chapter nine

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Santiago

Ich habe nichts im Leben oder im Beruf erreicht? Hat sie das wirklich gesagt oder bilde ich mir das nur ein? Ist sie tatsächlich so lebensmüde und ahnungslos?

Ich bin ihr verdammter Boss, auch wenn das nirgends schwarz auf weiß steht. Sie soll mir gefälligst Respekt erweisen und nicht die verwöhnte Göre raushängen lassen. Das kann sie ruhig bei ihren ach so tollen Eltern machen, aber nicht in meiner Gegenwart. Und erst recht nicht, wenn ein weiterer Mitarbeiter anwesend ist.

Wer war der Typ eigentlich? Ich sehe ihn zum ersten Mal. Wahrscheinlich ist er schon seit zwei Jahren im Unternehmen tätig und ich war zu beschäftigt, um ihn überhaupt zu registrieren, denn er scheint mich zu kennen. Er scheint nur darauf gewartet zu haben, dass mir jemand eine reinwischt, schließlich hat er die Show in vollen Zügen genossen. Was mir um ehrlich zu sein relativ egal ist. Er kommt nicht sonderlich gefährlich rüber. Eher wie ein möchte gern Macho, der sich lieber hinter einer Praktikantin versteckt, als mir von Angesicht zu Angesicht die Meinung zu geigen. Weichei.

Bedauerlicherweise kann ich Sage wegen diesem frechen Kommentar nicht feuern. Hundertpro würde sie dagegen Einspruch erlegen und dem Betriebsrat von all den Sachen berichten, die ich ihr zuvor an den Kopf geworfen habe. Die würden sich auf ihre Seite schlagen und mich – da wird Peter auch nicht sonderlich viel ändern können, wenn er vorhat die restliche Belegschaft noch zu behalten –, ohne mit der Wimper zu zucken, aus der Firma schmeißen. Geborener Reichtum wird eben anders angesehen und behandelt als hart erarbeiteter Reichtum. Die Kohle liegt schon seit Generationen in ihrer Familie und ich komme mit meinen paar hundert Millionen nicht einmal annähernd da ran.

Also muss ich mir wohl oder übel eine andere Taktik überlegen.

Ich meine, es kann doch nicht wahr sein, dass ich mir eine Praktikantin derart widerstrebt. Sie müsste sich eigentlich vor Schreck in ihr Höschen machen, mir jeden banalen Wunsch von den Lippen lesen und eifrig mit einem „Ja, Sir" antworten. Sie müsste mir hinterher rennen, alles tun, was ich von ihr verlange und das ohne jegliche Widerrede. Sie müsste mir gehorchen und was macht sie?

Alles nur nicht das.

Am liebsten würde ich Peter davon erzählen, nur würde er schulterzuckend meinen, es sei meine eigene Schuld gewesen. Ich habe sie bis jetzt noch nicht gefeuert, habe ihm diesen Gefallen nicht von Anfang an abgeschlagen. Jetzt muss ich selbst zusehen, wie ich damit klarkomme.

Ich meine, wozu mache ich das denn die letzten Jahre? Um den Schwanz einzuziehen, wenn sich eine kleine Dame aufmuckt? Um zu meinem Boss zu rennen, weil ich nicht weiter weiß? Um ihm eine Aufgabe zu übergeben, für die er definitiv keine Zeit und keine Nerven hat? Vergiss es!

Sie hatte Glück, bisher war ich noch ganz ruhig. Aber jetzt reicht es, ich nehme es selbst in die Hand. Ich ändere die Taktik, weil mir all das allmählich zu dumm wird.

Wäre sie nicht in ihre dämliche Familie hineingeboren, hätte ich sie locker für ihren ersten dummen Kommentar schon rauschmeißen können. Mit ihren Vorgängerinnen habe ich nämlich genau das gemacht. Sie haben sich den Arsch abgerackert, haben eine Scheißaufgabe nach der anderen absolviert und wofür? Nur um am Ende doch nicht übernommen zu werden. Verständlicherweise waren sie außer sich vor Wut, haben mit einem Mal ihre gespielte Eleganz verloren. Sie wollten mir an die Gurgel gehen, mich sowohl physisch als auch psychisch verletzen. Einerseits sah das ziemlich witzig aus, auf der anderen Seite auch sehr traurig. In diesen Momenten hat man ihr wahren Gesicht gesehen und das hat mir jedes Mal bestätigt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Am Ende bin immer noch ich die letzte Person, die über das Personal entscheidet, selbst wenn ich eigentlich nicht die Berechtigung dazu habe. Ich entscheide, ob die Praktikanten übernommen werden, ob die Probezeit der Mitarbeiter meinen Anforderungen entspricht und sie einen unbefristeten Vertrag angeboten bekommen oder direkt gefeuert werden. Sowohl die Kündigungen als auch die Zusagen werden höchstpersönlich von mir überreicht – am liebsten am Tag vor dem Ablauf der Probezeit, da dann ihre Entrüstung immer am extremsten ist. Das Entsetzen in den Augen dieser Damen ist zum Brüllen lustig!

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt