ich mein Stamm beschützt habe, fühle ich mich so, als ob ich etwas sehr falsches getan habe. Wieso muss ich so viel denken? Wieso muss ich so viel zweifeln? Wieso muss ich mich so ätzend schlecht fühlen?

Plötzlich holt mich der Schamane aus meiner Gedankenwelt heraus.

„Du hast gestern unseren Stamm beschützt und dafür sind alle sehr dankbar!"

Der Schamane und ich sitzen auf dem Boden in seiner Hütte. Er erzählte mir gerade alte Geschichten. Dabei waren Geschichten über eine Sintflut, Erdbeben, Völkermordungen und eine Bambusleiter, die den Himmel erreichte. Ich fand die alten Geschichten immer sehr interessant, aber das war wirklich das einzige, was ich in der Schmanenausbildung genoss.

„Weißt du von wem wir stammen?", fragt mich der Schamane. Ich weiß, dass das eine Fangfrage ist. Er will mein Wissen prüfen und sehen, ob ich in der Ausbildung aufmerksam bin. Ich nicke mit den Kopf und antworte: „Wir stammen aus nichtmenschlichen Tieren und diese selbst stammten aus den Xoopan, einer Frucht, die sich einer Begonie Blume ähnelt"

Der Schamane lacht zufrieden, doch dann stellt er eine weitere Frage: „Und was ist mit den Geistern?"

Ein leichter Schauder verläuft meinen Rücken runter. Ich hasse es über Geister zu reden.

„Unsere Welt wird von gefürchteten Geistern bevölkert. Wütende Geister von toten Vorfahren können Menschen mit Krankheiten töten. Rantangafinsternisse (Sonnenfinsternisse) warnen uns vor dem bevorstehenden Eintreffen von Kannibalgeistern. Am gefährlichsten sind die Geister der Raubtiere"

„Du hast viel Wissen Thaynara, dennoch hattest du noch nie eine Begegnung mit einen Geist. Was bringt dir das ganze Wissen, wenn du keinen Kontakt mit den Geistern hattest. Du kannst erst ein Schamane werden, wenn du Kontakt mit einen Geist gemacht hast", sagt er mit einer leicht gereizten Stimme.

„Aber Geister sind gefährlich!", protestiere ich.

„Du hast Angst?! Das ist dein Problem! Nicht alle Geister sind böse, Thay! Du musst einfach die richtigen Geister kennen lernen. Sie werden dann dich dein Leben lang begleiten und nicht von deiner Seite weichen. Du kannst dadurch einer der mächtigsten Personen im Stamm werden!"

Mir wird es schlecht, als ich darüber nachdenke, wie die Geister nie von meiner Seite weichen würden. Das ist ja gruselig! Schon als kleines Kind hat man mir beigebracht die Geister zu fürchten und nun musste ich mich mit ihnen verbinden. War das nicht irgendwie ironisch? Nun ja... auf eine nicht so schöne Art und Weise?!

Plötzlich platzt ein heulender Indianer in der Hütte auf: „Schamane, bitte helfen Sie mir! Ich habe mich verletzt"

Der Indianer hat eine große blutende Wunde im Gesicht.

„Wie ist das passiert?" frage ich.

„Mein Freund hat versucht mich umzubringen, da ich seine Frau geschwängert habe. Dann fingen wir an zu kämpfen. Doch ich habe ihn umgebracht, bevor er mich umbringen konnte. Jetzt kann ich seine Frau haben!"

Meine Miene ist ernst, doch innerlich raste ich vor Wut aus. Wie konnte er so was seinen Freund antun? Zuerst die Frau seines Freundes schwängern und dann ihn umbringen. Was für eine Schlange! Und keiner wird was gegen ihn machen, weil er... eigentlich... nichts Falsches getan hat. Aber wieso fühlt es sich so falsch an?

Der Schamane befiehlt den Indianer sich hinzusetzen. Er setzt sich hin. Der Schamane nimmt ein bisschen Kambó, was Sekret eines kleinen Frosches ist und reibt es auf die Wunde des Indianers.

„Thay! Wir Schamanen kümmern uns auch um die Kranken und Verletzten des Stammes. Manchmal brauchen wir die Hilfe der Geister, damit sie uns Vollmacht geben, um zu heilen"

Ein Licht in der Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt