chapter ten

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Santiago

Ich liebe meinen Bruder.

Er hat so viel für uns getan, oftmals vollkommen selbstlos gehandelt. Er ist arbeiten gegangen, als wir kaum etwas zu essen hatten – mit gerade einmal vierzehn Jahren! Er hat mir in der Schule geholfen. Hat mich vor den großen bösen Jungs beschützt, als ich noch zu jung und zu schwach dafür war. Er hat bei meiner Mutter immer ein gutes Wort für mich eingelegt und hat mir unzählige Male den Arsch gerettet. Er ist bis spät abends wach geblieben, um mir bei meinen Präsentationen oder meinen Sorgen zuzuhören. Er hat so vieles für uns getan, dass ich auch ihm mein Leben lang in der Schuld stehen werde.

Egal was er erwarten würde, ich würde es tun. Selbst wenn es illegal wäre oder mich innerlich zerreißen würde. Einfach alles.

Weil ich ihn liebe und das nicht bloß wegen unserer Vergangenheit. Nein, sondern auch wegen der Gegenwart. Wegen dem, was er tagtäglich für mich tut. Dass er mir zuhört, wenn ich etwas zu erzählen habe. Dass er mir seine einzige Tochter anvertraut, wenn er wieder einmal irgendwelche wichtigen Meetings hat oder auf ein Date mit seiner heißen Frau geht. Dass er mir immer und immer wieder aus der Scheiße hilft.

Doch trotz meiner bedingungslosen Liebe ihm gegenüber kann er mir manchmal auch tierisch auf die Nüsse gehen. Wie zum Beispiel jetzt. Er heult mir schon seit einer halben Stunde die Ohren voll, weil er nicht weiß, ob Rose seine Überraschung gefallen wird.

Wenn es um sie geht, ist er ein ganz anderer Mensch. Liebevoll, romantisch und witzig. Bei mir ist er meist genervt, unsentimental und wortkarg. Ich frage mich bis heute, wie sie es geschafft hat, dieses verweichlichte Wesen aus ihm zu machen. Liegt es an ihrer Pussy? Ist die so gut? Wobei ich eher bezweifle, dass er nur aus diesem Grund mit ihr zusammen gekommen ist, schließlich haben sie erst nach einer gefühlten Ewigkeit miteinander geschlafen. Was meinem Bruder damals gar nicht ähnlich sah.

Nicht falsch verstehen. Ryan war alles andere als ein Playboy, der jedes Wochenende eine Neue in seinem Bett hat – also die perfekte Definition von mir. Zwar gab es bei ihm einige One-Night-Stands und Freundschaften mit gewissen Vorzügen, allerdings kamen sie nicht sonderlich häufig vor. Wenn er es mal nötig hatte, hat er sich ein x-beliebiges Mädchen geangelt und seinen Frust in sie gepumpt. Wortwörtlich. Manchmal musste ich mir Geschichten von ihm anhören, die ich wirklich nicht hören wollte.

Das hat sich seit Rose, der Liebe seines Lebens, hingegen komplett geändert. Wenn ich mich nicht täusche, dann hat er seit ihrem ersten Gespräch keine andere mehr flachgelegt. Das bewundere ich, wirklich. Nur kann ich das nicht nachvollziehen.

Wieso sollte ich mich bloß auf eine Frau festlegen, wenn ich die gesamte weibliche Bevölkerung in meinem Bett haben kann? Wird es nicht irgendwann langweilig immer und immer die gleiche Person zu sehen? Immer von ein und derselben Frau einen geblasen zu bekommen?

„Was hältst du davon?", höre ich seine tiefe Stimme durch das Telefon dringen. Sie ist mit einem Mal viel lauter, sodass ich aus meiner Tagträumerei erwache.

Ich reibe mir die Augen, in der Hoffnung wieder klar denken zu können. Vielleicht sollte ich heute mal früher Feierabend machen. Die Woche war sowieso viel zu lang, ich bin jeden Tag bis acht im Büro geblieben, habe sogar Arbeit mit nach Hause genommen. Ich wollte unbedingt dieses verdammte Projekt fertigkriegen, bin mit dem Ergebnis allerdings immer noch nicht zufrieden.

„Ja, klingt ganz cool."

„Ganz cool? Hast du mir überhaupt zugehört?"

Würde er jetzt vor mir stehen und nicht in seinem Wohnzimmer, dann würde er den Kopf neigen und mich besserwisserisch mustern. Dabei sollte er doch wissen, dass mich so ein kitschiger Scheiß nicht interessiert. Ich meine, welcher normale Mann kümmert sich schon darum einer Frau exakt neunundvierzig Rosen zu schenken und ihr ihren Lieblingswein zu besorgen? Erst recht, wenn es sie nicht einmal juckt.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt