Aurelia
Die Worte sickerten nur langsam in meinem noch müden Verstand und ich blinzelte einige Male, in der Erwartung, ich hätte mich verhört. Doch ich hatte nichts falsch verstanden. Lucius würde heiraten. Er würde einfach heiraten. Es fühlte sich an als wäre ein Messer durch mein Herz gejagt wurden und ich zuckte automatisch von Lucius zurück. Ich wusste ja immer das es passieren würde, aber ich hatte dennoch nicht damit gerechnet. Ich dachte ich hätte noch Zeit, so viel Zeit, doch ich hatte mich getäuscht. Die Zeit war abgelaufen.
„Lia...", setzte Lucius an, doch ich unterbrach ihn sofort.
„Wie lange weißt du es schon?" ,fragte ich stattdessen und versuchte meine Stimme fest klingen zu lassen. Tränen würden sowieso nichts bringen, also schluckte ich meine Trauer so gut es ging herunter und spürte stattdessen wie Wut mein Blut zum Kochen brachte, als alle Empfindungen auf einmal über mir hereinbrachen."Erst seit gestern."
"Erst? Und warum hab ich es dann nicht gestern erfahren? Nein! Stattdessen bringst du mich hier, sagst du liebst mich, verwöhnst mich und vor allem schläfst mit mir, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren?" Meine Stimme wurde immer lauter. Ich hatte mich gestern so geborgen gefühlt, als könnten wir zusammen alles schaffen. Ich hatte meine Gefühle, die immer schon in mir ruhten, auch wenn ich es nicht bemerkt hatte, endlich freien lauf lassen dürfen. Ich bin eins mit dem Mann geworden, der mit mehr bedeutete als mein eigenes Leben, doch ich war so dumm. So dumm! Hatte ich wirklich gedacht, es könnte sich dadurch irgendetwas an der Konstellation, in der wir uns befanden, verändern? Es hatte sie nur noch weiter bestätigt und ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, benutzt wurden zu sein. Ich stand auf und schlüpfte in meine Kleider, die mir ein leichtes Gefühl des Schutzes zurück gaben, bevor ich mich wieder Lucius zu wandte und ihn abwartend anblickte
"Ich wollte gestern einfach den Tag mit dir verbringen, ohne, dass negative Gedanken es überschatten. Lia, ich will das doch genau so wenig wie du, ich konnte nichts tun."
"Wolltest du wirklich einfach nur Zeit mit mir verbringen oder hast du es einfach nicht ertragen, die Nacht dort zu verbringen, mit der Last, die plötzlich auf dir lag?"
"Aurelia, was redest du denn da? Natürlich wollte ich bei dir sein, in so einem Moment aber auch den Kopf frei kriegen. Es ist auch nicht leicht für mich, vergiss das nicht!"
Lucius fuhr sich durch die Haare und schaute mich dabei so verzweifelt an, dass ich nur noch wütender wurde. Er war Reich, hatte Einfluss, man kannte den Namen Cornu einfach. Er war der einzige Nachkomme, der Stolz seiner Eltern. Er hätte sicherlich die Möglichkeiten gehabt, sich zu wehren.
"Du bist kein Kind mehr, Lucius. Also verhalt dich nicht wie eins! Sobald dir etwas zu viel wird, rennst du weg und tobst dich irgendwo aus! So war es doch schon immer. Und so war es gestern doch auch."
Der Schmerz der durch meine Venen gepumpt wurde, wurde immer schlimmer und ich spürte wie die Wut langsam nachließ und der Trauer platz machte. Doch ich wollte das nicht, ich wollte nicht vor Lucius weinen. Nicht in so einem Moment. Ich fühlte mich in meiner Ehre beschmutzt. Wie benutzt und weggeworfen. Wie die Sklavin, die ich war.
"Lia, beruhig dich. Lass es mir doch erklären." Setzte Lucius an, doch ich konnte nicht. Ich konnte es einfach nicht. Ich wollte nicht hören welche Frau, meinen Platz an seiner Seite für immer ersetzten würde. Ich wollte nicht hören, dass er es selbst nicht wollte. Ich wollte seine Stimme nicht hören. Schneller als Lucius reagieren konnte, riss ich die Tür auf und eilte die Treppe herunter ins freie. Ich konnte an nichts anderes denken. Ich wollte nur weg von ihm, von seinen warmen Händen, seiner Stimme und seinen wunderschönen Augen, die mir so vertraut waren, von diesem Ausflug. Weg von dieser Hochzeit. Einfach weg. Weit weg. Ich wollte nicht an Lucius denken, doch das Bild von einer wunderschönen Frau, die mit ihm vor den Altar tritt, die er küsst und umsorgt und die er so verliebt anguckt, wie mich, drängten sich immer wieder in meine Gedanken. Er würde mich ersetzten. Er würde mich vergessen. Ich achtete nicht darauf wo ich lang lief. Es hatte sowieso keinen Sinn. Der Boden war uneben und steinig, doch ich spürte den Schmerz an meinen nackten Füßen kaum. Ich war zu abgelenkt. Ich lief und lief, bis mir die Lunge brannte. Ich war in einen Wald gelaufen. Wie ironisch. Gestern hatte ich noch darüber nachgedacht, wie gerne ich mal durch einem wandern würde, doch heute hatte dieser Ort nichts magisches. Er wirkte kalt und düster, wie meine Gedanken. Ich ließ mich an einem der Baumstämme herunter gleiten und schloss die Augen. Bloß das Rauschen der Blätter war zu hören. Sonst nichts. Keine Schritte. Auch wenn ich nichts anderes wollte, als von ihm weg zukommen, hatte ich trotzdem gehofft das Lucius mir hinterher lief und mich in Arm nahm, mir sagte, dass er alles versuchen würde, um diesen Hochzeit zu verhindern, weil er doch nur mich liebt. Doch ich war allein. Alleine, erneut alleine und bald für immer. Ich wollte nicht zurück gehen, zurück in dieses Haus, doch etwas anderes konnte ich auch nicht tun. Ich war nichts Wert, ich war eine Sklavin und damit auf der gleichen Stufe, wie Tiere. Meine Finger fuhren zu meinem linken Ohr, und fuhren die fein geschwungene Linie entlang, der mich als das kennzeichnete, was ich war. Ein kleines S, kunstvoll gestalten, doch in der Bedeutung das selbe, wie bei allen anderen Sklaven. Tränen liefen mir über die Wange. Es tat so weh. Ich wollte Lucius nicht verlieren. Er war mein Leben und es würde keinen Sinn mehr machen, wenn er daraus verschwand. Wann war alles nur so kompliziert geworden? Warum konnte es nicht mehr so sein, wie damals, wo wir beide nur Kinder waren, die keine Ahnung davon hatten, was alles passieren würde, die sich einfach geliebt haben und in ihrer eigenen kleinen Welt gelebt haben. Ich hatte mich noch nie zuvor mit Lucius gestritten, wir konnten immer alles klären. Doch das war einfach zu viel. Wie soll man so etwas klären? Ich hatte verloren. Endgültig. Schuldgefühle nagten an mir und die kühle Luft ließ mich frösteln. Ich wusste nicht wie lang ich hier schon saß, doch ich konnte nicht gehen. Meine Gedanken spielten verrückt und ich wusste nicht was ich tun sollte. Bis ich Stimmen vernahm.
Mein Kopf schleuderte nach oben und meine Augen weiteten sich. Zwei Männer, etwas älter als Lucius schätzte ich, standen vor mir und blickten auf mich herunter,
Sie musterten mich, bevor mir einer eine Hand hinhielt.
"Was treibst du dich denn im Wald herum? Es ist hier gefährlich Mädchen.", meinte der eine und ich schluckte. Sie waren groß und stark und machten mir irgendwie Angst. Ich mochte fremde Männer nicht wirklich.
"Hast dich sicherlich verlaufen oder? Wir zeigen dir gern den Weg zurück in die Stadt. Komm."
Unsicher ergriff ich die Hand des Fremden und wurde auf die Beine gezogen. Ich fühlte mich wackelig, doch ich zwang mich zu einem lächeln, als ich mir den Dreck vom Kleid klopfte. Ich blickte mich um, der Wald war dicht und ich wusste nicht mehr wie ich hierher gelangt war.
"Ja hab ich. Es wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen."
"Das machen wir doch gern.", erwiderte der eine und ich betete, dass der Weg nicht all zulang war. Ein ungutes Gefühl bereitete sich in mir aus, was ich nicht beschreiben konnte. Doch ich versuchte es einfach zu unterdrücken und schwieg während die Männer irgendwelche Geschichten zum besten gaben, die mich nicht interessieren. Ich wollte hier nicht sein. Ich wollte zu Lucius. Nur zu ihm.
"Wie heißt du eigentlich, Süße?", riss die Stimme des Fremden mich erneut aus meinen Gedanken. "Und wo sollen wir dich denn eigentlich hinbringen?"
Es gefiel mir nicht, dass er mich so nannte, doch ich wusste nicht, wie ich aus dieser Situation herauskommen sollte.
"Ich heiß Aurelia. Ich muss zurück zum Gasthof, mein Freund wartet dort auf mich." ,antwortete ich ruhig und hoffte, dass sie verstanden, dass ich kein Interesse verspürte.
"Warum ist er denn dort und du hier?" ,fragte der andere, doch ich zuckte nur mit den Schultern.
"Habt ihr euch etwa gestritten?",fuhr er fort. "Du musst auch nicht zu ihm zurück, wenn du nicht willst."
"Wir haben uns nicht gestritten!" , behauptete ich obwohl er genau genommen ins schwarze getroffen hatte. Das gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. "Ich glaub von hier aus schaffe ich es alleine zurück. Danke für die Hilfe." Ich lächelte den beiden noch einmal zu, bevor ich mich umdrehte und weiter gehen wollte. Der Wald schien nicht mehr so dicht zu sein und ich meinte aus weiter Ferne das treiben der Stadt zu hören. Ich wollte zurück und mich bei Lucius entschuldigen. Ihn einfach wieder umarmen. Doch ich kam nicht weit, als eine Hand nach meinem Arm griff, mich festhielt und meine Haare zur Seite strich.
"Wusste ich es doch." ,meinte einer der Männer.
"Eine Sklavin. Irgendwas erschien mir gleich komisch an der Kleinen."
Ich wurde herumgewirbelt.
"Bist du etwa weggelaufen? Weißt du was mit Sklaven wie dir passiert?" Er stand nah an mir. Zu nah.
"Sie ist sicherlich viel Wert.", erwiderte der andere.
"Hast recht. Das Zeichen sieht hochwertig aus. Gutes Haus und sehr hübsch."
"Lass uns sie mitnehmen! Bringt sicherlich viel."
Geschockt blickte ich die beiden an, die mich an grinsten. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich versuchte mich loszureißen. Doch ich hatte keine Chance. Sie waren zu Zweit und stärker als ich. Ein Schauer durchfuhr mich, als ich bemerkte wie aussichtslos diese Situation war. Wo war ich hier nur hineingeraten? Verzweifelung machte sich in mir breit.
"Lass mich los!", zischte ich, doch die beiden lachten nur.
"Wieso? Du bist nur ein Sklavin. Meinst du irgendwer kommt um dich zu retten?"
Nein. Sicherlich würde niemand kommen. Lucius wusste nicht wo ich war. Vielleicht war es ihm ja auch egal und ich hatte mich getäuscht. Ich wusste es nicht und es was auch mehr ein Reflex als ich den Mund aufriss und so laut schrie wie ich konnte.
DU LIEST GERADE
Du gehörst mir!
RandomSeit Aurelia denken kann, ist er an ihrer Seite. Er ist ihr bester Freund, wie ein Bruder für sie. Doch Aurelia ist für etwas anderes bestimmt und das weiß er auch. Denn Aurelia ist das Kind zweier Sklaven des Hauses Cornu, das Haus seiner Eltern un...