chapter thirteen

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Sage

Wenn man uns jetzt so sehen würde – herausgeputzt in teuren Designerkleidern –, müsste man meinen, dass wir die Damen schlechthin sind. Dass wir uns bloß hierher verirrt haben und eigentlich zu irgendeiner lahmen Benefits-Gala wollten. Dass wir niemals freiwillig einen Normalsterblichen Club betreten würden.

Doch dem ist nicht so, im Gegenteil. Wir haben uns bewusst für diesen Club entschieden, der mittlerweile schon zu unserem Stammlokal geworden ist. Denn seit wir uns damals zum ersten Mal heimlich herausgeschlichen haben – mit sechzehn –, sind wir fast immer hier gelandet. Dieser Laden hat es uns von der ersten Minute an angetan, hauptsächlich weil wir hier vergessen können, wer wir in der wahren Welt sind. Wir müssen uns keine Gedanken darüber machen, ob uns jemand bei unseren Eltern oder der Presse verpfeifen könnte oder ob man uns verurteilen könnte, weil wir als reiche Töchter in so einem Schuppen unsere Abenden verbringen. Hier interessiert es niemanden, ob man aus der Oberschicht stammt oder ob man ein Obdachloser ist, solange man fleißig bestellt. Und das machen wir nun wirklich nicht in Maßen.

Lu, auch Lucrecia genannt, wirft ihre blonden Haare nach hinten und blickt sich in dem überfüllten Club um. Sie atmet einmal tief durch, bevor sie sich zu mir dreht, ihr typisches, zufriedenes Lächeln auf den rot geschminkten Lippen.

„Mit was fangen wir heute an?"

Obwohl wir logischerweise bereits vorgeglüht haben, reicht es nicht annähernd aus. Ich zucke mit den Schultern und nenne das, mit dem wir in der Regel immer beginnen. „Cosmopolitan."

Da es sowieso keinen Sinn ergibt, bei diesem Lärm eine lange und intensive Konversation zu führen, kümmert sie sich gleich um das Bestellen, während ich die Lage abchecke. Heute ist wie so oft volles Haus. Die Leute reiben sich schwitzend aneinander, brüllen den Songtext undeutlich und falsch mit. Sie genießen es in vollen Zügen, dass der wummernde Beat durch ihre Körper jagt und der Alkohol in Strömen fließt. Genau wie wir es mögen.

„Hier", sagt meine ältere Cousine und drückt mir den Cocktail und ein Shot-Glas in die Hand. Ich brauche gar nicht fragen, was da drin ist, ich weiß es bereits.

Wir stoßen damenhaft an, bevor wir die durchsichtige Flüssigkeit in einem Zug herunterkippen und unsere Gesichter verziehen. Das ist der erste von unzähligen weiteren Shots, da es in dieser Nacht alles andere als züchtig und anständig ablaufen wird. Es wird richtig abgehen, das spüre ich schon.

Zugegebenermaßen kennen wir, was den Alkohol – und gewisse andere Substanzen – angeht, keine klaren Grenzen mehr. Wir haben schon im Teenageralter mit dem Feiern angefangen, waren auf etlichen Partys. Vermutlich haben wir in unserem ganzen Leben mehr Alkohol getrunken, als irgendwelche Alkoholiker.

Leute denken, wenn man es so angeht, wie bei uns, ist man gleich süchtig. Das stimmt aber nicht. Wir könnten theoretisch jederzeit damit aufhören und nüchtern bleiben. Nur wäre das dann halb so spaßig.

„Sind du und Sergio eigentlich aktuell zusammen?", frage ich Lu und beuge mich nach vorne. Ich will meine Stimme nicht jetzt schon überbeanspruchen, da wir noch nicht einmal einen Fuß auf die Tanzfläche gesetzt haben.

„Ich weiß es nicht", antwortet sie ehrlich und zuckt mit den Schultern. „Er meinte, er müsse nachdenken. Er weiß nicht, ob er damit klarkommt."

Lu und ihr Langzeitfreund kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Sie sind quasi Nachbarn, allerdings nur wenn sie ans andere Ende des Landes fährt, um ihre Großeltern zu besuchen. Sergio lebt dort mit seiner Familie und hat vor wenigen Jahren seinen ganzen Mut zusammengenommen, um meine drei Jahre ältere Cousine nach einem Date zu fragen. Sie hatten zwar davor schon reichlich Kontakt – jedes Mal, wenn sie dort war, haben sie miteinander rumgemacht, bis sie irgendwann wie die Karnickel übereinander hergefallen sind –, doch es war nie etwas Ernstes. Bis vor zwei Jahren, als er den ersten Schritt gemacht hat. Seither führen sie so ein On-Off Ding, das weder einer Beziehung ähnelt noch ein Singleleben darstellt. Sie quälen sich bloß unnötig, mehr nicht.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt