chapter twentysix

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Santiago

Ich hasse das Fliegen.

Die Tatsache, dass ich in diesem verdammten Flieger sitze und hilflos allen Turbulenzen ausgesetzt bin, im Zweifelsfall nicht eingreifen kann und stundenlang auf ein und derselben Stelle sitzen muss, macht mich verrückt.

Früher hatte ich nicht das Privileg fliegen zu dürfen. Die einzigen Male bei denen ich Flugzeuge zu Gesicht bekommen habe, war als ich auf dem Spielplatz mit meinen Geschwistern Sandburgen aus abgenutzten Papierbechern gebaut habe und nach oben geguckt habe. Die kleinen Dinger, die eine weiße Linie in dem wolkenfreien Himmel hinterlassen haben, haben mich derart fasziniert, dass ich alles stehen und liegen gelassen habe. Zu der Zeit habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als eines Tages ein Flugzeug aus nächster Nähe betrachten zu können – selbst drin zu sitzen, war ein Traum, der mir damals viel zu unrealistisch vorkam.

Als ich dann vor einigen Jahren zum ersten Mal mit Peter nach Los Angeles geflogen bin, habe ich mich gefühlt als wäre ich wieder fünf Jahre alt und hätte zum Geburtstag ein rotes Feuerwehrauto geschenkt bekommen. Ich kann mich noch haargenau daran erinnern – in beiden Momenten saß ich mit riesigen vor Freude glänzenden Augen da. Sowohl bei dem Anblick der ausfahrbaren Leiter am Dach des Feuerwehrautos als auch beim Anblick der sich rotierenden Propeller des Flugzeugs, habe ich mich wie der glücklichste Mensch der Welt gefühlt.

Allerdings hielt dies nur so lange an, bis mir das Spielzeug erstmals aus der Hand gefallen ist und das Plastikgestell abgebrochen ist – oder als sich mein Magen beim Start mehrmals überschlagen hat und ich mein gesamtes Frühstück in einen Spuckbeutel entleeren musste. Weder meine Mutter war damals sauer auf mich, weil ich die vorherigen zwei Jahre brav auf das Feuerwehrauto aufgepasst habe noch hat mir Peter mein unprofessionelles Verhalten übelgenommen. Er wusste, dass dies mein allererster Flug war und hat mir beruhigend den Rücken gestreichelt.

Auch wenn diese Momente unterschiedlicher nicht sein könnten, haben sie mich für mein Leben geprägt. Als mein geliebtes Spielzeug kaputtging, war ich am Boden zerstört. Ich konnte meiner Mutter tagelang nicht in die Augen sehen, weil ich haargenau wusste, dass sie für unsere damaligen Verhältnisse ein kleines Vermögen dafür ausgegeben hat. Das gleiche galt für meinen ersten Flug: Ich konnte Peter den restlichen Tag nicht in die Augen sehen. Ich habe mich so dafür geschämt, dass ich am liebsten gleich aus dem Flugzeug gesprungen wäre.

Jedoch haben sich beide überraschend verständnisvoll gezeigt. Meine Mutter hat mir die Tränen weggewischt, mir einen sanften Kuss auf die Stirn gehaucht. Peter wiederum hat mir den restlichen Tag freigegeben, um meinen Magen und meine Gedanken zu beruhigen.

„Wollen Sie noch ein Wasser oder kann ich Ihnen noch etwas anderes anbieten, Sir?", dringt eine weibliche Stimme zu mir durch, nachdem mir eine kleine Hand über den Unterarm gestrichen ist. Ich öffne meine Augen und blinzle zu der blonden Stewardesse hoch. Ihr höfliches Lächeln sollte mich eigentlich beruhigen, doch es passiert genau das Gegenteil. Sie verursacht das Bedürfnis in mir, sie wegzuschubsen und schnell wieder in meine Gedanken zu verfallen. In der spanischen Musik zu verfallen, die mir immer ein Gefühl von Heimat vermittelt.

„Nein, ich brauche nichts."

„Wir haben auch Champagner oder..."

„Ich habe gesagt, ich brauche nichts!" Meine Stimme klingt viel barscher als beabsichtigt, was sie scheinbar in den falschen Hals bekommt. Die Freundlichkeit auf ihrem sanften Gesicht erstarrt und sie beißt ihre Zähne fest zusammen. Wenn ich ehrlich bin, dann verspüre ich kaum Mitleid oder Reue, weil sie doch sehen müsste, dass ich seit dem Betreten des Flugzeugs mit den Nerven am Ende bin. Sie sollte doch erkennen, dass ich nicht grundlos die Armlehnen so fest umklammere, dass meine Knöchel weiß hervortreten.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt