A beautiful lie

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Ich sah blaue Augen. Ein Wimpernschlag, eine Pupille, die sich an das Licht gewöhnte.
Sie spiegelte Angst wieder, doch wieso tat sie es?
Erneut ein Wimpernschlag.
Was wagen sie zu sehen, dass diese Augen der Furcht so nahe sind, wie ein Geliebter der Liebenden?
Ein Licht, was so grell und blendend erschien,
wie das Licht eines Scheinwerfers.
Die Zange, sei sie frisch aus der Glut genommen, sie vermöge mir nicht jenen Schmerz zuzufügen,
wie ich jener Sekunde empfand.
Das Gesicht zum stummen Schrei verformt, fühlte ich mein Leben weichen. Doch konnte ich jene Süße schmecken, die so manchen nachdem Tode suchen lässt.
Ein letzter Wimpernschlag,
ein letzter Sturz.
Meine Lungen wurden ihrer Luft beraubt, doch schaffte ich ein letztes Wort.
„Carlisle."
Eine stille Verzweiflung baute sich auf.

Mir war klar, dass dies gewiss mein Ende sein musste. Ich hatte so viel auf diesen einen Schachzug gelegt, dass ich ganz vergessen hatte, was die Vergänglichkeit bedeutet. Wenn man jeden Tag die Unsterblichkeit und Ewig sieht, mit ihr wandelt und lebt, vergisst man die eigene Sterblichkeit nur zu gerne.
Doch sah ich in diese blauen Augen und wurde meines Endes schmerzhaft bewusst gemacht. Sie zeigten mir auf, dass selbst der wahrhaftigste Mensch, dessen Augen noch so rein sind, sterben wird. Diese veilchenblauen Augen, sie schrien es mir erbarmungslos entgegen.
Die Schwärze, die mich einhüllte, ich kannte sie. Schon einmal war ich ihr entkommen, doch wo ich nun am Boden Heathrows lag und mit letzten Kraft meiner Lunge, den Namen meines Herzen wisperte, würde es in Ordnung für mich zu gehen.
Schließlich musste ich den Gedanken meines Sterbens annehmen. Ich wusste, dass kein Vampir auf einmal am heiligten Tag in London Heathrow aus der Menge sprang, mich in meiner Not sah und mein Blut sich nehmen würde. Zumal ich nicht wusste, ob es möglich wäre, wenngleich ich es auch gar nicht wollen würde.
Die Sterblichkeit war nichts schlimmes, dem man auf ewig entfliehen müsste. Sicher wäre schöner gewesen, die Ewigkeit auf meiner Seite zu wissen, so wie es mit dem Häuptling Taha Aki. Gerne hätte ich ein längeres Leben, aber mit wem könnte ich verhandeln? Es gebe keinen.
Das erste Mal kam mir der Gedanke, dass es einfacher wäre, loszulassen. Es ist Zeit, das Vergangene zu vergessen. Was zuletzt passiert ist, wegzuwischen. Zu kämpfen schien mir so ermüdend zu sein. Und wenn ich nun sterbe, so würden die Volturi ihn in Ruhe lassen, denn dann hätte er nicht mehr, was sie begehrten.
Mir wurde klar, dass die Süße des Todes so ähnlich war, wie der Duft Carlisles. Wahrscheinlich lag dies an seinem Sein. Vielleicht spielte mir aber auch mein einfältiger Verstand einfach nur ein letztes Spiel, damit im Sterben nicht alleine in einer Menge Fremder war. Es ist eine wunderschöne Lüge.
Für mich war das Sterben immer ein kurzer, einfacher Prozess gewesen, man fällt, man atmet ein letztes Mal, hört seinen letzten Herzschlag. Vielleicht sah man noch einmal seine schönsten Momente, die man erleben durfte. Jedenfalls hatte ich immer gehofft, dass es bei Mutter so gewesen war.
Aber hier irrte ich mich.
Eine zu wunderschöne Lüge, um daran glauben zu können.
Das Sterben war so viel schwieriger für mich.
Der Lärm um mich herum hörte nicht auf. Nein, er schien sogar noch mehr anzuschwellen. Ich konnte hören, wie die Menschen von allen Seiten her in den wildesten Sprachen zu schreien begannen. Sie waren jedoch alle samt in ihrer Panik vereint. Ich konnte ihre Blicke auf mir spüren. Jemand riss an meiner Schulter. Ein Schlag traf mein Gesicht. Und etwas brannte.
Meine Lungen wollten ihren Kampf noch nicht aufgeben. Wie ein Fisch, auf dem Trockenen schnappte ich nach Luft, kratzte mir hastig die Haut an meinem Hals blutig, aber auch dies war vergeblich. Das Rasseln meiner Kehle entmutige jedoch mein Herz nicht. Es schlug kräftiger, wenngleich auch weniger. Mit jedem Schlag versuchte es ein weiteres Mal zu zeigen, dass es noch nicht gehen wollte.
Wieso gab mein Körper nicht auf, wenn es doch für meinen Geist in Ordnung war zu gehen? Wieso musste er gegen das offensichtlich Unvermeidbare noch immer ankämpfen? Du dummes kleines Herz, wieso kämpfst du noch? Siehst du denn nicht, die weite Prärie, die nach uns ruft?
Meine Lippen formten immer wieder seinen Namen, auch wenn meine Stimme längst verklungen und vergessen war. Wo war die Luft geblieben, die ich zum Atmen brauchte? Ich hatte sie freiwillig hinter mir gelassen, weit weg in einem Wald, in den bald die Dunkelheit einfallen und ein Leben zerstören würde.
Bumbum Bumbum...
Bum... bum...
Bum...
Stille.

The Colors of the WaterfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt