„Wie viel Uhr ist es?", fragt sie nach einer Weile, als würde sie meinen Blick auf sich spüren. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich sie die ganze Zeit anstarre.
Ganz langsam drehe ich mich auf die andere Seite, um nach meinem Handy zu greifen, das ich auf dem weißen Nachttisch abgelegt habe. Nachdem ich es einschalte, treffen unzählige sinnlose Nachrichten ein, die mich nicht im Geringsten interessieren. Die Namen von angeblichen Freunden, mit denen ich eigentlich nur Zeit verbringe, um meine Eltern bei Laune zu halten und den Schein zu wahren, ploppen nacheinander auf.
Ich lese mir keine einzige Nachricht durch, weil sie sicherlich nur angeberisches Gehabe beinhalten. Diese Leute denken doch tatsächlich, dass sie mir imponieren könnten, wenn sie von ihren luxuriösen Ausflügen erzählen oder mit ihren teuren Klamotten prahlen.
Einer der vielen Nebenwirkungen von dem Dasein als reichste Tochter Amerikas ist, dass jeder Loser denkt sich meine Loyalität und Sympathie durch Geld angeln zu können.
Lächerlicher Bullshit!
Mike ist das beste Beispiel dafür, dass es mir komplett am Arsch vorbei geht, wie viel Kohle jemand hat. Solange man ein reines Herz und gute Absichten hat, ist es mir schnurzegal wie hoch die Summe auf dem Bankkonto ist.
„Hm?", reißt mich meine Cousine aus den Gedanken. Sie hat sich keinen Zentimeter vom Fleck bewegt. Ihre rot lackierte rechte Hand liegt immer noch neben ihrem weißen Kissen – ihre persönliche Haushälterin wird sich freuen, wenn sie die ganzen Make-up Flecken sieht.
„Elf."
„Viel zu früh", quengelt sie und zieht ihre kleine Nase kraus. Das ist eine Angewohnheit, die sie sich schon im Kindergarten angeeignet hat. Damals fand ich das noch nervig, doch heute liebe ich es, weil es mir zeigt, dass es ihr – den Umständen entsprechend – gut geht. Letzte Nacht war sie dazu beispielsweise nicht in der Lage.
Als ich mich aufsetze und meinen Rücken gegen das weiche Kopfende von ihrem rosa Himmelbett lehne, fällt mein Blick auf unsere beiden Kleider mit unseren dazu passenden High-Heels. Sie liegen quer auf dem Boden verstreut, während der Rest ihres Zimmers außerordentlich sauber ist – und sich immer noch ein wenig dreht. Alles liegt auf seinem Platz, staubfrei und zur restlichen Dekoration passend aufgestellt. Ihre Eltern legen wie bereits erwähnt viel Wert auf die Einrichtung, weil diese angeblich vieles über den Charakter einer Person aussagt. Da bin ich anderer Meinung, aber das interessiert die beiden nicht im Geringsten. Es hat sie bisher noch nie wirklich interessiert, was ich zu sagen hatte, doch das geht mir reichlich am Arsch vorbei. Es gibt eindeutig wichtigere Dinge, über die ich nachdenken sollte.
Lus Zimmer ist seit neustem in Weiß und Altrosa gehalten. Hin und wieder gibt es graue Details, die es etwas aufpeppen, dennoch ist alles schlicht und geordnet.
Meiner Meinung nach ist das ja das Witzigste am Ganzen: Sie ist alles andere als schlicht und ordentlich. Sie ist ein prunkvoller Diamant in einem Haufen voll von übermalten und verkleideten Kieselsteinen. Und das meine ich nicht, weil sie reich ist oder immer gut aussieht, sondern weil sie das Herz eines Engels hat.
In meinen ganzen einundzwanzig Jahren bin ich keinem Menschen begegnet, der so gutmütig ist. Niemand, erst recht nicht in unserer Gesellschaft, ist derart liebevoll und fürsorglich, ohne auch nur einen Hintergedanken zu hegen. Sie würde für die Leute, die sie liebt, alles tun. Einfach alles und das hat sie mir in den letzten Jahren mehr als deutlich bewiesen.
Ich blicke auf sie hinab und merke, dass sich unbewusst ein Schmunzeln auf meine Lippen schleicht.
Lucrecia Harrington ist mit Abstand mein Lieblingsmensch auf diesem verkorksten Planeten und das wird sich nie ändern. Selbst wenn ich ihn finde. Sie ist und bleibt der Sonnenstrahl in dieser hoffnungslosen Dunkelheit.
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daddys princess
ChickLitEigentlich gibt es einen ganz einfachen Plan. Sage fängt ein Praktikum an, welches ihr Vater ihr besorgt hat, findet schmutzige Geheimnisse über Peter Woods heraus und kann endlich ihren lang verschollenen großen Bruder in die Arme schließen. Nicht...