Take me home

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Die Zeit in England war wundervoll, genauso wie das Land seiner Heimat. Man dachte bei England immer nur an Regen und Nebel, besonders in London, aber dies konnte ich nicht bestätigen. Vielleicht lag es daran, dass gerade in Forks fast jeder Tag mit Regen gefüllt war. Nein, dort konnte ich auch die Sonne durch mein Krankenhausfenster erkennen. An diesen Tagen war ich wirklich an mein Bett gefesselt, denn es wäre zu auffällig mit Carlisle heraus zu gehen, denn selbst in einer Weltmetropole wie London, gäbe es so etwas wie Vampire im Tageslicht nicht.
Doch freute ich mich deswegen umso mehr, als wir zurück in meine Heimat kamen. Der Weg hatte vielleicht ein wenig länger gedauert, denn war mir auf Grund der Operation ein Flugverbot ausgesprochen worden, welches mein Leibarzt trotz eines ‚Mir geht es schon viel besser' nicht lockern wollte und so mussten wir reisen, als wäre der Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.
Mit dem Boot.
Zum Glück war dieses Schiff hier nicht die Titanic.
Zwar mochte ich das Meer und den Ozean sehr, doch fühlte ich mich ein wenig unbehaglich mein Leben für so viele Stunden und Tage in die Hände des Kapitäns und seiner Crew zu geben, wo doch Schiffsunglücke gar nicht einmal so unwahrscheinlich schienen.
Die meiste Zeit der Überfahrt stand ich an Deck und sah auf den mit Blei verhangenen Himmel und die sich aufbauschenden Wellen hinaus. Es ging mir einfach nicht schnell genug. Sicher hatte ich schon lange Flüge hinter mir, doch war das Schifffahren etwas anderes. Wenn man Stunde um Stunde auf den Horizont sieht, in der Erwartung, dass endlich sich ein Stück Land zeigte, war es umso verdrießlicher, das man noch immer nur die Wellen sah. Die Wellen eines fremden Ozeans, einer fremden Heimat, fremder Wesen.
Was sich wohl auf den Metern zwischen diesem aus Metall geformten Boden und dem Grund des Meeres verbarg? Gab es wohl dort auch gewisser Weise Monster und Bestien, die sich in der Dunkelheit der Tiefe versteckten?
Doch kaum hatten wir in New York festen Boden unter den Füßen, ging das Reisen natürlich schneller. Wie passend, dass die Zeit scheinbar sich endlich wieder vorwärts drehte, in der Stadt, die niemals schlief. Ein Auto, welches nur zu dem Zweck gekauft wurde uns nach Hause zu bringen, war geschwind gefunden. Anders, als vermutet, war es dieses Mal kein Vertreter eines deutschen Automobilherstellers.
Von New York City nach Forks musste man, bis auf die wenigen Kilometer von Forks zum First Beach, das ganze Land durchqueren. Ein Traum von tausenden, dieses Land in der Karosserie eines Oldtimers zu durchqueren, mit nichts als Rock Musik im Radio und dem Sternenhimmel über einem. Jedoch war es für mich nicht so. Zum einen hatten wir keinen Oldtimer, den ich mit Sicherheit bekommen hätte, wenn ich nur gefragt hätte, und zum Anderen hatte ich die meiste Zeit der Fahrt geschlafen, waren doch die vergangenen Wochen nicht ganz so leicht an mir vorbei gegangen. Mich beruhigte es, Carlisle an meiner Seite zu wissen. Dass er da war und mir meine Lügen verziehen hatte, sprach ich sie doch nur aus, um ihn zu beschützen.
Die einzigen Stopps, die wir einlegten, waren die wenigen Male, wenn wir unser eisernes Gefährt tanken oder ich meinen menschlichen Bedürfnissen nachgehen musste. Sonst hatte ich nur meine Füße auf dem Armaturenbrett, hatte mich in eine Jacke von Carlisle eingekuschelt und schlief. Erst als ein anhaltender grüner Film an meinem Fenster vorbei rauschte wurde ich so richtig wach. „Wir sind gleich da." Sprach die sanfte Stimme neben mir. Ich sah zu meinem Mann und lächelte. „Ja, endlich zuhause." Doch fuhr er nicht den gewundenen Wald Pfad zu unserem weißen Haus hinauf. Nein, er hielt sich Richtung Westen und fuhr in das Land meiner Ahnen.
Ich zog meine Augenbrauen zusammen, als ich ein kleines, rotes Haus zwischen den Bäumen erblickte. Wieso war er hier her gefahren? Der Wagen stoppte und Carlisle sah zu mir. „Ich hatte ihn vor ein paar Stunden angerufen, beim letzten Halt. Er wollte auf dem Laufenden gehalten werden. Ich denke, dass er dich sicher sehen möchte." „Ja, Das leuchtet ein..." Sprach ich nachdenklich. Hatte ich doch verdrängt, dass ich nicht nur Carlisle sorgen bereitet hatte. Mit meinem Verschwinden hatte ich all jene in Angst versetzt, die ich damit eigentlich beschützen wollte.
Die Tür des roten Hauses wurde aufgerissen, als hätte jemand die ganze Zeit am Fenster gestanden und darauf gewartet, dass wir herkamen. Mein kleiner Bruder stürmte heraus, gefolgt von meinem Vater. Ich sah zu Carlisle, unwissend was ich nun machen sollte. Mein Mann gab mir einen Kuss auf meine Stirn, ehe er ausstieg.
Ich bin wieder zuhause.
Erst langsam schien mein Gehirn sich an diesen Gedanken zu gewöhnen und ließ die Hormone in meinem Körper durchdrehen.
Ich bin zuhause!
„Carlisle." Kam es von Dad, als mir dieser die Tür aufhielt. Lächelnd sprang ich aus dem Auto heraus. „Wie versprochen." Lächelte er. „Ihr seid schon beim Vornamen?" Fragte ich, als ich von meinem Bruder fast umgetackelt wurde. Seine Arme schlangen sich mit einer gewissen Kraft um mich herum, die ich so von ihm nicht kannte. Liebevoll schloss ich meine Arme um ihn. Carlisle und Dad reichten einander die Hand. Ich war erstaunt, dass es mittlerweile schon so weit war.
„Vielleicht sollte ich öfter weglaufen." Ein Knuff traf meinem Arm. „Jake!" Aber auch Dad sah mich für diesen makabren Witz tadelnd an. Seine Augen gingen zu meiner Narbe, die die Form eines auf der Seite liegenden Reißzahns hatte und seit ein paar Wochen meinen Kopf zierte.
„Kaya Tiva B- Cullen. Wenn du es wagst, noch einmal so etwas durchzuziehen..." Seine Stimme brach bei der Drohung. Langsam ließ ich meinen Bruder los und umarmte meinen Vater. „Ich werde es nicht. Versprochen." Meine Stirn ruhte auf der vom Wetter und Leben gezeichneten Stirn meines Vaters. Der Arm von Dad umschlang meinen Hals. „Besser ist es, schließlich wirst du Mutter." Ja, dass würde ich. Von zwei wundervollen Kindern. Ich richtete mich auf und sah zu Carlisle. „Hast du es ihm schon gesagt?" Grinste ich. Er schüttelte mit einem verstohlenen schmunzeln seinen Kopf. „Nein, habe ich nicht." „Mach es." Ich biss mir auf meine Lippe und sah erneut zu Dad. Ein kühler Arm legte sanft ich um meine Taille, als wäre er schwerelos und nicht wie aus Stein gemeißelt.
„Es werden Zwillinge, Billy." Jetzt war es bei Dad vorbei. Seine Hand bedeckte seine Augen und ich wusste, dass er gerade mit den Tränen kämpfte. „Och, Dad." Abermals umarmte ich meinen Vater. Ich konnte fühlen, wie seine Tränen den Stoff meines Shirts benetzten. „Du darfst nicht weinen, sonst muss ich auch heulen." In mir wollten sich tatsächlich die Tränen ihren Weg an die Oberfläche erkämpfen. Wie immer schafften sie es auch. „Wenn deine Mutter doch nur..." Ich richtete mich auf und legte eine meiner Hände auf seine Schulter, während die andere meine Tränen wegwischte. „Dad, ich glaube da wo sie ist, kann sie es sehen."
In der Ferne konnte ich das Heulen von Wölfen hören. Ein freudiges Bellen mischte sich mit dazu. Sie kamen näher auf uns zu. Dass sie so schnell davon erfahren hatten, hätte ich nicht gedacht.
Mein Blick ging zu dem Wald, an dem drei riesige Wölfe nun erschienen. Sie alle schienen mit der Tatsache gut umgehen zu können, dass Carlisle ihr Land betrat. Vielleicht war es weil ich ihn schon einmal hergebeten hatte, möglicherweise weil ich mich auf ihn geprägt hatte. Oder war es die Zeit gewesen, die sie nun das hier nun akzeptieren ließ?
Der graue Wolf an der linken Seite des Leitwolfes blickte zu dem Schwarzen, der kaum merklich nickte. Schnell und ungestüm trommelten große Tatzen über den Schnee. Ein erneutes Bellen war zu hören.
„Nicht so wild Paul!" Tadelte mein Vater ihn, als seine Pranken auf meiner Schulter landeten. Doch fiel ich nicht, wie es vielleicht andere getan hätten, auf den Boden sondern fing die Wucht auf. Meine Hände griffen in den dicken Pelz um seinen Hals und verschwanden in eben jenem. „Es tut mir Leid, Großer." Sprach ich zu eben jenem. Der Wolf fiepte ein bisschen. Für ihn musste es natürlich auch unerträglich gewesen sein, dass ich weg war. Ich kraulte den Wolf an seiner Schnauze, ehe er an meinem Gesicht schnüffelte.
Die Pranken rutschten von meinen Schultern. Der Wolf sah zurück, dort wo vorhin noch zwei weitere Wölfe gestanden hatten, waren nun Sam und Jared zu sehen. „Vielleicht hört jetzt das Gejammer auf." Kam es gespielt genervt von Jared. Es war ein weiterer Stich in mein Herz. Das Lächeln auf meinem Gesicht war kaum mehr als ein Zucken. „Ich muss nach England." Lachte Jared. „Wie es ihr wohl geht?" „Will sie mich wohl sehen?" „Kann ich sie wohl anrufen?" Setzte Sam grinsend nach.
Eine Hand drehte mich um und ich blickte in die Augen von Paul. „So war das gar nicht." Rechtfertigte er sich. Ich wuschelte ihm durch die kurzen schwarzen Haare. Noch immer hatte ich ein schmerzhaftes Lächeln auf dem Gesicht. „Wahrscheinlich wäre ich eh nicht dran gegangen, so viel wie ich geschlafen hatte." „Noch hast du Zeit dafür... Die Frage ist, wie lange." Ich sah zu Sam und schüttelte grinsend den Kopf. Dieses Mal war es aufrichtig.
Irgendwie hatte ich es geschafft, dass dieses Leben hier sich um einiges gedreht hatte. Scheinbar war wohl nun in Ordnung, das ein Vampir mich genauso sehr liebte, wie ich ihn. Auch wenn sie es nicht hören wollten, so hatte dieser Brief, der mich zwang zugehen, sie gewissermaßen zusammen geschweißt.

The Colors of the WaterfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt