If I never knew you

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Die Sonnenstrahlen fielen leise durch das Fenster hinein und kitzelten mich sanft wach. So öffnete ich meine Augen, nachdem ich sie einmal zusammen kniff, und blickte auf die Brust, die sich nicht mehr zum Atmen bewegen müsste. Dennoch hob und senkte sie sich bedächtig, eine alte Angewohnheit, wie er mir erklärt hatte. Es war ein Überbleibsel seiner einstigen Menschlichkeit. Etwas, das ihm half nicht aufzufallen. Carlisle hatte die ganze Nacht neben mir im Bett verbracht, auch wenn er es gar nicht musste. Es war ein so wundervolles Gefühl, dass er einfach nur da war. Mir war immer zu warm in meinem Bett, doch mit ihm an meiner Seite war es wunderbar. Noch nie hatte ich so gut geschlafen.

Sachte strich ich über eben jene entblößte kalte Brust, die so hart war, dass sie auch einer Statue gehören könnte. Erst jetzt erwachte der Arm aus seiner Starre, der um meine Hüfte gelegt ruhte, wieder zum Leben. Er zog mich näher zu ihm hin. Dieser Druck und diese feste Umarmung, sie gaben mir Sicherheit. Dieser Druck, der mir keine andere Wahl ließ, als mich einfach weiter an ihn anzuschmiegen. Ich hätte mich nicht gegen ihn wehren können, selbst wenn ich es gewollt hätte. Doch wieso sollte ich mich auch dagegen wehren? Es gäbe keinen Grund dafür.

So streckte ich mich, so gut es auch eben ging, seinem Gesicht entgegen. Carlisle, der ein Buch vor seinem Gesicht hatte, legte dieses beiseite und blickte zu mir. „Guten Morgen." Lächelte er mir entgegen. „Hey." Ich grinste und küsste seine kalte Haut. Alles an ihm forderte mich darauf auf, ihm nahe zu sein. Als wäre er eine wunderschöne Flamme und ich eine kleine Motte, die ihm schon längst verfallen war, ehe ich bevor wusste, was mit mir geschah. Es war meine Natur, die mich zu ihm hin zog. Genau wie die Motte zur Flamme. Doch würde mich Carlisle nicht verbrennen. Er würde alles dafür tun, um mich zu beschützen.

Meinen Kopf legte ich auf seiner Brust nieder. Früher hatte ich das auch gerne bei Paul gemacht, sein Herzschlag hatte mich immer beruhigt. In dieser Brust hingegen schlug kein Herz mehr. Vor Jahrhunderten hatte es seinen letzten Schlag getätigt und nun war es still in dem Brustkorb. Doch hier nun zu liegen und das leichte Glitzern seiner Haut zusehen, wo die Sonnenstrahlen seine Haut berührten, schien mich um so vieles mehr zu beruhigen. Dieses Glitzern war so viel intensiver, während das Funkeln von tausenden Diamanten nichts im Gegensatz dazu war.

„Morgen geht es los. Bist du schon nervös?" Fragte er mich, während ich erneut über seine blanke Haut strich, als könnte ich die kleinen Steinchen in seiner Haut ertasten. Doch waren es keine Edelsteine, die seine Haut zum Leuchten brachten. „Ein wenig." Gab ich zu.

Es war nichts zu fühlen, außer die perfekte, ebene Haut. Zwar hatte ich gute Augen, doch konnte ich auf ihr keinen Makel erkennen. Einzig allein konnte ich eine sichelförmige Narbe an seinem linken Schlüsselbein erkennen. Sie war kaum fünf Zentimeter von meinen Augen entfernt.

Er hatte mir schon vor Wochen die Geschichte erzählt, wie er verwandelt wurde. Vielleicht hat er es nicht so genau erzählt, wie er es bei den anderen getan hatte, weil er wusste, wie sehr es mich treffen würde. Mich verletzte der Gedanke, dass er sich Tage lang in diesem Keller verstecken musste... Carlisle war so lange alleine gewesen. Ich verteufelte diese unscheinbare, sichelförmige Narbe dafür, dass sie ihm so viel Leid bereitet hatte.

Doch...

Würde es sie nicht geben... hätte ich nie ihn kennengelernt. Wenn ich ihn nie getroffen hätte, hätte ich niemals diese Liebe empfunden. Mir wäre nie bewusst gewesen, wie wertvoll dieses Leben sein könnte. Wehmütig musste ich eine Weile an die Dekaden denken, die Carlisle wie meine Mutter alleine durch diese Welt streifte. Ob sie wohl gleich alt gewesen sind?

„Ich bin noch nie wirklich außerhalb von Washington gewesen... Bis auf einmal, wo wir mit Mutter zusammen nach Kalifornien gefahren sind. Das ist aber schon Jahre her... Ich kann mich nur noch kaum daran erinnern." Aus dem Augenwinkel sah ich hoch. Ich konnte mir vorstellen, was er sich dachte. Die meisten Menschen sahen einen dann so an.

The Colors of the WaterfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt