Prolog

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Meine nackten Füße machten bei jedem Schritt tapsende Geräusche, auf dem angenehm warmen Fußboden des Anwesens, in dem ich lebte. Doch trotz der Fußbodenheizung war mir eiskalt. Ich hatte einen schrecklichen Albtraum gehabt und wie immer wenn ich nachts aufwachte, waren meine Eltern nicht bei mir oder waren so erschöpft von der Arbeit, dass sie nicht wach wurden, wenn ich sie anstubste. Meinen Papa sah ich fast nie, außer wenn ich im Garten spielte. Der Garten war riesig und er war nicht der einzige, der daran arbeitete, denn die Hausherrin liebte ihre Blumen und alles musste perfekt sein. Und auch wenn er nicht im Garten die Blumen pflegen musste oder andere Gartenarbeit machte, wurde er in die Thermen geschickt, um in den Kellern direkt darunter die Öfen anzuschmeißen, damit das Wasser in den Becken schön warm wurde. Meine Mama putze den Tag über mit vier weiteren Frauen das gigantische Anwesen. Und wenn sie zufällig an mir vorbeikam, wenn ich spielte, oder lies, oder sonstiges, gab sie mir schnell einen Kuss und lächelte mich liebevoll an. Ich liebte meine Eltern, auch wenn sie wenig Zeit hatte. Aber dafür konnten sie nichts, denn sie waren Sklaven des Hauses Cornu und so gesehen war ich es damit auch, doch ich verwarf diesen Gedanken immer sofort wenn er kam. Ich konnte kein Sklave sein, denn ich war nicht wie die anderen Kinder die hier waren. Ich durfte tun was ich wollte, ich durfte die Thermen besuchen, in der Bibliothek lesen und mit der Herrin um dem Herr Speisen, während die anderen Kinder wie meine Eltern hart arbeiten mussten. Sie taten mir leid, doch ich konnte ihnen weder helfen, noch mich mit ihnen anfreunden, denn sie gingen mir aus dem Weg und wenn sie mich doch mal trafen, schauten sie mich hasserfüllt an und zischten gemeine Worte. Doch auch wenn es weh tat, nahm ich es ihnen nicht übel, denn ich hatte wirklich ein schönes Leben während ihre kleinen Körper von der harten Arbeit schon gezeichnet waren. Mit meinen fünf Jahren hatte ich schon erkannt, wie ungerecht die Welt war und dass ich den Göttern jeden Tag danken sollte, dass es mir so gut ging. Vor allem durch ihn, Lucius, dem Sprössling der Familie Cornu, ihr einziger Sohn und meinem besten Freund -und einziger. Er war zwar 9 Jahre älter als ich, doch das machte nichts. Ich liebte ihn von ganzem Herzen, er war wie ein großer Bruder für mich und ich wie eine kleine Schwester für ihn. Deshalb zögerte ich auch nicht, als ich vor einer edlen Tür stand und langsam die Klinge hinunterdrückte. Das Licht vom Flur fiel durch einen kleinen Spalt in das große Zimmer direkt auf sein schönes Gesicht. Er war wach, wie immer wenn ich zu ihm kam, auch wenn ich mich immer fragte, wieso das so war. Vielleicht wartete er darauf, dass ich kam und mich zu trösten wenn es mir schlecht ging. Seine strahlend blauen Augen leuchteten auf, als er mich sah und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, bevor er die Arme ausbreitete und ich sofort zu ihm lief und mich auf ihn warf. Das alles ging so schnell, dass die Tür erst zurück ins Schloss fiel, als ich schon angekuschelt in seinen Armen unter der dicken Decke lag. Meine grünen Augen trafen seine blauen und er gab mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn, bevor er mich nicht näher zu sich zog, bis mein Kopf auf seiner Brust lag. Ich hörte seinen Herzschlag und spürte seine Wärme, denn wie immer schlief er ohne T-Shirt. „Hast du wieder schlecht geschlafen?", fragte Lucius sanft und strich mir mit der Hand durch mein Haar. „Ja", erwiderte ich fast flüsternd. „Möchtest du drüber reden?" Ich schüttelte erst den Kopf, denn ich spürte schon, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten, doch es ging mir immer viel besser, wenn ich es erzählt hatte, meinen Tränen freien Lauf gelassen hatte und er mich dann getröstet hatte. Also erzählte ich es ihm doch: „Ich hab geträumt, ich verliere dich. Hab gesehen wie du, wie du..." Meine Stimme brach und nun liefen die Tränen über meine Wange auf seine Brust. Obwohl er erst vierzehn war, war er sehr trainiert und wahrscheinlich würde es nicht mehr so lange dauern, bis das Kindliche in seinen Zügen verschwand. „Alles wird gut", flüsterte er mir zu und tatsächlich beruhigte es mich, an sich eigentlich seine ganze Anwesenheit. „Ich hab gesehen wie du umgebracht wirst und dein Körper leblos zu Boden gefallen ist.", beendete ich meinen Satz und ein Schaudern durchfuhr mich als ich daran zurückdachte. Lucius drückte seine Lippen auf meinen Scheitel. „Aber ich bin hier und ich werde dich auch nie verlassen. Nur ein böser Traum." Seine Worte ließen mich wirklich besser fühlen und ich lächelte, obwohl ich wusste, dass es genau genommen nicht stimmte. Ich war schlau und las eine ganze Menge Bücher, nachdem Lucius mir das Lesen beigebracht hatte, genau wie das Schreiben. Deshalb wusste ich auch, dass Lucius nicht für immer bei mir bleiben konnte. So irgendwie schon, aber nicht mehr komplett. Denn er war der einzige Erbe des Anwesens seiner Eltern und diese wollten für ihn eine gute Partie finden, die der Familie Ehre und einen Erben bringt. Und natürlich eine ordentliche Mitgift. Doch bis das passierte, würde es hoffentlich noch sehr lange dauern. „Aurelia?" Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich richtete mich auf, um ihn anschauen zu können. Seine blonden Haare fielen ihm leicht ins Gesicht und ich strich sie zur Seite. „Du solltest jetzt schlafen. Es ist schon spät." Er lächelte und deutete mir an, dass ich mich wieder hinlegen sollte, nachdem er für einen kurzen Moment seine Lippen auf meine Stirn drückte. Ich lächelte, als ich mich wieder an ihn drückte, um seine Wärme aufzunehmen und seinem Herzschlag zu lauschen, dass wie immer schlug und fiel glücklich wieder in einen tiefen Schlaf.

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