chapter one

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Santiago ein halbes Jahr zuvor

Alles wäre so viel leichter, wenn ich in einen dieser absurd teuren Range Rover steigen und wegfahren könnte. In ein weit entferntes Land reisen und ein neues, so viel besseres Leben starten könnte. All meine Probleme hinter mir lassen könnte und dieses Drecksloch von Leben nicht mehr ertragen müsste. Ich könnte endlich wunschlos glücklich sein.

Genau das habe ich mir an meinem ersten Tag bei Wood Cooperation mehrmals eingeredet. Ich war wahrhaftig kurz davor, mir einen dieser kleinen Schlüssel zu schnappen, die die Mitarbeiter ohne jegliche Bedenken auf ihren Schreibtischen liegenlassen und davon zu düsen.

Ich hätte meine Mutter und meine Geschwister eingepackt und wäre zu einem Menschen mutiert, der ich niemals werden wollte. Ein naiver, egoistischer und hinterhältiger Mensch. Ein Mensch, der verdammt nochmal keine Ahnung von dieser Welt hat. Spätestens nach vierundzwanzig Stunden wären wir nämlich gefangen und schnurstracks inhaftiert worden – das ist schon einige Male passiert. Peter hätte uns gefunden und hätte uns alle eiskalt zerstört. Meine Familie, insbesondere meinen älteren Bruder – mittlerweile hat er ihn tief in sein altes Herz geschlossen – und meine Zukunft – für die ich so unglaublich lange und hart gekämpft habe. Einfach alles und ich hätte es verdient.

Ich hätte es verdient, weil uns dieser Mann aus unserem Drecksloch befreit hat. Er hat uns Möglichkeiten geschaffen, die bis zu diesem Zeitpunkt unerreichbar schienen. Deshalb nehme ich ihm seine gleichgültige Erscheinung während der Arbeitszeit auch nicht übel. Meinetwegen kann er mich beleidigen, herumkommandieren oder ignorieren und ich würde mich nicht beschweren. Weil ich ihm bis hin zu meinem letzten Atemzug in der Schuld stehe.

„Rodriguez", dringt seine Stimme zu mir durch. Ich hebe den Kopf von meinem silbernen Mac Book und entdecke ihn in seinem üblichen marineblauen Anzug, der vermutlich mehr gekostet hat als eines der Autos dort draußen. Mit vor der Brust verschränkten Armen steht er in meinem Türrahmen und sieht sich in meinem spärlich eingerichteten Büro um.

„Wood", entgegne ich und lasse mich in meinen bequemen Sessel zurücksinken. Bei mir zählt Qualität und nicht Quantität. Anders als meine Arbeitskollegen habe ich lediglich einen Schrank, einen riesigen Schreibtisch und eine kleine Couch in meinem Büro. Warum auch unnötig Zeit und Gedanken an eine Einrichtung verschwenden?

„Am Freitag findet ein Meeting mit den Van Lords statt und ich erwarte von dir, dass du alle Berichte der letzten zwei Jahre im Bezug zu dem Manhattan-Projekt mitbringst. Alle Verträge und Aufzeichnungen, die du finden kannst."

„Wieso macht das nicht die Sekretärin?" Selbst nach über drei Jahren in der Firma kann ich mir ihren Namen immer noch nicht merken, dabei betritt sie täglich diesen Raum. Das liegt aber nicht an ihr – nicht hauptsächlich –, schließlich vergesse ich sogar die Namen meiner Bettgenossinnen.

Peter neigt den Kopf, ganz so als wolle er mich auffordern, einzulenken. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wieso er es noch probiert, er müsste mich mittlerweile kennen. Er müsste wissen, dass man mich nicht einschüchtern kann. Dass ich meine Meinung für nichts und niemanden ändern werde.

„Was? Das ist ihr Job."

„Ja und dein Job ist es vorbereitet zu den Meetings zu erscheinen."

„Kam ich denn jemals unvorbereitet?", hacke ich nach und hebe die linke Braue. Er braucht nichts zu erwidern, wir kennen die Antwort bereits. „Brauchst du noch was, damit ich es der Sekretärin ausrichten kann oder war's das?"

„Tatsächlich wollte ich dir noch etwas erzählen." Statt mit der Sprache rauszurücken, überkreuzt er gemächlich die Beine und lehnt sich gegen den Türrahmen. Gleichzeitig bildet sich ein harter Zug um seine Lippen, der nichts Gutes zu bedeuten hat.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt