Kapitel Zwanzig

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Darauf bedacht nicht hängen zu bleiben, quetschte ich mich raus und atmete die frische Luft tief ein. Kühler Wind wehte leicht auf der kleinen Lichtung und ließ die Blätter unheimlich rascheln. Mir fröstelte und ich überlegte, ob ich wieder rein ging und mich meinem Schicksal stellte, unter anderem, weil es in der Hütte angenehm warm war und ich auch noch zu allem Übel schnell fror.

Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, schloss ich die Tür, was erneut ein lautes Geräusch verursachte. Suchend sah ich mich um, konnte jedoch nichts erkennen, weshalb ich hoffte, dass niemand in der Nähe war. Langsam und vorsichtig machte ich einen Schritt in Richtung Freiheit und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen, jedoch blieb ich damit erfolglos. Unangenehm pochte mein Herz in meiner Brust und ich hatte das Gefühl, dass es heraus springt oder mein lauter Puls mich irgendwann verrät.

Einen Fuß vor den anderen setzend bewegte ich mich langsam, aber sicher auf den Rand der Lichtung zu und erreichte ohne Vorfälle die ersten Bäume. Aber ich wusste, dass ich noch längst nicht in Sicherheit war und ging deswegen leise weiter. Mein Kleid klebte an meinem Rücken und auch an meiner Stirn sammelte sich Angstschweiß.

Als plötzlich ein Laut ertönte, zuckte ich zusammen und wäre deswegen fast gegen einen Baum gestolpert, konnte mich jedoch im letzten Moment balancieren. Mit zitternden Händen drehte ich mich zu der Geräuschquelle um, mit der Befürchtung Nathair dort stehen zu sehen, doch das einzige, was ich erkannte, waren zwei schwach leuchtenden, großen Augen, welche eindeutig nicht zu einem Menschen gehörten. Meine Fantasie erkannte in den Schatten riesige Umrisse, die zu einem Monster gehörten, welches es so nicht gibt, obwohl mein Verstand es besser wusste und es klar war, dass dort ein Tier stand und durch eine der Ritzen der Hütte angeleuchtet wurde.

Trotzdem kochte die Angst immer höher und in mir kam der Drang auf zu laufen und nicht anzuhalten, bis ich bei Satumar war. Einen letzten Blick warf ich noch zu den Augen, welche mittlerweile verschwunden waren, bevor ich mich umdrehte und die ersten Schritte in den Wald wagte.

Unter meinen Schuhen knackten ab und zu ein paar Äste und das Laub raschelte leise. Als ich erneut zurück sah trat ich auf einen großen, morschen Ast, welcher mit einem lauten Knacken zusammenbrach. Mein Herz setzte einen Schlag aus, raste dann jedoch weiter. Kurz erstarrte ich vor Angst entdeckt zu werden, dann bewegten sich meine Beine jedoch wie von selbst.

Den Blick nach vorne gerichtet, fing ich an schneller zu laufen und sprang über jeden Schatten am Boden, um nicht über eine Wurzel zu stolpern. Wenn ich hinfallen sollte, das wusste ich, dann könnte ich mich nicht abfangen, da meine Hände immer noch gefesselt waren und ich bisher auch keine Möglichkeit gefunden hatte daran etwas zu ändern.

Immer auf Geräusche um mich herum bedacht, lief ich weiter. Schon nach kurzer Zeit brannte meine Lunge und mein Herz klopfte jetzt eher vor Anstrengung. Scharfe Stiche in meinen Seiten ließen mich bei jedem Schritt vor Schmerzen das Gesicht verziehen.

Meine Füße flogen über den Waldboden und die Bäume rauschten an mir vorbei und waren nur noch dunkle Schatten in der Nacht. Ich wusste zwar nicht in welche Richtung ich musste, aber alles war mir lieber als dort zu bleiben.

Das Aufheulen eines Wolfes ließ mich abrupt stehen bleiben und mich suchend umsehen. Vor Wölfen hatte ich schon immer Respekt gehabt und war froh bisher noch keinem begegnet zu sein, sondern nur in Büchern über die Raubtiere gelesen zu haben. Besonders gut erinnerte ich mich an eine Illustration, in der ein Wolf beim Fressen gezeigt wurde. Daneben stand, dass Wölfe normalerweise nur Tiere, wie Schafe, anfallen, aber auch mal kleine Kinder, wenn sie diese bekommen. Bis gerade hatte ich alle Gedanken an diese wilden Tiere verdrängt, aber jetzt kamen sie wieder hoch und ich fing an zu zittern. Was, wenn jetzt ein Wolf auftaucht, direkt vor mir? Was würde ich tun? Weglaufen, schreien oder einfach nichts tun und hoffen, dass der Wolf nicht an mir interessiert ist und schon eine Mahlzeit hatte?

Ein Rascheln hinter mir brachte mich dazu, mich langsam umzudrehen und voller Furcht zurück sehen. Zwei Augen blitzten mich aus der Dunkelheit heraus an und verschwanden dann auch wieder und ließen mich mit laut klopfendem Herzen zurück. Unkontrolliert sog ich die kühle Nachtluft in meine Lungen und versuchte den Schock von gerade zu verarbeiten.

War das gerade ein Wolf? Und wenn ja, kam er zurück und dann mit Verstärkung?

All diese Fragen schossen mir durch den Kopf, während ich noch immer stocksteif dort stand und auf den Punkt starrte, an dem vorhin noch die beiden Augen zu sehen waren.

Die Angst sorgte für eine Gänsehaut an meinem Körper und dafür, dass sich ein Klumpen in meiner Kehle bildete. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich kein Wort herausbringen können.

Nach einer kurzen Zeit, in der ich nur da stand und in die Dunkelheit starrte, normalisierte sich mein Atem wieder und ich konnte wieder einigermaßen vernünftig denken. Meine Gedanken kreisten zwar noch immer um den vermeintlichen Wolf, doch langsam aber sicher sickerten wieder die Erinnerungen daran, dass ich auf der Flucht war, durch und ich drehte mich wieder um und machte mich vorsichtig wieder auf den Weg.

Unbekannte Geräusche hinter mir ließen mich jedes mal zusammenzucken, aber auch dies verbesserte sich nach langer Zeit, in der mir noch immer nichts passiert war.

Erschöpft lehnte ich mich an einen Baum und atmete tief durch. Unter meinen Händen spürte ich die raue, kalte Rinde und krallte meine Finger in das Holz, wenn mich wieder der Schmerz überrollte. Nur sehr langsam beruhigte ich mich und wusste, dass ich nicht mehr weit kommen würde. Meine Muskeln an meinen Beinen brannten wie verrückt und auch meine Füße schmerzten durch die starke Belastung.

Langsam ließ ich mich an dem Baum hinuntersinken und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Ich wusste, dass ich nicht einschlafen darf, aber ich war einfach erschöpft. Meine Lunge brannte und meine Augenlider fühlten sich an, als seien sie aus Stein. Nur mit aller Kraft, die ich noch besaß konnte ich sie noch offen halten. Doch das alles brachte nichts, langsam dämmerte ich weg, das letzte, was ich mitbekam war ein Schatten, der auf mich zukam.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt