Haunted

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Ich schreckte zusammen, ehe ich vollends wach wurde. Schweißgebadet und außeratmen starrte ich auf die weißen Laken aus Ägyptischen Leinen. Auch, wenn es für normale Menschen wahrscheinlich geräuschlos gewesen wäre, konnte ich dennoch hören, wie sich die Federn unter seinem Gewicht bewegten. Doch noch immer fühlte ich die Hitze in einem Körper, als würde ein Feuer in mir wüten.
Ich fühlte seinen Arm, der mich an seine Schulter dirigierte. Wie immer konnte ich seine Kälte durch den Stoff spüren, der den erstarrten Körper eigentlich warm halten sollte. Meine Hand legte sich eben auf jene gewebten Faden. Für normal war es schon angenehm diese Kälte zu verspüren, aber war es jetzt die Abkühlung, die ich nach einem heißen Sommertag nur umso mehr brauchte.
Das Letzte, an das ich mich erinnerte, war dass ich in dem Fluss meiner Ahnen zu mir kam. Mein Fell wurde von dem eiskalten Bergwasser umspült. Wie ich dort hingekommen war, wusste ich nicht. Ich sah nur Jasper und Carlisle oben an dem Vorsprung stehen und mich besorgt anblicken. Warum sie dies taten, war mir ebenso wenig bewusst. Doch den Schmerz den ich auf beiden Gesichtern gesehen hatte, wollte ich bei keinem Mitglied meiner selbstgewählten Familie sehen.
"Was passiert, mein Herz?" Überrascht von dem geträumten und dem erlebten, öffnete ich ein weiteres Mal meine Augen und sah in dieses flüssige Gold, welches mich so ungemein verzückte. Es wäre so einfach gewesen, mich in ihnen zu verlieren und mich nie wieder zu finden. "Ich glaube, dass ich von Mutter geträumt habe." Flüsterte ich in den Stoff des Hemdes, wohlwissend, dass er jedes Wort verstand. Alles an ihm hatte diese unglaubliche, beruhigende Wirkung auf mich. "Wieso glaubst du es nur?" Ich sah an ihm vorbei in den stillen Raum hinein. Nein, nicht nur der Raum war still. Das ganze Haus hatte scheinbar sein Atmen angehalten. „Da war ein Wolf, er sah aus wie Mutter, aber sagte, dass er es nicht war..."
Erst jetzt, wo ich die Worte ausgesprochen hatte, fiel mir auf, wie bescheuert meine Worte klangen. Langsam schüttelte ich meinen Kopf, ehe ich mich zurück auf das Bett gleiten ließ. „Das sind bestimmt nur die Hormone. Ich drehe einfach nur am Rad." Versuchte ich mich zu beruhigen. Verrückt werden wollte ich nicht. „Wahrscheinlich möchte ich da nur Mutter sehen, weil ich sie nicht mehr an meiner Seite haben kann."
Meine Augen blickten zu Carlisle. Er schien weniger von mir überzeugt zu sein, als ich es mir erhofft hatte. Seine Augen gingen für einen Moment zu der Scheibe des Fensters. Ich folgte ihnen und musste feststellen, dass es eigentlich nur noch aus Bruchstücken, die im Rahmen gehalten wurden, bestand. Allerdings hätte ich Scherben auf dem Boden erwartet, doch diese waren schon beseitigt. Ob wohl noch auf dem Waldboden verstreut einzelne Scherben zu finden waren?
„Ich glaube nicht, dass es nur ein Traum war." Kam es von meinem Mann bestimmt. Schnell ging mein Blick erneut zu ihm. „Du hast nicht gemerkt, wie du dich verwandelt hast?" Fragte er weiter nach. Leicht schüttelte ich meinen Kopf. „Nein. Ich... ehm. Ich bin wach geworden, als ich im Fluss war." Langsam hob ich meine Hand an meinen Kopf, in der Hoffnung es könnte meine Erinnerungen klären. „Du weißt nicht mehr, wie du dorthin bist?" Ein weiteres Mal schüttelte ich meinen Kopf auf die Frage meines Mannes. „Wirklich, ich weiß es nicht mehr. Weder wie ich hier raus, noch wie ich zu dem Fluss gekommen bin." Er zog seine Augenbrauen zusammen. So oft machte er es wegen mir, doch brach es mir jedes Mal ein kleines Stückchen von meinem Herzen... Weil er sich wegen mir nur noch mehr Sorgen machte.
„Ruhe dich noch ein wenig aus. Die Sonne geht erst in ein paar Stunden auf."
Ein weiteres Mal griff ich in den Stoff seines Hemdes und zog ihn zu mir hin. Heute Nacht würde ich ihn besonders an meiner Seite brauchen... es war das erste Mal seit langem, dass ich erneut Angst davor hatte, meine Augen zu schließen. Als er sich hingelegt hatte kuschelte ich an ihn heran. Ich konnte die Faden seines Hemdes sehen, jede einzelne Drehung des Garns. Jede Faser, die nicht in dieser perfekten Drehung gefangen war. Ich schloss meine Augen. Das alles schien mir, selbst wo ich an so eine verrückte Welt gewöhnt war, doch mehr ein schlechter Traum zu sein.
Schlafen wäre vielleicht wirklich eine gute Idee.

Es war ruhig in Forks geworden, denn die Stille des Winters hatte sich auf den Wald gelegt, wie die so dicke Schneeschicht über das grüne Gras des Sommers. Sonst konnte ich immer die entfernten Vögel singen hören, doch heute schienen sie alle zu schweigen, es passte ein wenig zu der Stimmung in mir. Nach der vergangenen Nacht wach zu werden war, als hätte ich gar nicht erst geschlafen. Ich fühlte mich gerädert und schlecht. Irgendwie tat mir auch meine Schulter weh, meinem Gesicht ging es nicht viel besser.
Als ich meine Augen öffnete, war mein linkes Auge zugeschwollen. Zaghaft hob ich meine Hand an und berührte mein Jochbein. Ein stechender Schmerz durchzog mich. „Dein Jochbein ist gebrochen." Erklärte mein Mann meinen Schmerz. Langsam drehte ich meinen Kopf und blickte zu dem Eingang des Raumes. Carlisle lehnte ich der Tür und sah besorgt zu mir. Ich schlug die Decke beiseite und setzte mich auf die Bettkante. Ein weiterer Schmerz mischte sich zu dem in meinem Gesicht, als hätte man eiskaltes Wasser über mich ausgeschüttet. „Meine Schulter-" „Du bist aus dem Fenster gefallen."
Meine Hand legte sich auf meinen Bauch, ehe ich vollends aufstand. Für einen Moment schlich sich die Angst erneut in meinen Kopf, dass vielleicht wieder eine Fehlgeburt haben könnte... Schließlich war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch.
Carlisle kam auf mich zu. „Du musst dir keine Sorgen machen." Sanft strich er eine Strähne aus meinem Gesicht. Seine Worte ließen sofort einen warmen Regen auf mich niederfallen. Die Sekunden des Zweifelns waren schnell vorbei. Meine Hand ergriff seine. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. „Du brauchst meine Gedanken nicht zu lesen, du kennst mich einfach zu gut." Nun war er es der lächelte. „So langsam komme ich hinter deine Gedankengänge." Ein Kuss brannte auf meinem Scheitel. Der Schmerz, den ich beim Aufstehen verspürt hatte, war schnell in Vergessenheit geraten.
„Wir sollten noch in die Stadt gehen, solange ich mich und meine Narbe noch zeigen kann." Lächelte ich ihm entgegen. Die Leichtigkeit seiner Worte hatte mich beflügelt. Die Sorgenfalten auf seinem Gesicht waren ebenso verschwunden. „Findest du nicht... dass du momentan nicht Salonfähig bist?" Schmunzelte er. „Umso besser passt es zu der Narbe." Er schüttelte nur seinen Kopf. „Und außerdem habe ich Hunger. Also los jetzt." Sprach ich und verschwand im Badezimmer.
Unten hingegen, zeigte sich ein anderes Bild.
Jaspers Augen rissen sich augenblicklich weiter auf, doch lächelte ich noch immer. „Mir geht es gut." Sprach ich unbekümmert. „Es ist alles noch dran, was dran sein sollte. Ich habe nur ein blaues Auge." Ich knuffte ihn. „Das ist nicht das erste und wird auch nicht das letzte Mal sein, dass ich eins habe. Mit meinem Rudel hatte ich ständig Rangeleien, die etwas... ehm aus dem Ruder liefen. „Es hätte anders-"
Genervt rollte ich mit meinen Augen.
„Ich könnte auch morgen über die Straße gehen und von einem Truck umgenietet werden. Sicher ist diese Situation ein wenig... anders schließlich hast du keine Reifen... aber kann und will ich nun einmal nicht mehr ohne euch dieses mir fremdgewordene Leben leben. Es war ein Unfall, nichts daran trägt deine Schuld. Unfälle... so etwas passiert nun einmal hin und wieder. Doch das ist okay. Also mach dir bitte keine Sorgen, bis lang hat es doch immer gut funktioniert, das wird es auch weiterhin.
Und jetzt genug der Moralprädichten, denn ich gehe jetzt in die Stadt und werde mir eine große Packung Eis kaufen. Und Essiggurken. Vielleicht auch noch ein Steak." Sprach ich überlegend und griff meine Tasche ein wenig enger. Dennoch, als ich mit meinem Mann durch die Tür ging, war diese kalte Stimmung noch immer nicht verflogen.

The Colors of the WaterfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt