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Lucius

Ich würde Lias Stimme unter tausenden erkennen und als ich ihren Schrei meines Namen hörte, konnte ich nicht anders, als mich sofort zu ihr um zu drehen und ich spürte, wie mein Herz begann zu schmerzen. Lia rannte auf uns zu und sah dabei, wie immer so wunderschön aus, dass ich Lati beinahe vergaß. Stattdessen stahl sich ein lächeln auf meine Lippen, so ehrlich aus den tiefen meines Herzens, dass ich es nicht unterdrücke konnte. Lia erreichte uns und schlang ihre Arme sofort so fest um mich, dass mein Herz kurz aussetzte. Allerdings nicht nur, weil es mich immer wieder glücklich machte, wenn sie bei mir war, sondern auch, weil ich aus dem Augenwinkel sah, wie Latavia das Gesicht verzog. Es war nur ein kurzer Moment, doch ich hatte es gesehen und es gefiel mir gar nicht. Klar Lati war nicht Caius. Sie war ein viel liebevollerer Mensch. Aber konnte ich mir da wirklich so sicher sein, wie ich dachte? 

Doch ich konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn Aurelia schaute zu mir auf und ich versank in ihren grünen Augen, dass alles andere vergessen schien. Sie sah so unfassbar traurig aus, dass ich sofort begann mir Sorgen zu machen. Aber gleichzeitig spiegelte sich auch eine Entschlossenheit wieder, die ich so noch nie bei ihr gesehen hatte. Lia hatte nie sonderlich gegen irgendetwas rebelliert, weil sie dazu auch nie einen Grund hatte. Es ging ihr immer blendend und sie wusste, was es bedeuten könnte, wenn sie sich gegen irgendwas auflehnte. Diese Entschlossenheit hier allerdings verwirrte mich. Was hatte es zu bedeuten? 

"Lia, was ist passiert?", flüsterte ich ihr zu und ich konnte die Sorge, die mit schwang nicht verbergen. Es ging einfach nicht. Dafür war Lia einfach zu lange an meiner Seite, als dass ich mich nicht ständig um sie Sorgen würde. Und dennoch...

"Was ist los? Was hat er getan?" Ich versuche immer noch ruhig zu bleiben, aber ich spürte die alt bekannte Wut in mir hochsteigen. Aber Lia schüttelte nur den Kopf.

"Nichts", flüsterte sie leise. "Ich kann nicht. Ich muss mir dir reden." Erneut wirkte sie so fest entschlossen, dass ich ein ungutes Gefühl bekam. 

Lia, was tust du da?

"Tut mir wirklich leid. Es ist sehr wichtig", richtete meine Prinzessin nun an Latavia, die wieder so fröhlich lächelte, als wäre gar nichts. Ich konnte Lia noch nie ein Wunsch abschlagen, aber verdammt, weiß sie eigentlich, was sie da tut? Alles was ich immer wollte, war es Aurelia zu beschützen und nun begibt sie sich so sinnlos in Gefahr?

Ich spürte Latis fragenden Blick auf mir, obwohl ich mir sicher war, dass sie schon wusste, wie ich antworte und das es ihr nicht gefallen würde.

"Tut mir leid, Latavia. Ich bin gleich wieder da. Aber es scheint etwas zu geben, was ich überprüfen muss", versuchte ich es zu retten.

Lati legte ihre Hand auf meinen Arm und lächelte mich auffordernd an. "Natürlich, Lucius. Wir haben ja noch so viel Zeit zusammen. Geh ruhig. Wir sehen uns ja gleich wieder."

"Danke sehr." 

"Auch von mir. Und bitte noch einmal, Verzeihung." Lia lächelte Latavia ebenso  freundlich an, wie diese sie. Doch bei beiden sah man ganz eindeutig, dass es nicht der Wahrheit entsprach, sondern bloß eine Fassade war. Aurelia nahm meine Hand und ein Kribbeln entstand, so viel intensiver, als jede von Latavias Berührung zusammen und auf einmal fühlte sich alles wieder richtig an. 

Aurelia zog mich bis zum Anwesen, bevor ich sie endlich stoppen konnte.

"Lia, was ist denn in dich gefahren?" ,fuhr ich sie etwas zu sehr an. Aber bei den Göttern, wie konnte sie nur so etwas leichtsinniges tun. Ich hätte nicht mit kommen dürfen. Verdammt. Ich würde mir es nie verzeihen können wenn...

"Lucius. Ich liebe dich. Ich kann es nicht ertragen, dich mit jemanden anderen zu sehen" ,unterbricht Aurelia meine Gedanken und ihre Worte sind wie Stiche in mein Herz. 

"Gott, Prinzessin." Meine Wut war verflogen. Stattdessen legte ich meine Hände um ihr Gesicht "Ich liebe dich so sehr, dass es schmerzt. Es tut mir so unendlich leid. Ich hätte nie zurück kehren sollen." Die Erkenntnis traf mich, viel stärker als ich dachte, als ich die Wahrheit, die schon so lange in meinem Herzen herum gesponnen hat, endlich ausgesprochen hatte.  

"Lucius." Ihre Stimme war eine Mischung aus Schmerz und Glück. Verlust und Freude. Und ich war dafür verantwortlich. "Du bist mein Leben. ich werde dich nicht teilen." Mit diesen Worten beugte Lia sich vor und presste ihre weichen Lippen voller Sehnsucht und Verzweiflung auf meine. Ich zog sie näher an mich. Ihre Wärme. Diese Vertrautheit. Mein Herz setzte aus. Es war egal, wie oft wir uns küssten. Es fühlte sich immer wieder an, als würde es nichts perfekteres geben. 

Es war, wie das Gefühl von Geborgenheit. Warum war ich darauf nicht früher gekommen? Es war nicht dieses Leben hier, dieses Anwesen oder meine Eltern. Nein. Zuhause war Lia. Wo sie war, würde ich mich Zuhause fühlen. Ohne sie, gäbe es kein Zuhause mehr. Ich würde bloß dahin treiben, ohne Richtung und Ziel. Ich war nicht an dieses Leben gebunden. Denn so wie ich es für Lia war, war es auch anders rum. Sie war mein Leben und ohne sie, würde das Leben keinen Sinn mehr ergeben. Ich konnte nicht mehr hier bleiben. Ich war wie gelöst von allem. Ich hatte endlich die Antwort auf all mein Fragen, den Schlüssel, für die Fesseln der Pflichten, die ich immer gespürt hatte. All das war nichtig geworden. Ich hatte mir etwas eingeredet, dabei waren es bloß meine eigenen Ängste, die mich zurückhielten. Aber Lias Entschlossenheit hatte mich angesteckt. 

"Ich werde dir das nicht antun, Lia. Ich verspreche es dir. Ich werde diese Frau nicht heiraten. Du bist meine Frau. Das warst du schon immer." Ich sah wie sich Tränen in Lias Augen bildeten und erneut schlang sie ihre Arme um mich und küsste mich so intensiv, wie ich es noch nie zuvor gespürt hatte, dass ich alles um mich herum vergaß. Sogar die Tatsache, dass wir noch immer mitten im Gang standen. Bis ein lautes Klatschen mich schmerzhaft in die Realität zurück brachte.

"Wunderbar. Ganz wunderbar. Was für eine rührende Geschichte." Mutter stand nur wenig entfernt von uns und klatschte in ihre Hände. Ihr Gesicht war wutverzerrt. Lati stand neben ihr und hatte den Blick abgewendet. Alle Farbe wich aus meinem Gesicht und wie automatisch schob ich Lia hinter mich, um sie zu beschützen.

"Das geht dich nichts an", gab ich zurück. Ich hatte es satt, ihre Spielchen zu Spielen. Ich konnte selbst entscheiden.

"Es geht mich sehr wohl was an. Du beschmutzt uns. Sie ist dreckig. Versteht das endlich. Niemals, niemals lasse ich es zu, dass du diese Sklavin liebst!" Ich hatte sie noch nie so Zornig gesehen, aber ich kümmerte mich nicht weiter darum. Ich wollte für Lia einstehen. Ich ließ sie nicht mehr alleine. Wir gehörten zusammen!

"Dafür ist es bereits zu spät. Die Ehre, der Familie interessierte mich nicht. Aurelia ist die Frau, die ich liebe und ich werde nicht zu lassen, dass du so mit ihr redest." Ich sah wie Latavia zusammen zuckte, doch ich achtete nicht mehr darauf. Es war so klar und dennoch konnte ich nicht fassen, dass sie uns verraten hatte. 

"Mein Liebling." Der Zorn meiner Mutter war verraucht und nun sah ich nur noch Mitleid in ihrem Blick. "Du hattest schon immer so ein gutes Herz. Aber ich kann es nicht zulassen." 

Und dann ging alles ganz schnell. Sklaven umringten uns und hielten mich fest, während sie Lia von mir wegzogen.

"Nein!" ,schrie ich und versuchte mich zu währen, auch Lia warf sich gegen die viele Hände die sie fest umklammerten, doch sie hatte keine Chance.

"Lucius!" Ihre Stimme war so voller Panik, dass alles in mir durchbrannte. Ich schaffte es mich loszureißen, doch wurde sofort wieder festgehalten. Lia verschwand und ich konnte nichts tun. Die Wut, der Verrat und die Schuldgefühle brannten in meiner Kehle und ich konnte nicht anders, als wie wild ihren Namen zu schrieben. Sie durfte nicht verschwinden!

Nein. NEIN!

"Es tut mir leid. Es ist zu deinem besten. Du wärst nie glücklich geworden." Mutter war auf mich zugekommen und hatte ihre Hand auf meine Schulter gelegt. Doch es fühlte sich an, als würde sie mich damit verbrennen. 

Alles schmerzte. Meine Augen brannten und ich konnte nicht anders als immer wieder ihren Namen zu rufen und mich versuchen, loszureißen, bis mir Tränen über die Wangen liefen und meine Beine zusammenbrachen.

Jetzt verstand ich warum, dieser Kuss, so intensiv und anders war.

Er schmeckte nach Abschied.

Du gehörst mir!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt