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Lucius

Ich fühlte mich taub. Als wäre ich gar nicht Teil der Szene, die hier ablief. Als würde wer anders an meiner Stelle hier sitzen. Zumindest hoffte ich, dass das alles hier gar nicht mir passierte, sondern nur ein Traum war und wenn ich aufwachte, alles wieder wie immer wäre. Aurelia und ich. Doch eine warme Hand in meiner, verriet mir das Gegenteil. Ich versuchte sie auszublenden, doch es gelang mir nicht, da Lia mir direkt gegenüber saß und ich mir nicht vorstellen konnte, es wäre Lias. Es war nicht ihre kleine, weiche Hand, die ich schon immer in meiner gehalten hatte, sondern die einer anderen Frau, die sich versuchte zwischen uns zu drängen. Lias Hände fühlten sich ganz anders an. Vertrauter, beruhigend und einfach perfekt. Als Lia ein Baby war, griff sie stehts nach meinem Finger und hielt ihn ganz dolle fest und guckte mich aus ihren großen Augen an, dass ich dieses kleine Geschöpf einfach nur in Herz schließen konnte. Von der ersten Sekunde bis jetzt, hat sich nichts an diesem Gefühl verändert, außer, dass es immer stärker wurde. Doch nun sah Lia so traurig aus, dass es mein Herz in tausend Stücke zersplittern ließ. Ihre Augen waren auf ihre Hände gerichtet, die in ihrem Schoss ruhten und sie wirkte so klein und zerbrechlich, gerade neben Caius, der sie ebenfalls anblickte und dessen Gesicht wieder sein charmantes lächeln zierte, die mich jedes mal wieder an diesen einen Moment zurück warf, an dem ich ihn für immer aus unserem Leben verbannen wollte. Das gleiche verdammte lächeln, als ich damals in mein Zimmer kam und ihn über Lia thronen gesehen hatte, während sie schluchzte. Er hatte mich erst gar nicht bemerkt, so gebannt hat er auf Lia heruntergeblickt, seine Hände um ihre Handgelenke geschlungen, doch als ich ihn schließlich von meiner Lia weggezerrt hatte, legte er das selbe lächeln auf, mit dem er schon immer jeden um den Finger wickeln konnte und erklärte mir, dass er einfach nicht anders konnte. Lia wäre einfach zu hübsch geworden, aber sie wäre ja eh nur für diesen Zweck. Wir wären doch beste Freunde, teilen wir nicht auch sonst alles?

Warum, warum verdammt, war er wieder da? Warum war er wieder in unserem Leben und wollte sich durch seine Schwester nun ewig an diese Familie binden? Alles für Rache? Oder doch eher für Lia? Ich war ja nicht dumm, mir ist schon damals aufgefallen, dass er sie mochte. Caius kannte sie ähnlich lange wie ich selber und im Gegensatz zu Latavia, die nachdem Lia geboren wurde, nie wieder hierher kam, verbrachten Caius, Aurelia und ich ständig die Zeit miteinander. Aber warum hätte er ihr dann so etwas antun sollen? Das ergab doch keinen Sinn, oder? Allerdings, würde er seine Schwester wirklich an mich verheiraten, nur um mir eins auszuwischen? Was plante er bloß? Ich musste vorsichtig sein. Ich musste Lia beschützen. Latavia war zwar recht freundlich zu ihr gewesen, doch sie war immer noch seine Schwester und ich vertraute ihr nicht ein Stück. Niemals würde ich jemand anderen so sehr Vertrauen wie meiner Prinzessin. Sie wird für immer das wichtigste in meinem Leben bleiben. Selbst wenn das Ganze nur dazu dienen sollte uns auseinander zu bringen, würde Caius das niemals schaffen. Nicht Mal so eine schwachsinnige Hochzeit könnte verhindern, dass ich meine Zeit mit Lia verbringen werde. Soll Lati sich doch damit abfinden, dass sie nie an erster Stelle kommen wird und ob sie will oder nicht, ich Aurelia bei mir schlafen lasse und Latavia nur in mein Bett lassen würde, wenn es nötig ist. Immerhin hätte sie das ihrem Bruder und nicht mir zuzuschreiben. Ich hätte niemals zugestimmt zu heiraten, wenn mein Vater, mich nicht unter Druck gesetzt hätte. Meine Pflichten sind mir zwar wichtig, aber es gibt nichts wichtigeres als Lia.

Meine „Verlobte" redete angeregt mit meiner Mutter, doch ich konnte mich nicht darauf konzentrieren dem Gespräch zu folgen, ich konnte an nichts anderes als an Aurelia denken. Ich musste dringend mit ihr reden und sie aus dieser Situation holen. Caius kam ihr zwar nicht zu nahe und dennoch spürte ich wie sie litt. Ich konnte an nichts anderes denken als daran.

"Liebling?" Latavias Stimme ertönte neben mir, scheinbar hatte ich etwas wichtiges verpasst und schweren Herzen löste ich meinen Blick und richtet einen teil meine Aufmerksamkeit auf Latavia, auch wenn ich Lia im Augenwinkel weiterhin im betrachtete. Ich konnte Lia einfach nicht komplett alleine lassen. Ich traute Caius alles zu.

"Was gibt es?" Ich versuchte unbekümmert zu klingen, doch meine Stimme klang etwas erschöpft, von meinem durchgehend Kopfzerbrechen.

"Wir besprachen grade wann die Hochzeit stattfinden soll."

"Entscheide du ruhig." Ich zwang mich zu einem lächeln, zumindest in Gegenwart meiner Eltern musste ich diese rolle spielen. Dennoch sah ich wie Aurelia zuckte zusammen und als ich meinen Blick wieder zu ihr richtete, hob sie endlich den Kopf.  Ihr Blick verfing sich in meinen und ich sah die Traurigkeit in ihren Augen, die sonst immer so vor Fröhlichkeit gefunkelt haben. Jetzt waren sie trüb und auch sie wirkte, als wäre sie vollkommen neben sich.

"Am liebsten so schnell wie möglich, findest du nicht auch?"

Ich seufzte innerlich, allerdings wurde ich um eine Antwort gebracht, da Mutter auf Latavias Worte hin, voller Freude erwiderte, wie wundervoll das wäre.

"Ist das auch in Ordnung für dich?" Ihre Finger glitten zu meiner Wange und zwangen mich damit, erneut meine Augen von Aurelia zu nehmen. Ihre Stimme war so sanft wie früher, aber sie löste nichts in mir aus, ebenso wenig wie ihre Berührung.

"Natürlich."

"Wie wunderbar. Ich freu mich schon so darauf", ertönte auf einmal Caius Stimme durch den Raum und hätte Latis Hand mich nicht noch immer festgehalten, hätte ich ihm sofort voller Hass angeguckt, bevor ich mir Lia einfach geschnappt und diese merkwürdige Runde verlassen hätte.

"Ja das wird einfach wundervoll", pflichtete seine Schwester ihm bei während sie mir tief in die Augen blickte, mit demselben karamelfarbenden Augen, wie ihr Bruder und bevor ich überhaupt reagieren konnte, legten sich ihre Lippen auf meine. Es ging alles zu schnell, ich hörte nur noch wie jemand aufsprang und hinaus lief, bevor Latavia sich auch schon wieder von mir löste und mich mit rosa gefärbten Wangen anlächelte.

"Ich konnte einfach nicht mehr warten", flüsterte sie leise, doch ich hörte kaum hin. Mein Kopf schoss zu Aurelia. Oder besser gesagt dem Platz, an dem sie vor vielleicht fünf Sekunden noch gesessen hat.

"Dieses Mädchen wird langsam wirklich zu einem Problem. Ich habe vorher noch nie von Sklaven gehört, die sich in ihre Gebieter verliebt haben. Du hast sie nicht unter Kontrolle, Lucius" ,ergriff Mutter das Wort, nachdem sie meinem Blick gefolgt war. "Du hast sie verwöhnt! Andere Sklaven würden sich nicht erlauben ohne Erlaubnis einfach aufzustehen, zumindest nicht wenn sie nicht bestraft werden wollen."

"Es tut mir leid Mutter. Ich werde sie zurechtweisen." Ich wollte grade aufstehen und zur Tür gehen, als Mutter Stimme erneut durch die Luft schnitt. "Lucius Cornu! Wir sind hier noch nicht fertig! Das ist sehr unhöflich deiner Verlobten gegenüber und genau das Gegenteil von dem was ich dir gerade mitteilen wollte. Du darfst nicht immer springen, nur weil sie es will! Und wenn sie dir scheinbar so schadet, dass du dich nicht mehr auf deine Pflichten konzentrieren kannst, dann bist du wohl zu lieb für so etwas. Ich weiß, Aurelia ist hübsch geworden, aber Benimm dich!" Die Drohung verklang leise, ohne das sie zu ende gesprochen wurde. Aurelia ist hübsch geworden, es würde uns nicht schwer fallen, sie verkauft zu bekommen. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und es fühlte sich an würde mir die Luft zugedrückt werden. Lia war mein wunder Punkt. Mutter wusste genau, was ich fühlte und wie sie genau das gegen mich einsetzten konnte und so ließ ich mich zurück in den Sitz fallen. Ich durfte Lia einfach nicht verlieren. Wäre sie erstmal verkauft, würde ich sie nie wieder sehen. Ich hatte verloren. Ich konnte es nicht verhindern, wurde mir schmerzhaft bewusst und als Caius sich dann wie selbstverständlich verabschiedete und ebenfalls hinausging, wünschte ich, ich wäre nie nach Hause zurück gekehrt, sondern mit Lia für immer verschwunden.



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