Kapitel Vierundzwanzig

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»Deswegen habe ich erst überlegt dieses Angebot anzunehmen. Immer bin ich der Dumme und werde angemeckert. Häufig auch für Dinge, an denen ich nicht Schuld bin. Immer lässt du deine Wut an mir aus und setzt deine Entscheidungen durch, selbst wenn klar ist, dass du falsch liegst. Nicht ein einziges Mal kümmert dich meine Meinung und wenn doch, dann nur, um dich darüber auszulassen, dass ich keine Ahnung habe, wie man etwas erledigt. Das mache ich nicht mehr mit! Entweder wir sind gleichberechtigte Partner und du respektierst meine Meinung oder du kannst sehen, wo du alleine bleibst!«

Überrascht öffnete Nathair den Mund und starrte den kleineren Mann an. Unsicherheit huschte über sein Gesicht, was er jedoch schnell wieder verdrängte und stattdessen herablassen auf den schmächtigen Mann sah.

»Wer hat dir denn diese Flausen in den Kopf gesetzt?«, knurrte er. »Aber gut, wenn du meinst. Du weißt ja, wo die Tür ist. Und komm nachher nicht angekrochen, dass du alleine nicht klar kommst.«

»Vergiss es. Wenn hier einer geht, dann bist du es. Schließlich habe ich diese Hütte entdeckt und die Idee gehabt sie als unser Quartier zu nehmen«, widersprach Eonan und hob herausfordernd das Kinn.

Fast sofort brauste Nathair auf. »Oh nein. Ich bin schließlich der Boss. Und was ich sage, dass wird gemacht! Also geh mir jetzt aus den Augen!«, versuchte Nathair sich zu retten.

»Du mochtest vielleicht immer der Boss gewesen sein, aber jetzt nicht mehr! Und jetzt raus aus meiner Hütte!«, fauchte Eonan und zeigte mit dem Finger zur Tür.

Verblüfft beobachtete ich das Spektakel. Eonan hatte ich bisher als ruhigen Menschen eingeschätzt, doch er konnte offensichtlich auch anders, was mir momentan ganz gelegen kam.

Auch Nathair schien etwas überrascht über den Ausbruch seines vorherigen Komplizen.

»Haben die beiden dich dazu aufgestachelt?«, fragte er leise und schien zu bereuen, dass er Eonan immer so schlecht behandelt hatte.

Eonan wurde puterrot im Gesicht und eine Ader an seiner Schläfe pochte gefährlich. »Nein!«, knurrte er.

Abwehrend hob Nathair die Hände und meinte besänftigend: »Ich dachte nur, weil du dich anders benimmst, als sonst.«

»Warum wohl? Vielleicht, weil ich dein Verhalten nicht mehr aushalte! Und jetzt geh bitte, bevor ich mich vergesse!«, rief Eonan und seine Stimme triefte vor Hass, was Nathair endlich dazu veranlasste das Haus zu verlassen. Mit einem lauten Kreischen öffnete er die Tür und drehte sich noch einmal im Türrahmen um.

»Du hast keine Ahnung, was du gerade verlierst«, murmelte er sauer.

»Falsch! Ich weiß genau, was ich verliere und gleichzeitig gewinne. Nur du weißt nicht, was du verlierst«, sagte Eonan und seine Wut war schon fast wieder vollständig verpufft.

Nathair nickte und drehte sich dann um, um die Hütte zu verlassen. »Wenn du deinen Fehler einsiehst, weißt du ja, wo du mich findest«, flüsterte er und verschwand dann.

Einen Moment sah es so aus, als wollte Eonan Nathair noch etwas hinterher rufen, doch zuckte er gleichgültig mit den Schultern und wandte sich ab.

»Danke«, murmelte er dann und sah mich an.

Mit gemischten Gefühlen nickte ich ihm, so gut es ging, zu.

»Endlich habe ich eingesehen, dass ich mich wehren muss und nicht alles in mir anstauen sollte.«

Überfordert nickte ich noch einmal, doch Eonan schien nicht zu bemerken, dass ich nur die Hälfte verstand, denn er redete einfach weiter.

»Es tut mir leid, dass ich nicht sofort auf dich gehört habe, sondern euch Beide hierhin gebracht habe«, sprach er weiter und sah mich entschuldigend an, während er langsam auf mich zukam, und die Ketten löste.

Mit einem erleichterten Seufzer rieb ich meine schmerzenden Handgelenke und bedankte mich bei ihm. Mit einem Nicken quittierte er dies und befreite Ramura, die sofort drohte um zu kippen, weshalb ich schnell vor Eonan sprang und sie behutsam auffing.

Sanft legte ich sie dann auf dem Boden ab und bettete ihre Hände auf ihren Bauch. Liebevoll strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Direkt fing die Stelle, mit der ich sie berührt hatte, an zu kribbeln und ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen.

Währenddessen ließ sich Eonan kraftlos auf dem Boden nieder und rieb sich müde die Schläfen. Kurz sah ich ihn fragend an, woraufhin er mich dankbar anlächelte und dann die Augen schloss, nachdem er es sich auf dem Boden bequem gemacht hatte.

Auch ich setzten mich auf die Steine und wartete, dass Ramura aufwachte. Während ich dasaß, schweiften meine Gedanken zu meiner Familie und sofort kamen Schuldgefühle auf. Vielleicht hätte ich besser auf meinen Vater warten sollen, dann wären wir jetzt nicht in dieser misslichen Lage. Mit leichten, sanften Bewegungen strich ich über Ramuras Haar. Tränen traten in meine Augen und ich hoffte, dass sie bald wieder aufwachte.

Eine Träne lief meine Wange hinunter und tropfte auf Ramuras Gesicht. Kurz flatterten ihre Lider, bevor sie langsam die Augen öffnete. Schmerzvoll stöhnte sie auf und hob ihre Hand an ihren Kopf und rieb sich über denselben. Erst da schien sie mich zu bemerken, denn sofort weiteten sich ihre Augen und Angst verschleierte ihren Blick.

»Was machst du hier?«, hauchte sie nach einer Zeit, in der wir beide schwiegen.

»Dich retten«, murmelte ich und sah sie zärtlich an.

»Wir müssen hier weg!«, rief sie und schien aufspringen zu wollen.

Der rote MorgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt