chapter thirtyfive

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Sage

Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hat mich mein Vater mit seinen üblich freundlichen und herzlichen Nachrichten begrüßt: Läuft alles gut? Hast du endlich etwas herausbekommen?

Im gleichen Ton habe ich ihm geantwortet, dass ich dran bin. Daraufhin habe ich mich ins Badezimmer geschleppt und mich gegen das Waschbecken gestemmt. Einerseits wollte ich das Handy gegen die Wand schmettern, auf der anderen Seite wollte ich mir den Finger in den Hals stecken, um diese beängstigenden blauen Augen aus meinem Kopf zu scheuchen. Beide Optionen waren eher semioptimal – es wäre kein sonderlich guter Eindruck Hoteleigentum oder besser gesagt, eine ganze Wand zu zerstören oder mich wie meine Mutter der Essstörung hinzugeben –, weshalb ich mich damit zufrieden geben musste, meine übliche Morgenroutine zu fabrizieren.

Während ich meine Zähne putzte, kam es mir so vor als würde ein zementschwerer Laster auf meinen Schultern ruhen. Als würde er mich runterziehen und unaufhörlich an meinen Nerven nagen.

Natürlich ist mir bewusst, dass es so viel schlimmere Situationen als meine gibt. Menschen sind am Verhungern, am Verdursten oder gar obdachlos, Leute können ihre Kinder nicht ernähren, leiden an einem Drogenproblem oder werden misshandelt. Da kann ich eigentlich nicht mitreden, mit der Tatsache, dass mein Vater ein Arsch ist. Nichtsdestotrotz hasse ich meine Situation. Es ist frustrierend und deprimierend zugleich, dass ich es meinem Erzeuger niemals recht machen werde. Niemals werde ich die Tochter sein können, die er sich gewünscht hat, zumal er sich sowieso immer einen Sohn gewünscht hat. Einen Jungen, der später einmal sein Unternehmen erben würde. Ein Mann, der den Ruf der Familie in Ehren halten und überdimensional viel Kohle scheffeln würde.

Sexistisch und unfair, ich weiß, doch ich musste mich leider damit abfinden. Wenn man sein Leben lang nichts anderes vorgehalten bekommt und die eigene Mutter ihn nie berichtigt in dieser Hinsicht, akzeptiert man es irgendwann. Ich meine, was könnte ich auch tun? Die undankbare Zicke spielen, für die er mich sowieso schon hält? Wohin würde mich das bringen? Nach vorne jedenfalls nicht.

Selbst wenn es anders scheint, liegt es mir nicht am Geld. Wenn ich wollte, dann könnte ich jederzeit einen guten Job finden und einen Haufen Kohle verdienen. Ich müsste mich nicht einmal großartig anstrengend, weil ich hübsch bin, gut mit Menschen klarkomme und die High-School mit Bestnoten abgeschlossen habe. So gesehen, hätte ich es absolut nicht schwer. Doch so wie ich William Harrington kenne, wird er nicht zulassen, dass ich lediglich obdachlos werde. Nein, er würde mir das Leben zur Hölle machen, in einem Ausmaß, das ich mir gar nicht erst vorstellen kann.

Aus diesem Grund werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um es nicht so weit kommen zu lassen. Wie gesagt, an diesem Deal hängt mehr dran, als mir lieb ist und als man anfangs vermuten mag.

Letztlich habe ich das ganze Thema verdrängt und mich auf dem Weg zur Lobby gemacht. Ich kam gleichzeitig mit Mr. Rodriguez an, dessen Zimmer auf der anderen Seite des Hotels liegt. Mein Aufkreuzen hat er damit kommentiert, dass ich beim nächsten Mal früher kommen solle. Ich habe lediglich die Augen verdreht und gemurmelt, dass ich bisher immer pünktlich war. Dabei haben wir es dann belassen und sind ins Taxi gestiegen.

Jetzt sitzen wir seit geschlagenen zwei Stunden in diesem Besprechungsraum und diskutieren mit einem potenziellen Kunden. Besser gesagt, diskutiert mein „Boss" mit ihm, während ich stumm daneben sitze und Wichtiges mitschreibe. Hauptsächlich, um meinem Vater irgendwelche Informationen liefern zu können, die ihn kein Stück weiterbringen werden. Denn Mr. Arschloch geht die ganze Sache verdammt schlau an. Er spricht nur über Dinge, die irrelevant für mich sind, da die Medien bereits ausführlich darüber gesprochen haben. Es gibt keine geheimen Informationen oder inoffizielle Statistiken, nichts dergleichen, was mich interessieren könnte.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt