Als ich gestern Abend meine Augen geschlossen hatte, fühlte es sich an, als hätte man den Aus Knopf eines Fernsehers bei mir benutzt. Das Bild meiner Augen, meine Gedanken, mein Schmerz, meine Angst. Alles war auf einmal weit weg und nicht mehr wirklich von belangen.
Nach einer traumlosen Nacht wurde ich wach. Während ich nun noch einmal tief durchatmete und mich auf den heutigen Tag vorbereiten wollte, dachte ich an dieses kleine Leben, welches in mir wuchs. Es zupfte leicht in meinem Bauch, einem Muskelzucken gleich… und wenn man sich ganz stark darauf konzentrierte, dann konnte man sogar das kleine, leise Herzchen schlagen hören. Wenn man es nur hören wollte.
Vielleicht wäre heute ein guter Tag, um es ihm zu sagen?
Möglicherweise, würde er den Unfall dann vergessen… Mit Sicherheit musste auch er gestern so manches Schrecken erleben. Wie es scheint hatte er auch an den letzten Unfall denken müssen, wo er mir mein Leben gerettet hatte. All das wäre ein Schrecken, der von einer guten Nachricht, wie die Geburt eines Kindes, wieder wettgemacht werden könnte.
Oder?
Meine Augen schlugen auf, sodass ich auf die weißen Laken blicken konnte. Scheinbar hatte ich mich nicht wirklich in der Nacht gedreht, denn noch immer lag ich genauso, wie ich eingeschlafen war. Eingerollt wie ein junger Hund. Ein weiteres Mal schloss und öffnete ich meine Augen, ehe ich mich ausstreckte und auf meinen Rücken drehte. Ich konnte mit meiner Hand die Kälte von Carlisles Hand spüren. Die weiße Decke schien nicht mehr so weiß und strahlend zu sein, wie sie eigentlich sein müsste.
Seine Hand ergriff meine. Sofort kam die Reaktion meines Körpers, der eine Gänsehaut bildete. Der schwarze Fleck in meinem Sichtfeld ließ mich Carlisle nicht sehen, sodass ich erst meinen Kopf zu ihm drehen musste. Es stellte sich als ein Fehler heraus das getan zu haben, denn kam augenblicklich das Stechen erneut in mein rechte Wange zurück. Ich kniff mein Auge zu. Den Schlag des Biestes hatte ich total vergessen. „Guten Morgen.“ Eine kühle Hand legte sich auf meine Wange. Augenblicklich wurde mein Schmerz abgeschwächt. Ob es nun an seiner kalten Haut lag, oder generell daran, dass er seine Hand auf meine legte, wusste ich nicht. Ehrlich gesagt war es mir auch herzlichst egal. Ich streckte mich ihm entgegen, um ihn zu küssen. „Hey.“ Grinste ich.
So begann scheinbar ein Sonntagmorgen, wie alle anderen.
Scheinbar.
Ja, dieses Wort hatte eigentlich keine Bedeutung in meiner Welt. Was war schon normal in einer Welt, in der man mal eben Inseln verschenkte… in der es Werwölfe und Vampire gab und die Vampire keine Menschen verspeisten.
So einen Standard gab es für mich eben nicht. Diese Standards waren für Sterbliche, die keine Erwartungen von der Ewigkeit hatten. Ein weiteres Mal streckte ich mich, um mich diesem Tag vollends zustellen.
„Was steht dann heute so an?“ Fragte ich, während ich geräuschvoll in einen Apfel biss. Wie üblich hatte ich es mir auf dem Küchenschrank bequem gemacht und sah nun voller Erwartung in das Gesicht meines Mannes. Es war eins der Wochenenden, wo er zum Glück einmal nicht arbeiten musste. Vielleicht könnte man das ja nutzen und nach Port Angeles zum Meer zu fahren.
Carlisle, der vor mir an der Küchentheke lehnte, antwortete überlegend. Wahrscheinlich hatte er sich die ganze Zeit die richtigen Worte überlegt, als ich noch geschlafen hatte. „Ich hatte gedacht, dass wir dir ein Wagen kaufen könnten.“ Sprach er vorsichtig, als hätte er mit einer Explosion von mir gerechnet. Er kratzte sich verlegen an seinem Haaransatz. „Du wirst garantiert einen neuen Wagen brauchen wollen, falls du mal zu deinem Vater oder so möchtest.“ Eindeutig mied er meinen Blick. Er sah eher an mir vorbei in den Wald. Ich hob eine Augenbraue an. In der Tat hätte ich eine Explosion vom Band getreten, wenn jemand anderes den Vorschlag gemacht hätte. „Wir gehen zu Johnsons. Wo ich mir einen Wagen aussuchte.“ Stellte ich die Bedingung.
Hatte ich damit gerechnet, dass ich mit Carlisle alleine sprach?
Ja.
Wunderte es mich, dass sich Emmett und Rosalie einmischten?
Definitiv nein.
„Du wirst dir doch nicht nochmal so eine schnöde Klapperkiste kaufen wollen, oder?“ Stöhnte Emmett vorwurfsvoll. „Ein neues Auto wäre deinem jetzigen Stand angemessener.“ Stimmte auch Rosalie nickend zu. Ich zog nun auch die Zweite Augenbraue in die Höhe, ehe ich ein weiteres Mal in den Apfel biss und zu den beiden rüber sah. Wenn jetzt noch ein Wort kommen würde, wäre es sehr wahrscheinlich, dass mir eine Sicherung durchknallte.
Mir war durchaus bewusst, dass Carlisle die gleiche Meinung besaß, wie die beiden, doch sprach er es nicht so offensichtlich aus. Bei ihm sagte es seine Körpersprache mehr.
„Ein Neuwagen lohnt sich doch gar nicht. Wenn ich vom Hof fahre hat er eh schon an Tausende Wert verloren und außerdem bezahle ich den Wagen.“ Emmett wollte gerade weiter sprechen. „Nein.“ Sagte ich bestimmt, bevor er etwas aussprechen konnte. „Aber du-“ Ein böser Blick in Richtung Emmett reichte, um ihn endgültig zum Schweigen zu bringen. „Aber ich könnte. Ja, ich möchte es aber SO.“ Rosalie schien damit ebenso wenig zufrieden zu sein. Sie wollte zu sprechen ansetzten, da hob ich meinem Apfel an. Ein kleiner Tropfen seines Saftes lief erst über die Schale, dann über meinen Finger. „Wenn ich den Apfel aufgegessen habe, dann gehen der Papa und ich los, um der Mama einen Wagen zu kaufen, Rose. Sei doch so lieb und geh mit deinem Bruder dann schaukeln, dann geht die Zeit auch ganz schnell vorbei.“
Mit meiner Einstellung zu Autos war ich hier offensichtlich auf verlorenem Boden. Sicher. Ein Jeep, Volvo oder ein Mercedes wären schon angenehm zu fahren. Auch sind diese vielleicht sportlicher, als die Wagen, die ich mir leisten könnte… Doch zum einen war das nicht ich und zum anderen… egal. Für mich musste ein Auto vier Reifen haben, einen funktionierenden Motor, etwas Platz und wenn es geht Allrad. Für diese Gegend ein Wagen ohne Allrad wäre schrecklich.
Ein letztes Mal biss ich in jenen Apfel und rutschte von dem Schrank herunter. Rose schien von meiner Ansprache ein wenig beleidigt zu sein, doch hob ich nur abermals meine Augenbraue hoch. Doch ein Wiederwort ließ sie nicht raus. Meine Position als Leitwölfin hatte eigentlich jeder hier akzeptiert. Mit meiner Stofftasche bewaffnet verließen wir das Haus.
Als wir in seinem schwarzen Benz saßen blickte ich erneut zu meinem Mann. Dieser schien wieder in seinen Gedanken verloren zu sein. „Wir schauen erst bei Johnsons. Danach können wir gerne zu einem anderen Autoverkäufer fahren.“ Sprach ich erneut zu ihm. Gewiss wollte ich ihn nicht mit meinem Verhalten kränken. „Ich möchte nur, dass du ein sicheres Auto hast.“ Kam es von Carlisle als Antwort. Ein Lächeln legte sich auf mein Gesicht. Meiner geschwollenen Wange gefiel dies nicht so wirklich. Das Stechen einer Nadel gleich schwoll in meiner Wange an. „Der Blazer war doch sicher. Mir ist doch nichts passiert, oder irre ich mich?“ Ich versuchte aufmunternd zu ihm zu schauen, mein Mann hingegen hatte noch immer seinen nachdenklichen Blick nicht abgelegt.
Verschlimmert wurde dieser Blick eigentlich nur, als wir auf den Schotterplatz von Johnsons fuhren. Der Platz an sich, war eigentlich wie der eines jeden Autoverkäufers. Reihe an Reihe standen Autos von den unterschiedlichsten Baujahren und unterschiedlichsten Zuständen dicht beisammen. Doch bei der Werkstatt, die sich an der Stirnseite der Autoreihen anschloss, stand etwas, das einmal ein Wagen gewesen war. Nun sah es eher zu deformiert aus, als dass man es noch wirklich ein Auto nennen konnte.
Was da stand, war mein alter Blazer.
Der Lack war in einem Katastrophalen Zustand, ebenso die Motorhaube, die zerbeult und eingedrückt war. Am schlimmsten war jedoch die Seite, die uns zugeneigt war. Wo der Baum drin gestanden hatte, klaffte nun eine riesige Delle, wo die Feuerwehr den Baum herausgeschnitten haben musste. Das Auto sah wegen ihr aus, wie ein halb aufgeklapptes Buch. Hier und da waren im Inneren des Wagens noch Stücke des Baumstammes gewesen, als man beide voneinander getrennt hatte.
Der Motor des Benz erstarb.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ausgerechnet hier nach einem Wagen zu gucken… Schnell stieg ich aus dem Wagen aus und schloss die Tür. „Wenn ich hier nichts finde, kannst du gerne zu einem anderen Fahren. Irgendeinen, wo du gerne hinfahren magst.“ Sprach ich zu ihm, um ihn und seinen Blick von dem Wagen abzulenken. Carlisle stieg ebenfalls aus und blickte von dem zerstörten Wagen über das Wagendach zu mir. „Na gut.“
Der Kies knirschte unter meinen Chucks, als ich auf einen der Wägen, die hier zum Verkauf angeboten wurden, zuging. Es war ein dunkelroter Toyota Navajo von 1992. Meine Hand legte sich auf die Beule am Kotflügel, die wahrscheinlich von einem Wildunglück stammte. Der Lack war arg zerkratzt. Man konnte die Beule und den Lack auf jeden Fall ausbessern, das wäre nicht das Problem… nur die Frage war, ob so eine große Beule den Mann an meiner Seite verunsicherte. Aus meinem Augenwinkel blickte ich zu ihm. Ruhig stand Carlisle neben mir. Aber auch sein Blick fing sich ebenso an der Beule.
Eine freundliche Stimme ließ mich hochfahren. „Ich hätte Sie nicht so früh hier erwartet, Miss.“ Steve Johnson war ein Mann in seinen späten Vierzigern. Seine graudurchzogenen Haare hatte er in einem Militär typischen Bürstenschnitt kurz geschnitten.
Seit kurzem wusste ich auch, dass sein Sohn ebenfalls mit mir zu Schule ging und wir sogar im gleichen Team beim Sportunterricht waren.
„Nachdem der Chief den Wagen gestern hat hier abladen lassen, hätte ich damit gerechnet, dass Sie erst noch für ein Weilchen im Krankenhaus liegen würden.“ Ich legte ein Lächeln auf mein Gesicht, welches mir ein neues Stechen versetzte. Die Schwellung machte sich ebenfalls bemerkbar. „Ja, ich hatte wohl Glück im Unglück.“ Sprach ich. Mr. Johnson kam auf mich zu und reichte mir seine Hand, ehe er auch Carlisle seine Hand gab.
„Aber es ehrt mich wirklich sehr, dass Sie direkt wieder an mich denken.“ Er klopfte auf die Motorhaube des Autos. „Dieser Wagen ist jetzt nicht so jung, wie ihr Alter, aber dennoch läuft er sauber. Hundertsechzig PS, V6 Motor. Damit kommt man gut vom Fleck. 103965 Meilen hat er runter. Und die letzte Inspektion hatte er vor drei Monaten.“
Nach einem kurzen Blick über das Auto, legte ich mich auf den Kies unter dem Wagen, zog eine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche und begann den Unterboden des Autos abzuleuchten. Man sah zwar, dass der Wagen gebraucht war, doch hatte er keineswegs etwas Mangelhaftes an sich. Bis jetzt war nur die Beule ein Manko. „Man sieht, dass er gepflegt wurde.“ Sprach ich, ehe ich wieder unter dem Wagen hervor kam und mich aufrichtete.
Abermals ging mein Blick zur Beule. „Was soll er kosten?“ Fragte ich. „Fünftausend.“ Ich hob eine Augenbraue hoch. „Mit der Beule?“ „Da kann man sicher noch etwas machen. Für den Blazer kann ich Ihnen nicht mehr viel bieten, aber der Schrottpreis ist ganz in Ordnung.“ Kam es von ihm überlegend. „Ich weiß ja nicht, was ihr Budget ist, aber wir haben da vorne noch ein Cherokee. Der würde allerdings 21999 Dollar kosten.“
Kurz blickte ich herüber. Der Preis des Wagens würde definitiv mein Etat übersteigen. Und so sehr bräuchte ich einen Wagen auch nicht. Zum Reservat könnte ich laufen und zur Schule kann ich mitgenommen werden. Vielleicht musste ich nur wieder auf den Richtigen warten. Wenigstens hatte ich es nicht allzu weit her. „Nein, der ist mir dann doch ein wenig zu teuer.“ Sprach ich nachdenklich. Abermals legte ich meine Hand auf die Beule. „Wir hätten aber auch noch einen Jimny, falls es etwas kleineres sein dürfte.“ Johnson deutete auf einen quietschblauen Wagen. Doch konnte die Farbe nicht die Rostflecken am Kotflügel überdecken.
„Andere Geländewagen haben wir zurzeit für ihr Budget nicht.“ Ich zog nachdenklich meine Augenbrauen zusammen, ehe ich zu Carlisle sah. „Ich denke, dass wir lieber nochmal woanders gucken sollen, Kaya.“ Kam es von ihm. Er hatte weder dem Cherokee noch dem Jimny einen Blick geschenkt.
Ich seufzte, doch gab ich mich ihm geschlagen.
Als wir erneut im Auto saßen hob ich eine Augenbraue. „Ich sage es vorn Herweg. Kein BMW, kein Audi und kein Mercedes. Ich möchte einen bodenständigen Wagen, der weniger als ein Haus kostet.“ Carlisle schmunzelte. „Wenn wir da keinen finden, kauf ich dir den Jimny. Nur damit fahren, darfst du nicht.“ „Oh, der wird sich sicher gut neben dem Rosenbeet machen.“ Sprach ich verträumt und sah heraus. „Welches Rosenbeet?“ „Das Rosenbeet, welches noch mit dem Jimny angelegt wird.“ Ich zwinkerte.
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The Colors of the Waterfall
FanficUnser Glaube sagt uns, dass diese Welt mit mehr als nur mit Menschen, die Dinge empfinden können, gefüllt ist. Viel mehr hat jedes Lebewesen, egal ob Tier oder Pflanzen einen eigenen Geist. Der Gefühle und Schmerz empfinden kann. Diese Geister nenn...