chapter fifteen

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„Wie viel Uhr ist es?", fragt sie nach  einer Weile, als würde sie meinen Blick auf sich spüren. Erst jetzt  fällt mir auf, dass ich sie die ganze Zeit anstarre.

Ganz  langsam drehe ich mich auf die andere Seite, um nach meinem Handy zu  greifen, das ich auf dem weißen Nachttisch abgelegt habe. Nachdem ich es  einschalte, treffen unzählige sinnlose Nachrichten ein, die mich nicht  im Geringsten interessieren. Die Namen von angeblichen Freunden, mit  denen ich eigentlich nur Zeit verbringe, um meine Eltern bei Laune zu  halten und den Schein zu wahren, ploppen nacheinander auf.

Ich  lese mir keine einzige Nachricht durch, weil sie sicherlich nur  angeberisches Gehabe beinhalten. Diese Leute denken doch tatsächlich,  dass sie mir imponieren könnten, wenn sie von ihren luxuriösen Ausflügen  erzählen oder mit ihren teuren Klamotten prahlen.

Einer  der vielen Nebenwirkungen von dem Dasein als reichste Tochter Amerikas  ist, dass jeder Loser denkt sich meine Loyalität und Sympathie durch  Geld angeln zu können.

Lächerlicher Bullshit!

Mike  ist das beste Beispiel dafür, dass es mir komplett am Arsch vorbei  geht, wie viel Kohle jemand hat. Solange man ein reines Herz und gute  Absichten hat, ist es mir schnurzegal wie hoch die Summe auf dem  Bankkonto ist.

„Hm?", reißt mich meine  Cousine aus den Gedanken. Sie hat sich keinen Zentimeter vom Fleck  bewegt. Ihre rot lackierte rechte Hand liegt immer noch neben ihrem  weißen Kissen – ihre persönliche Haushälterin wird sich freuen, wenn sie  die ganzen Make-up Flecken sieht.

„Elf."

„Viel  zu früh", quengelt sie und zieht ihre kleine Nase kraus. Das ist eine  Angewohnheit, die sie sich schon im Kindergarten angeeignet hat. Damals  fand ich das noch nervig, doch heute liebe ich es, weil es mir zeigt,  dass es ihr – den Umständen entsprechend – gut geht. Letzte Nacht war  sie dazu beispielsweise nicht in der Lage.

Als  ich mich aufsetze und meinen Rücken gegen das weiche Kopfende von ihrem  rosa Himmelbett lehne, fällt mein Blick auf unsere beiden Kleider mit  unseren dazu passenden High-Heels. Sie liegen quer auf dem Boden  verstreut, während der Rest ihres Zimmers außerordentlich sauber ist –  und sich immer noch ein wenig dreht. Alles liegt auf seinem Platz,  staubfrei und zur restlichen Dekoration passend aufgestellt. Ihre Eltern  legen wie bereits erwähnt viel Wert auf die Einrichtung, weil diese  angeblich vieles über den Charakter einer Person aussagt. Da bin ich  anderer Meinung, aber das interessiert die beiden nicht im Geringsten.  Es hat sie bisher noch nie wirklich interessiert, was ich zu sagen  hatte, doch das geht mir reichlich am Arsch vorbei. Es gibt eindeutig  wichtigere Dinge, über die ich nachdenken sollte.

Lus  Zimmer ist seit neustem in Weiß und Altrosa gehalten. Hin und wieder  gibt es graue Details, die es etwas aufpeppen, dennoch ist alles  schlicht und geordnet.

Meiner Meinung  nach ist das ja das Witzigste am Ganzen: Sie ist alles andere als  schlicht und ordentlich. Sie ist ein prunkvoller Diamant in einem Haufen  voll von übermalten und verkleideten Kieselsteinen. Und das meine ich  nicht, weil sie reich ist oder immer gut aussieht, sondern weil sie das  Herz eines Engels hat.

In meinen  ganzen einundzwanzig Jahren bin ich keinem Menschen begegnet, der so  gutmütig ist. Niemand, erst recht nicht in unserer Gesellschaft, ist  derart liebevoll und fürsorglich, ohne auch nur einen Hintergedanken zu  hegen. Sie würde für die Leute, die sie liebt, alles tun. Einfach alles  und das hat sie mir in den letzten Jahren mehr als deutlich bewiesen.

Ich blicke auf sie hinab und merke, dass sich unbewusst ein Schmunzeln auf meine Lippen schleicht.

Lucrecia  Harrington ist mit Abstand mein Lieblingsmensch auf diesem verkorksten  Planeten und das wird sich nie ändern. Selbst wenn ich ihn finde. Sie ist und bleibt der Sonnenstrahl in dieser hoffnungslosen Dunkelheit.

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