41. Talking about feelings

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Chiara

"Ich weiß, du vermisst deinen Onkel, er kommt bald wieder, mein Engel", spreche ich leise zu Agus, der sich endlich wieder beruhigt hat. Der Kleine braucht Jorge...genau wie ich. Es fühlt sich an, als hätte man eine Familie auseinandergerissen, wir waren so ein perfekt eingespieltes Team und jetzt ist nichts mehr so, wie es vorher war.
 

Ich vermisse meinen besten Freund. Ich habe ihn seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Nur Valentina kam vor einer Woche mal vorbei und hat ein paar seiner Sachen geholt. Ich würde mich ja freuen, wenn die beiden wieder zusammengefunden haben, aber dass er nicht mal persönlich vorbeikommt und wir reden, hat mir ein bisschen das Herz gebrochen.

Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist, warum er mich geküsst hat. Was noch viel merkwürdiger ist, ist, dass ich es nicht bereue..es sich gut angefühlt hat.

Es wäre aber kein passender Zeitpunkt. Ich bin noch in der Trauerphase, habe ein Baby und Jorge scheint ja wieder mit Valentina anzubandeln. Außerdem sind wir beste Freunde, mehr ist da nicht drin. Scheinbar ist mein Körper nur verwirrt, mehr auch nicht. 

Da Agus endlich wieder ruhiger ist, kann ich ihn in mein Tragetuch packen und mit ihm rausgehen, da ich einkaufen muss. Die frische Luft nebenbei tut uns auch ganz gut, da ich mich seit Jorges Auszug, oder was auch immer das war, kaum draußen gewesen bin.

Ich erreiche gerade den Supermarkt, als ich Jorge an der Kasse stehen sehe. Es gibt nur einen Ausgang, er kann mir also nicht mehr aus dem Weg gehen. Stur wie ich bin, warte ich, bis er seinen Einkauf bezahlt hat und zum Ausgang schlendert, direkt in meine Arme. 

"Chia", ist er sichtlich überrascht mich zu sehen, geht direkt einen Meter zurück. 

"Ich dachte schon, ich sehe dich gar nicht mehr."

"Es tut mir leid, ich-"

"Bin ein Feigling?", vollende ich seinen Satz, blicke ihn böse an. 

"Es ist nicht so einfach", druckst er herum, was mich unglaublich wütend macht. 

"Nichtmal jetzt kannst du mir ins Gesicht sagen, was dein Problem ist. Ich dachte wir wären eine Familie, aber dein Verhalten ist absolut egoistisch!", bemühe ich mich leise zu reden, damit Agus nicht anfängt rumzuschreien. 

"Es war die beste Lösung für alle. Meinst du mir fällt das leicht?"

"Es kommt sehr leicht rüber", fauche ich und er geht einen Schritt auf mich zu, wirft einen Blick auf Agustín, der sofort grinst, als er seinen Onkel sieht. Da fällt mir doch mein glatt mein eigenes Kind in den Rücken.

"Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens", blickt er mir tief in die Augen, schaut wieder zu seinem Patenkind.

"Du hältst Mama schön auf Trab?", streichelt er seine Wange und bekommt ein kleines Lachen als Antwort. 

"Wir vermissen dich", kommen mir die Worte schnell über die Lippen und Jorge schaut wieder zu mir, sagt jedoch nichts.

"Willst du nichts sagen?"

"Ich will so viel sagen, aber ich kann einfach nicht."

"Wieso nicht? Du bist es mir schuldig, Jorge."

Verzweifelt fährt er sich mit einer Hand übers Gesicht.

"Wollen wir eine Runde spazieren gehen?", schlägt er dann vor und sofort werfe ich den Einkauf über Bord, nicke zustimmend.

"Okay, dann lass mich den Einkauf ins Auto bringen und dann können wir los", hebt er den Korb mit den Lebensmitteln hoch und stumm folge ich ihm nach draußen.

"Brauchst du noch einen Schal? Oder Handschuhe oder sowas?", will er wissen, da mittlerweile der Wind ganz schön pfeift, ich nicht entsprechend angezogen bin. Bei mir ist immer die Hauptsache, das Agus warm genug angezogen ist.

"Nein, das passt schon", lehne ich aus Stolz ab. Ich sehe wie Jorge die Sachen trotzdem mitnimmt, das Auto abschließt und wir ein wenig umhergehen.

"Ich hoffe, du wirst ehrlich zu mir sein und mir meine Antworten geben."

Er zuckt unschlüssig mit den Schultern, schaut geradewegs nach vorn.

"Du bist mit Valentina also wieder zusammen, nehme ich an?", beginne ich mit einer harmlosen Frage.

"So in der Art", kommt seine Antwort sogar relativ schnell.

"Warum hast du mich geküsst? Warum bist du danach abgehauen und nicht mehr zurückgekommen und wieso Valentina wieder?", sprudeln die Fragen nur so aus mir heraus.

Ich weiß, ich könnte etwas freundlicher und ruhiger an die Sache herangehen, aber ich will es wissen.

Jorge antwortet nicht, starrt weiterhin nur geradeaus.

"Bitte antworte mir. Du bist eine Ewigkeit wie vom Erdboden verschluckt, ich hatte keine Ahnung was los ist und dann steht Valentina vor der Tür, holt deine Sachen und kann mir auch nichts genaues sagen."

Keine zehn Minuten sind wir unterwegs, als mir kalt wird, ich schon leicht zittere.

Jorge scheint es zu bemerken, denn er zieht sich seinen Mantel aus, hält mich am Handgelenk fest, damit ich stehen bleibe.

"Warte kurz", legt er mir seinen Mantel um. Danach wickelt er noch den Schal um meinen Hals.

"Handschuhe auch? Brauchst du meine Mütze?", hält er beides in seinen Händen.

"Ja bitte", nehme ich seine Almosen an und setze mir die Mütze auf, ziehe die Handschuhe an.

"Und dir gehts gut kleiner Mann?", tippt er Agus auf die Nase, der zu grinsen beginnt.

"Bekomme ich endlich eine Antwort?", frage ich, da wir immernoch nur da stehen, er nichts dazu sagt.

"Ich hab dich geküsst, weil ich es wollte und ich bin gegangen, weil ich wusste, dass es ein Fehler war. Ich schäme mich, das ich dich in diese Lage gebracht habe und deswegen konnte ich auch nicht mehr wiederkommen...und was Vale betrifft, sie hat mich aufgenommen, als ich so gut wie am Ende war, eben weil ich so einen Mist gebaut habe", geht er auf jede Frage ein, beantwortet sie.

Daraufhin muss ich erstmal schlucken, denn das was er gesagt hat, verwirrt mich ja schon ein bisschen.

"Wieso wolltest du mich küssen?"

Natürlich kann ich mir eine mögliche Antwort denken, aber ich muss es von ihm hören und mehr darüber wissen.

"Weil ich dich liebe. Und wenn du mich jetzt fragst, wie das passiert ist, dann kann ich dir nicht viel sagen. Vermutlich, weil du dein Leben so im Griff hast, mit scheinbarer Leichtigkeit mit Agus klarkommst, immer ein Lächeln im Gesicht hast, mich immer ermutigst und aufbaust, wenn ich am Tiefpunkt bin...ich könnte noch so viel mehr aufzählen, aber ich weiß das es falsch ist und deswegen brauche ich den Abstand zwischen uns, damit ich dieses Gefühle loswerde und ich unsere Freundschaft nicht komplett zerstöre", überschüttet er mich mit Worten, die mich aus der Bahn werfen.

"Das du mich anschweigst, war das letzte, was ich wollte", murmelt er, als diesmal ich still bin.

"Ich glaube auch, da ist mehr zwischen uns", flüstere ich und seine Augen durchbohren meine.

"Was? Ich verstehe gerade gar nichts", wirkt er regelrecht hilflos.

"Ich verstehe auch nichts gerade, aber ich vermisse dich und der Kuss hat sich nicht schlecht angefühlt und ich weiß selber nicht, was das ist mit uns ist und wie meine Gefühle für dich sind", beginne ich zu jammern. Es spricht eigentlich der Frust aus mir, da ich nicht weiß, was aktuell los ist. Jorges Liebeserklärung hat mich härter erwischt, als gedacht.

Uff, ja da herrscht wohl noch ein bisschen Redebedarf. :D

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