chapter nineteen

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Ich weiß nicht, woran das liegt, wieso ich tatsächlich ein wenig Schiss bekomme. Ich weiß nicht, ob es an seiner bedrohlichen Stimme oder seinem düsteren Gesichtsausdruck liegt. Ob das Schwarz seiner Pupillen mir zeigen will, dass seine eiskalte Seele genau die gleiche Farbe hat.

Noch weniger weiß ich allerdings, warum ich letztlich wortlos auf dem Absatz kehrt mache, meine Haare demonstrativ in sein Gesicht werfe. Wieso ich davonmarschiere, meine verräterischen Füße mich über den langen Korridor entlang zu seiner weißen Bürotür führen.

Statt auf ihn zu warten, laufe ich mit geballten Fäusten in den geräumigen Raum und gehe direkt zu der riesigen Fensterfront. Ich blicke mich noch nicht einmal um, ignoriere die Einrichtung völlig.

Weil ich nicht weiß, was passieren könnte, wenn ich ihm ins Gesicht sehe – es könnte sein, dass ich ihm eine hallende Ohrfeige oder eine schmerzhafte Kopfnuss verpasse –, verschränke ich meine Arme vor meiner Brust und blicke auf die Großstadt hinab.

Die Tür hinter mir schließt sich und die Geräusche aus dem Gang verstummen. Weder Mr. Rodriguez noch ich wollen den ersten Schritt machen, beide zu stolz, um den Mund zu öffnen, weshalb wir schweigend und vor Wut schäumend auf den jeweils anderen warten.

Während ich hier oben stehe, auf dem höchsten Stockwerk des monströsen Wolkenkratzers, ebbt meine Wut allmählich ab. Bedauerlicherweise macht sie Platz für eine andere Emotion: Bedrücktheit.

Anders als mein Vater und all die anderen Businessleute verspüre ich weder Erhabenheit noch Macht, wenn ich auf die Stadt hinabblicke, die mit einem Mal winzig aussieht. Es erfüllt mich nicht mit Genugtuung und Stolz, dass all die Menschen da unten die Größe einer Ameise haben. Es schnürt mir eher den Magen ab, legt einen Druck auf meine Brust, der mir stückweise die Luft zum Atmen nimmt.

„Sie sollten gehen", höre ich irgendwann mal eine mittlerweile bekannte männliche Stimme. „Das wissen Sie genauso gut wie ich."

Er spricht es derart kalt und emotionslos aus, dass ich mir ein Schaudern unterdrücken muss. Was stimmt nur nicht mit ihm? Merkt er denn nicht, wie sprunghaft er ist? Dass er sich unentwegt wiederholt?

„Und Sie wissen genauso gut wie ich, dass das nicht passieren wird."

„Aber warum? Merken Sie denn nicht, dass Sie gegen eine Mauer laufen?"

„Diese Mauer sind Sie?"

„Nein, das gesamte Personal."

Mir ist natürlich klar, dass er jetzt allesmögliche behaupten wird. Ihm sind die Argumente ausgegangen, weshalb er vergeblich versucht sich an dem letzten Strang festzuhalten. Er hat nämlich keine Ahnung, mit wem ich mich gut verstehe und wer mich von Tag eins unsympathisch findet. Er weiß rein gar nichts, deshalb trifft mich diese Behauptung auch nicht im geringsten. Selbst wenn es wirklich so wäre.

„Netter Versuch, aber das funktioniert nicht bei mir. Die Leute sind mir egal, ich will bloß mein Ding durchziehen."

„Und das ganze Unternehmen in den Ruin ziehen?", vollendet er meinen Satz und trifft es ziemlich auf den Punkt. Wobei das nicht mein Hauptziel ist. Meinetwegen kann die Firma auch weiter bestehen bleiben, Peter muss nur leiden.

Weil ich mich nicht selbst verraten möchte, schlucke ich jeglichen Kommentar hinunter. Er würde mir sowieso nur die Worte im Mund verdrehen und sich das zusammenreimen, was ihm gerade passt.

„Kann ich Sie etwas fragen?", meint er nach einer Weile und kommt auf mich zu, bleibt mitten in dem geräumigen Büro stehen. „Wieso machen Sie das? Wieso tun Sie sich das an, wenn Sie offensichtlich keine Lust auf all das haben?"

daddys princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt