chapter thirtyseven

132 8 0
                                    

Santiago

„Wie geht's Mama?"

„Gut, sie ist grad mit Layla raus gegangen."

Ich stecke meine freie Hand in meine Hosentasche und steuere auf das breite Sofa Mitten in der Lobby zu. Mein Kopf fühlt sich schwer an, weil ich die letzten drei Stunden an der morgigen Präsentation gearbeitet habe. Ich habe alles, was heute nicht gut lief, verbessert, ausdrucksstärkere Statistiken eingeblendet und flüssigere Animationen verwendet. Zudem habe ich einige Bilanzen ausgewertet und Kennzahlen ausgerechnet und bewertet. Denn seit wir in Chicago angekommen sind, hinke ich mit meiner Arbeit hinterher und muss jede freie Minute nutzen, um nur annähernd hinterherzukommen.

„Tut ihre Hand noch weh?", frage ich und setze mich auf das beige Leder. Die Uhr über dem Eingang des Hotels zeigt an, dass wir gerade einmal halb sieben haben und trotzdem fühle ich mich so ausgelaugt, als hätte ich zwei Tage durchgemacht.

Ryan seufzt am anderen Ende der Leitung. „Sie meint es geht schon, aber als sie Layla vorhin hochheben wollte, hat sie ihr Gesicht schmerzhaft verzogen."

„Wart ihr schon beim Arzt?"

„Nein."

Ich hasse seine kurz angebundenen Antworten. Man muss ihm immer hunderte Fragen stellen, um etwas Konkretes herauszubekommen, dabei sollte das Gegenteil der Fall sein, wenn man bedenkt, dass er leidenschaftlich einen Bestseller nach dem anderen verfasst.

„Und wieso nicht?", hacke ich gereizt nach. Der Tag war ohnehin schon scheiße, da brauche ich diese Kinderkacke von ihm echt nicht.

„Du kennst sie doch. Sie wird nie zugeben, dass sie Schmerzen hat."

„Sie muss es auch nicht zugeben. Steck sie einfach in dein Auto und fahr sie ins Krankenhaus. Und zwar schleunigst, nicht dass sich etwas entzündet oder die Schmerzen noch schlimmer werden."

„Komm mal runter, kleiner Bruder. Ich weiß, was ich tue und brauche keine Befehle deinerseits. Außerdem befindest du dich aktuell in einem anderen Bundesstaat, somit hast du kein Mitspracherecht."

Ich balle meine Hand zur Faust und taxiere die gigantische Uhr über dem Eingang. Wir wissen beide haargenau, dass ich derjenige bin, der sich am meisten um unsere Mutter kümmert. Ich bin derjenige, der sie jedes Mal zum Arzt fährt, derjenige, der all ihre Termine im Blick hat und derjenige, der regelmäßig bei ihr vorbeischaut.

„Ich habe sehr wohl ein Mitspracherecht, denn es geht auch um meine Mutter. Wenn ihr etwas passiert, dann könnte ich es mir nie verziehen."

„Ich doch ebenso wenig, du Trottel."

„Dann kümmere dich gefälligst um sie!"

Wenn es um meine Mutter geht, kenne ich keinen Spaß. Für sie würde ich alles tun. Seit ich vor einigen Jahren ausgezogen bin, statte ich ihr jedes Wochenende einen Besuch ab. Nicht weil sie meine Hilfe bräuchte oder ich zu inkompetent bin, mich um mich selbst zu kümmern – ich weiß sehr gut, wie man kocht und Wäsche wäscht, dafür muss ich nicht extra zu meiner Mutter fahren –, sondern weil ich sie liebe und ihr nicht das Gefühl geben möchte, sie aus meinem Leben zu werfen, nur weil ich erwachsen bin. Selbst in zehn Jahren werde ich ihr noch meine Dankbarkeit und meine Loyalität zeigen, ob sie will oder nicht.

Diese Frau hat für unsere Familie so viel geopfert, dass ich für immer in ihrer Schuld stehen werde. Und auch wenn ich weiß, dass sie nie allein ist – die Zwillinge wohnen noch bei ihr und beanspruchen mit ihrem Sport viel von ihrer Zeit –, braucht sie jemanden, der bei ihr ist. Sie würde es nie zugeben, weil sie eine verdammt stolze Frau ist, aber sie braucht es. Sie braucht jemanden um sich herum, jemanden um den sie sich kümmern kann.

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt