chapter thirtynine

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„Sie ist meine Praktikantin und sie tut, was ich ihr sage."

Das kann doch nicht sein Ernst sein, oder? Erst betitelt er mich als Schlampe, macht mich unaufhörlich fertig, nur um mich dann im nächsten Moment vor jedem Kerl, der ihm vor die Nase kommt, zu beschützen? Ernsthaft?

Was mich allerdings am meisten irritiert, ist, dass mich sein Verhalten aufwühlt. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund will ich einerseits weinen auf andererseits schreien. Ich will ihm ins hübsche Gesicht schlagen, ihn heftig schütteln, bis er zur Vernunft kommt. Zugleich will ich ihm um den Hals fallen, mich in seinen breiten Armen verstecken.

Und diese Tatsache schockiert mich maßlos.

„Seien Sie doch nicht so, Mr. Rodriguez. Die Kleine ist doch kein Gegenstand, sie kann auch selbst entscheiden, wie und mit wem sie ihre Zeit verbringt. Und ich wage es zu bezweifeln, dass sie freiwillig ihren Feierabend prüde sitzend in ihrem Hotelzimmer verbringen möchte."

„Sie kann für sich selbst entscheiden, nur werde ich es nicht tolerieren, dass sie sich auf private Treffen mit unseren Kunden einlässt. Sie muss sich nicht auf alles einlassen, nur weil sie sich dazu genötigt fühlt."

Es ist als würde ich etwas brechen hören. Etwas, das mein Herz zum Stocken und meine Augen unangenehm zum Brennen bringt. Etwas, das mir die Kehle zuschnürt und meinen Rücken verkrampfen lässt. Etwas, das verdammt nochmal ganz bleiben sollte!

Auch wenn es verflucht traurig klingt, gab es in meinem Leben noch keinen Mann, der für mich eingestanden ist und der mich beschützt hat. Es gab keinen, der mich in den Arm genommen hat, mich getröstet hat, wenn ich am Boden zerstört war. Keinen, der mir einen sanften Kuss auf die Stirn gedrückt hat, mir versichert hat, immer für mich da zu sein. Stattdessen habe ich einen Vater bekommen, der mich den pädophilen Millionären zum Fraß vorgeworfen hat.

Wenn die Summe und der Ruf des Typen passt, dann gibt er mich sogar liebend gerne ab. Das ist der Grund, wieso ich schon früh lernen musste, für mich selbst zu kämpfen und mich nicht von der abgefuckten Gesellschaft verderben zu lassen. Ich musste auf die harte Tour lernen, auf mich selbst zu schauen und nicht zu allem und jedem Ja zu sagen – nicht so wie es mir meine Mutter immer eingetrichtert hat.

Abgesehen von Lu hatte ich niemanden, der sosehr auf meiner Seite war, dass er mit mir in den Krieg gezogen wäre oder mir den Rücken gedeckt hätte. Keine meiner ach so engen Freundinnen, meiner ach so liebevollen Eltern oder meiner ach so treuen festen Freunde. Niemand.

Jedenfalls nicht, solange nicht etwas für sie dabei herausspringt.

Das war schon immer so, sodass ich mich bereits daran gewöhnt habe. Nie hatte ich einen großen Bruder, der mich vor den bösen Jungs beschützt hat, nie hatte ich eine große Schwester, die jeder Tussi, die mich verletzt hat, die Leviten gelesen hat.

Dafür aber hatte ich Lu, die wertvoller als jeder Diamant dieser Welt ist. Sie hat all diese Jobs übernommen, in der Schule jede Zicke verbal fertiggemacht und jeden Fuckboy nach Strich und Faden beleidigt. Sie war meine Mutter, mein Vater, meine Cousine und meine beste Freundin zugleich, was ich ihr niemals vergessen werde.

Es war klar, dass sie allerdings nicht in jeder Situation da sein konnte, weshalb ich lernen musste, für mich selbst einzustehen. Nach einer gewissen Zeit habe ich es sogar geschafft, all diese Rollen für mich selbst zu spielen.

Denn seit ich denken kann, habe ich alle Privilegien genossen, die man so als reiches Einzelkind genießen kann: Schicke Klamotten, teure Spielzeuge, luxuriöse Urlaube, die besten schulischen Voraussetzungen. Einfach alles, somit aber auch die negativen Seiten: keine ehrliche Liebe, unaufhörlicher öffentlicher Druck und arrangierte Beziehungen.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt