„Ist es das, was du wolltest? Toll gemacht!", schimpft Felipe Rebeca an.
Rebeca schaut Felipe unschuldig an: „Ich wollte doch nur..."
„Geh Rebeca! Geh nach Hause! Bitte!"
„Bitte was? Sie hat jemanden umgebracht, nicht ich!"
„Ja, das hat sie. Und was sie getan hat, ist nicht schön. Doch du hast kein Recht sie zu beurteilen und ihr den Finger zu zeigen. Nur Jesus hat das Recht dazu. Außerdem ist Thay nicht mehr dieselbe, die sie mal war. Sie hat sich verändert! Doch du weigerst das zu sehen. Du weigerst ihr zu vergeben. Du behandelst sie, wie ein Stück Dreck. Glaubst du etwa, dass ich das nicht sehe? Ich finde das echt nicht in Ordnung!"
„Es ist meine Entscheidung ob ich ihr vergebe oder nicht.", schreit Rebeca mit Tränen in den Augen.
Felipe verschränkt seine Arme vor der Brust: „Rebeca, du bist einer meiner besten Freundinnen. Doch heute bist du echt zu weit gegangen. Du hast mein Geburtstag zerstört. Bitte, geh!"
Rebeca schluckt schmerzhaft den Kloß, der sich in ihren Hals gebildet hatte und verlässt verärgert und verschämt das Haus. Felipe bittet Vinicius, dass er den Rest seiner Freunde unterhält, während er nach mir schauen will.
Dann macht Felipe sich nach meiner Suche. Ich sitze draußen auf der Terrasse und schaue zum Sternenhimmel hinauf. Er entdeckt mich und setzt sich neben mich hin. Lange schweigen wir. Schließlich bricht Felipe die Stille: „Es tut mir Leid... wegen Rebeca. Das hätte sie nicht sagen dürfen"
Ich schaue Felipe an und schüttle den Kopf: „Nein, mir tut es leid. Ich habe dein Abend versaut. Außerdem hat Rebeca nur die Wahrheit gesagt"
Felipe seufzt und streicht mir eine lose Strähne nach hinten: „Es gibt da eine Geschichte in der Bibel. Ich glaube sie steht in Johannes oder so. Weißt du, mit dem Finger auf andere zeigen ist leicht. Das war schon immer so. Sogar schon zu Jesus Zeiten. Wenn es um die Bestrafung von Verfehlungen anderer ging, konnte man sich zu Jesu Zeiten im Orient sogar aktiv beteiligen, nämlich wenn jemand zum Tode durch Steinigen verurteilt wurde. Da wurde dann jemand mit Steinen tot geworfen. Zum Beispiel stand auf Ehebruch diese Strafe. Die ersten Steine mussten die Zeugen der Tat werfen"
Ich unterbreche Felipe, „Tja, wahrscheinlich müsste ich jetzt zu Jesus Zeiten sterben"
Felipe ignoriert mein Kommentar und erzählt weiter: „Die Gegner Jesu versuchten öfter, ihn öffentlich in Konflikt zu bringen. Er verkündete ja einen barmherzigen Gott, andere interessierten sich mehr für die gnadenlose Erfüllung der Gesetze. So stellten sie einmal eine Frau vor Jesus hin, die gerade beim Ehebruch ertappt worden war. Was sagte er dazu? Sagte Jesus "steinigen", machte er seine eigene Botschaft unglaubwürdig. Sagte er "nicht steinigen", widersetzte er sich der religiösen Ordnung"
„Was hat dann Jesus getan?", frage ich neugierig.
Felipe lächelt mich an: „Jesus antwortete, dass wer von ihnen ohne Sünde ist, der soll als erster einen Stein auf sie werfen. Nun, die Frau kam doch davon"
„Jeder Mensch sündigt, deswegen konnte keiner den Stein werfen, außer Jesus. Denn Jesus war sündenfrei. Hat Jesus dann den Stein geworfen?", frage ich mit einer rauen Stimme.
„Nein, das hat er nicht, obwohl er der Einzige wäre, der es tun könnte. Diese Geschichte zeigt, dass Jesus das Licht ist, das die Wahrheit erscheinen lässt. Er lässt sichtbar werden, was in den Menschen verborgen ist, in dem Intimsten von ihnen. Im Licht seines Wortes wurden diejenigen, die aussahen wie die Beschützer des Gesetzes, als Sünder entlarvt und erkannten dies selbst, denn sie gingen weg. Und die Frau, die für schuldig und der Todesstrafe würdig gehalten wurde, stand vor Jesus. Verloren, erlöst und würdevoll"
Mir kommen die Tränen hoch: „Das ist eine sehr schöne Geschichte!"
Felipe nimmt sanft meine Hand: „Thay, lass dich nicht von Rebeca unterdrücken. Sie hat nicht das Recht dir den Finger zu zeigen. Du weiß, dass, was du getan hast eine Sünde ist, oder? Und der einzige der dich richten darf, ist Jesus. Doch er wird keinen Stein werfen. Er hat deine Schuld auf sich genommen, damit du leben kannst!"
Tränen laufen mir die Backen herunter und ich umarme Felipe. Er drückt mich fest an sich ran, sodass ich sein Avocado Parfüm riechen kann. Ich habe einen Baby umgebracht! Einen unschuldigen Baby! Verdammt! Wie könnte mir jemand dies je vergeben? Ich kann mir selber nicht vergeben. Doch Jesus, er vergibt mir. Was für eine Liebe! Was für eine Gnade!
„Ähm... Felipe", Vinicius unterbricht uns, „Dein Vater ruft dich um Bilder zu machen!"
Felipe steht auf und hilft mir aufzustehen. Gemeinsam gehen wir in den Salon, wo der Partyphotograph schon wartete. Felipe richtet noch kurz seine Haare und begrüßt den Photograph. Dann fangen sie mit dem Fotoshooting an.
„Geht es dir gut?", fragt mich Vinicius vorsichtig.
„Ja, danke", antworte ich schüchtern. Dann schauen wir Felipe zu, wie er immer unterschiedlich für die Bilder posiert. Er sieht so verdammt gut aus und hat dazu noch einen guten Charakter! Ich kichere.
Eins dieser Bilder würde mir Felipes Vater ein Jahr später schenken. Ein Bild zu seiner Erinnerung. Niemand wusste, dass dieser Geburtstag sein letzter Geburtstag war.
Wer ist eurer lieblings Charakter? 💖😍
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Ein Licht in der Dunkelheit
SpiritualThaynara ist die Häuptlingstocher des gewalttätigen Indianerstammes Yora im amazonischen Bereich in Brasilien. Ihr Stamm ist vom Animismus und von der Furcht geprägt. Thaynara kennt nichts anderes als die Dunkelheit. Bis sie eines Tages einen Jungen...