32. Step by step

63 7 16
                                    

Jorge

Einen Monat ist Agustín jetzt schon alt. Der Kleine ist ein richtiger Sonnenschein, nur nicht für Chiara.

Bei Agus' Beerdigung ist sie zusammengebrochen. Ich musste sie rausbringen und wir sind nicht mehr reingegangen. Stattdessen sind wir spazieren gegangen, während ihre Eltern auf das Baby aufgepasst haben. Ich hab versucht sie abzulenken, aber nach wenigen Metern ist sie wieder zusammengebrochen. 

Am liebsten hätte ich auch angefangen zu weinen, denn es bringt mich um, Chiara so zu sehen. Sie ist meine Familie und wenn es ihr nicht gut geht, dann mir auch nicht. Nur kann ich nichts tun, um ihr zu helfen. Ich versuche sie abzulenken, aber es klappt nicht. Sie nähert sich zwar körperlich ihrem Kind an, aber in Gedanken akzeptiert sie ihn nicht. Sie akzeptiert auch nicht den Tod ihres Ehemannes und ich bin ratlos. Ich bin müde. Ich bin unkonzentriert.

Bald sind Prüfungen und ich überlege, ob es nicht besser wäre, wenn ich einfach alle schiebe. Momentan dreht sich mein Leben nur um Chiara und Agustín. Nebenbei gehe ich arbeiten, damit ich nicht vollkommen auf Valentinas Kosten lebe. 

"Na, wer ist denn da schon wieder munter", schaue ich in sein kleines Babybett und hebe ihn dann auf meine Arme. Sofort hört er auf zu weinen und grinsend drücke ich ihm einen Kuss auf die Stirn. 

"Du bist eindeutig der Babyflüsterer", gesellt Valentina sich zu uns, gibt mir einen Begrüßungskuss. Sie geht fleißig in der Bib lernen und ich versuche den Alltag zu managen. 

"Ich glaube er hat sich einfach schon an mich gewöhnt und das er da mit schreien nicht weit kommt", erwidere ich und laufe etwas mit ihm hin und her, damit er wieder einschläft. Er hat keine Stunde geschlafen, weswegen es nicht so schwer ist.

"Kannst du dir wirklich nicht vorstellen, Vater zu werden? Du bist ideal dafür", fängt Valu wieder mit dem Thema an, welches ich eigentlich für beendet erklärt habe. 

"Aktuell kann ich es nicht, nein", bin ich absolut ehrlich und schon sehe ich wieder diesen traurigen Blick. 

"Was willst du von mir hören? Ich bin nur ehrlich", flüstere ich, da Agus seine Augen schon wieder zu hat. 

"Manchmal wünschte ich mir, du würdest mich einfach anlügen, damit es nicht so weh tut."

Dann lässt sie mich alleine im Zimmer stehen. Ich wiege mein Patenkind noch ein bisschen hin und her und als er schläft, lege ich ihn zurück in sein Bett, verlasse das Zimmer. Kaum das die Tür hinter mir zu ist, stoße ich fast mit Chiara zusammen.

"Alles in Ordnung?"

"Warum?"

"Valentina ist gerade mit Tränen in den Augen aus der Wohnung gestürmt, also?"

"Wir hatten einen Streit, das passiert."

"Worüber?...also, wenn du es erzählen willst."

Da ich das nicht auf dem Gang besprechen will, ziehe ich Chiara an der Hand ins Wohnzimmer, wo wir beide uns hinsetzen. 

"Valentina will unbedingt Kinder und nervt seit Wochen mit der Fragerei, aber ich will keine Kinder und das möchte sie einfach nicht akzeptieren."

"Warum möchtest du keine?", löchert Chia mich weiterhin mit Fragen. 

"Weil ich keinen guten Vater abgeben würde."

Meine beste Freundin macht große Augen, als sie meine Antwort hört.

"Kein guter Vater? Du bist jetzt schon mehr ein Elternteil für Agus, als ich."

"Das stimmt nicht. Das was ich tue und wie ich mich kümmere, sagt nichts darüber aus, ob ich ein guter Vater wäre."

What About Us?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt