chapter twentytwo

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Sage

Zwei Tage nach dem Gespräch mit Mr. Rodriguez sitze ich über die Tastatur gebeugt an meinem Schreibtisch. Zwar dachte ich, dass er mir endlich eine vertrauenswürdigere Aufgabe erteilen würde, da ich ihm mein Problem dargelegt habe, nur hat unsere Auseinandersetzung rein gar nichts bewirkt. Im Gegenteil. Ich muss mich weiterhin mit unnötigen Tabellen rumschlagen und den meisten Mitarbeitern Kaffee oder Tee servieren. Ein Wunder, dass sie mir noch nicht aufgedrängt haben staubzusaugen oder die Toiletten zu putzen.

Würde ich das Praktikum tatsächlich nur machen, um Berufserfahrungen zu sammeln, so wie ich es Mr. Arschloch vorgegaukelt habe, dann hätte ich schon vor zwei Wochen gekündigt. Denn es ist sterbenslangweilig hier. Ich mache ständig ein und dieselbe irrelevante Scheiße, sehe kaum etwas vom Unternehmen. Andere Räume bekomme ich von innen nur zu Gesicht, wenn ich irgendwelchen Mitarbeitern Kuchen servieren oder Kaffee bringen muss. Wann immer ich die Küche oder einen anderen Gemeinschaftsraum betrete, verstummen alle sofort und wechseln geflissentlich das Thema. Keine Ahnung, ob ihnen befohlen wurde in meiner Gegenwart ja keine Informationen zum Betrieb preiszugeben oder ob sie es mit allen Praktikanten so machen. So oder so nervt es mich gewaltig.

Das ist unter anderem der Grund, weshalb ich mich frage, wieso sie mich überhaupt eingestellt haben. Meine Arbeit hilft gar niemandem weiter. Um genau zu sein, wissen die meisten hier noch nicht einmal, dass ich existiere. Zugegebenermaßen ist das angenehm erfrischend, weil ich endlich mal nicht mehr als die verwöhnte reiche Sage abgestempelt werde, sondern als die höfliche und reservierte Praktikantin. Niemand weiß, wie viel Geld auf meinem Konto liegt und wer ich wirklich bin.

Niemand außer Mr. Rodriguez, der es mir ständig unter die Nase reiben muss.

Als ich zum dritten Mal die falsche Zahl in ein und dieselbe Zelle tippe, lehne ich mich seufzend zurück und streiche mir mit den Händen übers Gesicht. Auch wenn das ganze hier eine wahre Scheißarbeit ist, zerrt sie trotzdem an meinen Nerven. Es macht überhaupt keinen Spaß, geschweige denn dass es auch nur annähernd meine Kompetenzen beansprucht.

Kurz darauf reißt mich ein Klopfen aus den Gedanken und ich lasse meine Hände wieder sinken. Eine Rothaarige junge Dame marschiert in mein Büro, einen dicken Stapel mit Blättern vor der üppigen Brust haltend.

„Guten Morgen, Miss Harington. Ich habe ein paar Unterlagen für Sie."

„Guten Morgen, Mrs. Lewis."

Sie legt mir die getackerten Blätter neben meine weiße Tastatur und zeigt mit ihrem rot lackierten Zeigefinger auf die Überschrift der Titelseite.

Informationsblatt für die Geschäftsreise nach Chicago zur Abklärung der Kooperation mit Unicyke

Antretende Mitarbeiter: Santiago Rodriguez und Sage Harrington

Geplanter Zeitraum: 1 Woche

Mir fällt glatt die Kinnlade runter, als ich diese Wörter immer und immer wieder durchlese. Immer und immer wieder versuche zu begreifen, ob ich träume oder ob sich der Alptraum zur Realität entpuppt.

Ich meine, das kann doch nicht sein Ernst sein, oder? Er will mich doch nicht wirklich mit auf diese dämliche Reise mitnehmen? Mir alle Informationen, die ich so sehnlichst suche und brauche, persönlich übergeben?

Das muss eine Falle sein. Irgendwas ist an dieser ganzen Sache verdammt faul und es bringt meine Gedanken zum Rasen. Wieso sollte er bitte eine Praktikantin mit nach Chicago nehmen? Eine Frau, die eigentlich nur hier ist, um eine Spionin zu spielen? Um dieses verdammte Unternehmen in den Ruin zu reißen?

Mrs. Lewis räuspert sich einmal und richtet sich zu ihrer vollen Größe auf. „Das sind alle Informationen, die Sie für nächste Woche brauchen. Dort steht, was Ihre genauen Aufgabenbereiche sind, was Sie mitnehmen dürfen und wie viel Freizeit Ihnen zusteht, wobei dies sehr stark variieren kann. Es könnte gut möglich sein, dass Mr. Rodriguez die absurdesten Uhrzeiten nennt, Sie diese aber so gut wie möglich einhalten müssen. In der nächsten Woche ist er mehr oder weniger Ihr Boss und Sie haben ihm Folge zu leisten."

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt