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Aurelia

Lucius Worte sickerten nur langsam in mein Bewusstsein, doch als es geschehen war, erfüllte ein Gefühl mich, was ich noch nie zuvor hatte. Lucius war immer mein Fels in der Brandung, mein engster Freund, der wichtigste Mensch in meinem Leben und ich dachte immer er würde genau so fühlen. Doch mein kleines perfektes Leben an seiner Seite, all die unbekümmerten Momente, die wir zusammen hatten, zerbrachen durch seine Worte und die Scherben schienen etwas in mir zu zerschneiden. Ich fühlte keine Trauer, keine Wut mehr. Ich hatte mich scheinbar in Lucius getäuscht, doch ich würde keine Schwäche zeigen. Er sollte kein Gefühl mehr von mir bekommen, denn irgendwas zerstörten seine Worte in mir und eine leere erfüllte nun meinen Körper, die jedes Gefühl aufzusaugen schien. Eine plötzliche Erschöpfung machte sich in mir breit. Ich hörte auf mich zu wehren.

"Dann tue es. Benutz mich. Mach mich zu deinem Spielzeug und zerstöre das Mädchen, das du aufgezogen hast immer weiter. Bis es verschwunden ist."

Danach blickte ich hinab, ich wollte ihn nicht sehen. Ich wollte ihm nicht mehr in die Augen gucken. Er sollte einfach verschwinden. Mich alleine lassen. Diese unangenehme Leere breitete ich immer weiter aus und wollte sich auch in mein Herz hinein fressen. Doch der Druck auf meine Handgelenke ließ auf einmal nach, Lucius sprang auf und lief aus meinem Zimmer. Die Tür knallte hinter ihm zu und ich saß allein in der Dunkelheit. Allein. Ich hasste dieses Gefühl. Ich hatte es schon immer gehasst. Allein, ungeliebt, ungebraucht. Die Worte halten immer und immer wieder in meinem Kopf, bis sie mich fast bis zum Wahnsinn trieben. Etwas schien auf meine Brust zu drücken und mir die Luft abzuschneiden. Nun wurde die Leere doch von einem Gefühl übermahnt, das alles einnahm. Ein Gefühl das pechschwarz zu sein schien und mein ganzes Bewusstsein verdunkelte. Alle meine Gedanken betrübte und mich so hilflos machte. Ich schnappte nach Luft. Das Atmen fiel mir plötzlich so schwer und ich ließ mich zur Seite fallen um den Kopf in mein Kissen zu vergraben. Eine leise bösartige Stimme, flüsterte mir immer wieder etwas zu, dass ich absolut nicht hören wollte: "Er liebt dich nicht. Du bedeutest ihm nicht. Du bist es nicht wert. Er ist zu gut für dich. Lucius würde eine Sklavin wie dich nie lieben. Niemals." Immer und immer wieder. Er liebte mich nicht. Es tat so unfassbar weh, es zu wissen, selbst wenn ich immer damit gerechnet hatte. Der Schmerz, der mich übermahnt hatte, wurde immer stärker, je öfter diese vier Worte durch meinen Kopf halten. Ich hatte noch nie so etwas gespürt. Es fühlte sich an als würde ich zerreißen und ich drückte den Kopf noch enger ins Kissen als ich anfing zu schreien. Ich schrie und weinte. Kämpfte gegen dieses Gefühl an das mich übermahnte.

Und plötzlich war ich an einem anderen Ort. Mein Zimmer, mein Bett, das Kissen. Alles war weg. Ich stand auf einer Wiese, voller wunderschöner Blumen in allen Farben des Regenbogens. Ein sanfter, warmer Wind erfasste mich und ließ mir meine Haare leicht ins Gesicht fallen. Vögel zwitscherten und in der Mitte der Wiese stand ein gigantischer Baum, der mich mit absoluter Ruhe erfüllte. Langsam näherte ich mich ihm, fuhr langsam mit meiner Hand über die raue Rinde bevor ich mich an dem Stamm herunter gleiten ließ und meinen Oberkörper an ihm lehnte. Ich schloss die Augen, genoss diese Ruhe, die mich umgab. Und obwohl mich das Alleinsein sonst ängstigte, war diese Art des Alleinseins nicht ein bisschen unangenehm. Es war schön, so könnte es für immer bleiben, dachte ich. Frei von Ängsten, frei von Erwartungen und Ansprüchen. Ist so der Himmel? Aber ich war nicht Tod. Wie sollte ich gestorben sein. Ich lag ja nur in meinem Bett. Doch ich wollte nicht darüber nachdenken, dieser Ort fegte jedes negative Gefühl hinfort und sofort füllte sich mein Kopf einfach nur wieder mit Glückseligkeit, statt mit irgendwelchen Fragen, die ich eh nicht lösen konnte. Ich wusste nicht wie lange ich so saß, doch als ich erneut die Augen öffnete, bemerkte ich sofort, dass sich etwas verändert hatte. Die Vögel hatten aufgehört ihre Melodien zu singen und es war kühler geworden. Ich sprang auf, von einer plötzlichen Unruhe ergriffen und schaute mich um. In weiter Ferne waren dunkle Wolken zu sehen, doch sie näherten sich immer schneller meinem kleinen ruhigen Ort und dann waren sie direkt über mir und verwandelten die Wiese in etwas Unheimliches. Diese kleine idyllische Welt zerbrach, innerhalb eines Augenblickes, ohne, dass ich etwas tun konnte. Regen klatschte mir ins Gesicht und auf einmal war ich wieder von Dunkelheit umgeben. Sie schien sich dickflüssig auf meine Haut zu legen und mich immer weiter runterzudrücken. Als wäre ich nachts in einen See gefallen und das pechschwarze Wasser zog mich immer tiefer, hinab zum Grund. Ich versuchte dagegen anzukämpfen. Zurück ans Ufer zu gelangen, doch ich sah nichts und das Wasser schien nicht vorzuhaben mich gehen zulassen. Langsam wurde mein Körper schwach und noch immer hatte ich kein sicheres Ufer erreicht. Ich wollte grade aufgeben, mich der Dunkelheit hingeben und auf den Grund sinken als eine Stimme ertönte. So wunderschön und vertraut, dass ich sie sofort erkannte. Lucius. "Verdammt, wach auf.", sagte er laut und ich drehte schnell den Kopf hin und her um zu sehen wo er war, doch noch immer war alles Schwarz. Ich nahm meine letzte Kraft zusammen und schrie so laut ich konnte, seinen Namen. Ich wollte ihn noch einmal sehen, bevor ich ertrank. Einmal sein mir so vertrautes Gesicht sehen und mit meiner Hand über seine Wange fahren. Denn ich liebte ihn, mehr als alles andere. Noch immer, obwohl ich für ihn nichts bedeutete. Ich war ihm so unfassbar dankbar. Er war immer da und hat mein Leben bis jetzt wunderschön gemacht. War es dann so verkehrt, ihm das zu geben, was er von mir wollte? Ein Spielzeug für ihn zu sein? Hatte ich mich falsch entschieden? Ich wusste es nicht. Ich wollte doch immer nur, dass er glücklich war. Doch jetzt war es zu spät. Seine Stimme war nur noch ein flüstern und ich spürte etwas Hartes, woraufhin sich ein stechender Schmerz durch meinen Rücken zog und ich einen unfassbaren Druck auf meiner Brust spürte. Das war das Ende, ich war auf dem Grund angekommen. Ich wusste nicht was, dass alles zu bedeuten hatte. War das nun der Tod? Ich verdrängte den Gedanken. Meine Lunge schmerzte zu sehr, sie versuchten zu Atmen, doch wie sollte das gehen unter Wasser? Der Druck nahm zu und nun drückte sich auch etwas auf meine Lippen. Plötzlich spürte ich wie Luft meine Körper erfüllte und ich gefühlt tonnenweise Wasser ausspuckte. Ich riss die Augen auf und musste sie sofort wieder zu kneifen. Zu hell war das Licht, dass mich auf einmal wieder umgab. "Du lebst.", flüsterte jemand leise, nah an meinem Gesicht und heiße Tropfen fielen auf meine Wangen. Als ich meine Augen erneut öffnete, sah ich Lucius, über mich gebeugt war. Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und weinte. Warum weinte er? Ich war so durcheinander. Ein zittern durch fuhr mich. Mir war so unfassbar kalt. Und die Augen offen zu halten, war so unfassbar anstrengend. Sie fielen mir einfach wieder zu. Und das letzte was ich hörte war, dass Lucius laut nein schrie bevor ich wieder von Dunkelheit umgeben war.

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