Ich steckte mir mein Schleier in mein Haar. Er bedeckte meine Schultern und war ein Stück länger als die Schleppe meines Kleides. Doch selbst, wenn er aus Spitze war, kratzte er mich keineswegs. Es war das letzte Teil, was gefehlt hatte. Das letzte Stück für einen perfekten Tag. Ein letzter Blick in den Spiegel.
Heute war der 12. Januar. Heute würde ich heiraten. Die Liebe meines Lebens. Heute würde ich Misses LaHote werden, bis dass der Tod uns scheiden würde. Ein Blick aus dem Fenster unseres Badezimmers zeigte mir, dass es immer noch leicht am Schneien war. Es würde alles so romantisch werden. Nachdem wir die Trauung hinter uns gebracht hatten, würden wir zu dem Holzhaus am Fluss fahren. Gestern hatten wir dort schon ein Zelt aufgestellt in dem unser kleiner Empfang stattfinden würde.
Ich atmete tief ein und aus, ehe ich mich ein letztes Mal richtete und das Bad verließ. Meine Hände zitterten, als ich den Blumenstrauß an mich nahm. Er bestand aus weißen Rosen, leicht weißen, glitzernden Zweigen und einigem Immergrün. Er glitzerte so wundervoll, als wären vereinzelt Schneeflocken auf ihm gelandet.
Ich sah zur Tür. Durch die kleinen Fenster konnte ich den Schnee fallen sehen. Heute würde ein magischer Moment werden. Der Beste meines Lebens vermutlich. Man lief ja schließlich nicht jeden Tag zum Altar.
Draußen würden alle auf mich warten. In voller Erwartung darauf, wie mein Hochzeitskleid aussehen würde. Wie meine Haare gemacht waren, ob ich weinen würde. Alle Stammesmitglieder und Freunde. Einige Schwestern aus dem Krankenhaus waren auch gekommen. Einige dachten, dass ich schwanger sei. Doch war es Liebe, weswegen ich heiratete. So etwas verstanden sie nicht.
Das Zittern breitete sich aus. Ich hatte eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper. Voller Euphorie auf den Moment, wenn mich alle ansahen. Ich kämpfte mit meinen Tränen. Die Euphorie löste in mir eine gewisse Übelkeit aus.
Ich weiß nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt... ob du mich sehen kannst, von dort wo du bist, Mom. Ich hoffe dennoch, dass ich dich stolz mache. Vielleicht sieht mein Schwesterherz ja auch zu. Ihr werdet mich doch begleiten, oder? Wenn ich den Gang entlang schreite... ihr werdet dabei sein? Und stolz auf mich hinab sehen?
Die Tür öffnete sich fast wie von allein und so trat ich raus an die kalte Luft. Mein Kleid hatte eine Meerjungfrauenform. Die Spitze, die die Schleppe überzog, zog sich über das ganze Kleid, bis hoch zu dem leicht angedeuteten Kragen. Hier und da glitzerte es, sodass es aussah, wie der frisch gefallene Schnee.
Abermals atmete ich tief ein und aus. Ich hob den Strauß mit meinen beiden Händen an, aus Angst, dass er fallen könnte. Er würde auch fallen, so sehr wie ich auch zitterte. Mir war, als wären die Stuhlreihen leer. Als würde niemand hier sein und mich anstarren. Vor mir, am Ende des Ganges, wartete er auf mich. Neben ihm war Dad. Er lächelte so zufrieden. Dad freute sich wirklich über das Glück, was ich gefunden hatte.
Mein Zittern wurde stärker.
Ich konnte schon fast das Lachen der Kinder hören, die wir haben werden. In einer Welt, in der alles zu schaffen schien. Alles machbar, wenn man nur daran fest glaubte. Eine Welt, die nicht so dunkel zu sein schien, in der es auch Wunder gab. Und ich glaubte an das hier, aufrichtig und mit vollem Willen. Das es richtig und wahrhaftig war.
Weiter schritt ich auf ihn zu. Sein schwarzer Anzug hob sich von der weißen Landschaft ab. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Die Vorfreude auf diesen Moment hatte ich schon so lange empfunden. Die Schleppe meines Kleides wischte sanft über den Schnee, der auf den roten Teppich gefallen war. Der Himmel würde heute nicht aufhören zu schneien.
Am Ende des Ganges angekommen blickte ich auf den Weg zurück, den ich gegangen war. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass die Reihen wirklich leer waren. Niemand war hier. Was war los? Wieso war keiner gekommen? Wollte keiner hier sein? Was hatte ich angestellt, dass niemand heute mit uns feiern wollte?
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The Colors of the Waterfall
FanfictionUnser Glaube sagt uns, dass diese Welt mit mehr als nur mit Menschen, die Dinge empfinden können, gefüllt ist. Viel mehr hat jedes Lebewesen, egal ob Tier oder Pflanzen einen eigenen Geist. Der Gefühle und Schmerz empfinden kann. Diese Geister nenn...