Dankend drehte ich mich um und schon spürte ich seine warmen Finger an meinem Rücken, als er die Knöpfe zu machte. Sanft strich er über meine Schulter, wischte meine Haare zur Seite und hauchte mir einen federleichten Kuss auf die Schulter.
Langsam drehte ich mich um, sodass ich ihn ansehen konnte. Mein Blick bohrte sich in seine Augen und auch er sah mich an. Seine blauen Augen leuchteten in der hellen Sonne, spiegelten diese wieder.
»Wollen wir weiter?«, durchbrach er die Stille.
Zustimmend nickte ich und ging einen Schritt zurück. Satumar währenddessen ging kurz zum Fluss, wusch sich grob und trank etwas. Als er fertig war, stand er auf und gemeinsam machten wir uns wieder auf den Weg. Schweigend liefen wir nebeneinander her, doch es war kein unangenehmes Schweigen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Die Sonne wärmte angenehm meinen Rücken, und mein Schwert, welches ich mir vorhin noch um die Hüfte gebunden hatte, schlug mit jedem Schritt leicht gegen mein rechtes Bein, doch dies ignorierte ich meistens.
Mit jedem Schritt, den wir weiter gingen, wurde auch die Nervosität stärker und in meinem Magen hatte sich schon bald ein Knoten gebildet, was mich meinen Hunger vergessen ließ. Leicht fingen meine Hände an zu zittern und mit jedem weiteren Schritt wurde der Drang wegzulaufen größer. Ich hatte Angst davor nach Hause zu kommen und gleichzeitig war es eines der Dinge, die ich mir mehr als alles andere wünschte. Ich wollte meine Mutter in meinen Armen halten, genau wie meinen Vater. Ich wollte in einem weichen, warmen Bett schlafen und nicht auf Waldboden und Steinen, die für Rückenschmerzen sorgten. Ich wollte einfach nur nach Hause kommen.
Als hätte Satumar meine erneute Aufgeregtheit gespürt, griff er nach meiner Hand und drückte sie sanft. Dankbar lächelte ich ihn an.
***
Nach einigen weiteren Stunden, die wir fast vollständig schweigend verbracht hatten, sah ich endlich das Ende des Waldes. Die Bäume lichteten sich und ich glaubte schon die Palastmauer zu sehen.
Immer schneller wurden meine Schritte, bis ich fast schon lief. Satumar blieb bei mir, hielt meine Hand, obwohl er mindestens genauso aufgeregt sein musste, wie ich es war.
Endlich durchbrachen wir die letzte Reihe der Bäume und die schwache Abendsonne empfing mich, begrüßte mich zu Hause. Tränen traten in meine Augen, als ich einen ersten Blick in Richtung Schloss wagte. Alles stand noch, auch wenn vieles ramponiert aussah, einige Stellen hatten auch Brandflecken. Der Rasen, auf dem ich nun stand, war platt getrampelt.
Laute Rufe erschallten, als man uns erblickte. Sofort war alles kampfbereit und ein erster Warnpfeil wurde abgeschossen. Sofort packte mich Satumar am Arm und zog mich zurück in den Wald.
»Nette Begrüßung«, meinte er sarkastisch.
»Sie wissen ja nicht, wer wir sind«, murmelte ich. »Nach einem Krieg wäre ich auch vorsichtig.« Meine Stimme klang ruhiger und vernünftiger, als ich mich fühlte. In mir tobte ein Sturm. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Was würde passieren, wenn ich erneut raus ging? Würden sie mich erschießen, oder würden sie mich rechtzeitig erkennen?
»Hast du ein weißes Tuch?«, fragte ich dann Satumar, einer Eingebung folgend.
Kurz durchwühlte Satumar seine Taschen, bevor er leicht den Kopf schüttelte. Entschuldigend sah er mich an.
»Schade«, murmelte ich. »Dann hoffe ich mal, dass sie mich erkennen«, meinte ich und sprang raus, bevor er mich aufhalten konnte. Meine Hände hatte ich in friedlicher Absicht hoch gehalten.
»Ich bin es!«, rief ich. »Prinzessin Ramura!«
»Das kann nicht sein! Die Prinzessin ist verschwunden!«, meinte ein Soldat.
Die Worte des Kriegers ließen mich erstarren. Mein Mund klappte vor Erstaunen auf und ich konnte mich nicht bewegen. Selbst das Atmen fiel mir schwer. Hatte meine Mutter niemanden davon erzählt, dass ich geflohen bin, auf ihr Geheiß hin?
»Das kann nicht sein!«, rief ich daher. »Meine Mutter hat mir gesagt, dass ich gehen soll!«
Meine Kehle schnürte sich vor Angst zu, als der Krieger nicht antwortete, doch kurz darauf durchflutete mich Erleichterung, als das Tor aufschwang und ein Kommandant mit seinen, ihm unterstellten, Kriegern auf mich zu kam. Dumpf hallten ihre Schritte auf dem Rasen und ihre schweren Stiefel hinterließen Fußabdrücke.
Hinter mir hörte ich ein leises Aufkeuchen und kurz darauf sprang Satumar, alle Vorsicht außer Acht lassend, aus dem Wald und rannte auf die Krieger zu. Diese stellten sich vor ihren Kommandanten und zogen ihre Schwerter. Noch bewegten sie sich nicht, doch wenn Satumar zu nah kam, würden sie ihn notfalls mit Gewalt aufhalten. Dies schien ihm auch aufzufallen, denn er hielt einen Meter von den Kriegern entfernt, an. Sein Blick lag auf dem Kommandanten, sein Mund war leicht geöffnet und der Kommandant wirkte etwas irritiert. Seine Faust öffnete sich und das Schwert fiel aus seiner Hand. Leise klirrend kam es auf dem Boden auf und endlich erwachten die beiden Männer aus ihrer Starre.
»Asmael!«, rief Satumar und ein Grinsen erschien auf seinen Lippen.
Asmael hingegen schien nicht so begeistert davon, dass sein Bruder hier war, denn sein Gesicht war ausdruckslos. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst und seine Hand ballte sich erneut zu einer Faust.
Mit Mühe öffnete er sie jedoch wieder und fuhr sich durch seine blonden, glatten und langen Haare. Steif beugte sich Asmael hinab und hob langsam sein Schwert vom Boden auf.
»Satumar«, meinte Asmael kühl.
Satumars Schultern sackten nach unten, als er so abweisend begrüßt wurde und ich konnte ihn gut verstehen. An seiner Stelle wäre ich auch verwundert, wenn mich mein Bruder so steif und kühl begrüßt hätte, nachdem ich ihn jahrelang nicht gesehen hatte.
»Wie geht es dir?«, fragte Satumar jedoch weiter, als sei nichts, auch wenn ich an seiner Stimme hören konnte, dass er gekränkt war.
»Wunderbar«, antwortete Asmael mit gleichgültiger Tonlage.
Langsam trat ich näher, bis ich bei Satumar angelangt war. Dort schob ich sanft meine Hand in seine und drückte sie sanft. Leicht drehte er sich zu mir um, doch wich meinem Blick aus. Seine Augen sahen traurig und wütend nach vorne.
»Willst du gar nicht wissen, wie es Mutter, Vater und Vraldes geht?«, knurrte er dann schließlich, seine Trauer unterdrückend. Ein leichtes Zittern seiner Stimme war dennoch herauszuhören.
»Wie geht es ihnen?«, murmelte sein Bruder desinteressiert. Asmael wich dem Blick von Satumar aus, blickte stattdessen auf unsere verschränkten Hände. Sofort wurde mir warm und ich spürte, wie ich rot im Gesicht wurde. Auch Satumar schien diesen Blick zu bemerken, doch packte er nur meine Hand noch fester und zog mich leicht zu sich ran. Irritiert sah ich ihn an, doch der Blonde erdolchte weiterhin seinen Bruder mit seinem Blick.
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Der rote Morgen
RomanceSeit Jahren herrscht Krieg in Prinzessin Ramuras Land, als eines Nachts das Schloss von ihr und ihrer Familie angegriffen wird. Ihre Eltern hatten schon ein paar Mal versucht sie zu überreden, dass Ramura floh, doch bisher hatte sie sich immer gewei...