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Aurelia

Obwohl ich noch nichts gegessen hatte, war mir bei Caius Anblick der Appetit vollkommen vergangen. Seine Karamellfarbenen Augen hatten mich viel zu intensiv gemustert, dass mich ein Schauer nach dem anderen durchzuckte. Es war nicht wie Lucius Blick. Lucius Augen waren stets voller Liebe und Vertrauen. Caius Lächeln strahlte nichts Fröhliches aus. Es wirkte kalt und berechnend. Oberflächlich freundlich und doch eigentlich das komplette Gegenteil. Es war kein beruhigendes Lächeln. Es war das lächeln eines Jägers, bevor er seine Beute erlegte. Bei diesem Gedanken erfasste erneut eine Gänsehaut meinen Körper. Meine Gedanken schweiften vollkommen ab, als wäre ich gar nicht mehr anwesend. In eine Welt voller Karamell, eigentlich eine warme Farbe, doch hier wirkte sie kalt wie Eis, Regen und Angst. So viel Angst. Ich konnte nicht deuten woran ich dachte, doch ich bekam, dass Gefühl nicht los, dass es wichtig war, dass ich mich erinnere. Dann war Caius plötzlich so nah und es war mir nicht mal aufgefallen, doch er riss mich zurück in die Realität, stellte den Teller mit dem unberührten Essen zur Seite und legte ein kleines Päcken an seine Stelle. Ich war wie paralysiert. Ich wollte es nicht. Alles an Caius machte mir eine unfassbare Angst. Doch ich konnte es nicht einfach zurück geben. Die Kette im inneren war wunderschön, doch der Gedanken seinen Schmuck zu tragen, fühlte sich schon falsch an. Doch Caius war es egal was ich dachte. Die Kette fühlte sich kühl und schwer um meinen Hals an, als er sie einfach anlegte und ich hatte das Gefühl sie würde mir die Luft zum atmen rauben. Was natürlich Unsinn war. Es war eine Kette, ein Hauch von nichts und trotzdem fühlte es sich an als hätte Caius mir einen Strick um den Hals gelegt. Der Schmuck schien sich in meinen Hals zu pressen. Dieses Essen musste jetzt endlich enden, damit ich die Kette aus irgendeinem Fenster werfen und mich wieder ganz dem Mann neben mir widmen konnte. Lucius starrte mich mit einer Mischung aus Bedauern und Wut an. Doch die Wut galt nicht mir und als ich Caius Hände an meinem Nacken spürte, Hände so kalt wie seine Augen, kalt wie Eis, brach mir der Schweiß aus und Tränen bildeten sich in meinen Augen. Seine Hände auf meiner nackten Haut zu spüren, ließ mich unkontrolliert Zittern und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Bilder von vor drei Jahren drängten sich in meine Gedanken, Bilder die ich in eine tiefe Ecke meines Gehirnes gegraben hatte und die ich hoffe, nie wieder auszubuddeln. Doch mit seinem erneuten hereindrängen in mein Leben, kamen sie alle wieder hervor, all diese schmerzhaften Erinnerungen. An seine Hände, an den Regen draußen vor dem Fenster und diesen Augen. Ein lautloser Schrei entfuhr mir und alles schien sich zu drehen. Ich konnte nichts mehr als diese Angst in mir wahrnehmen und spürte auch kaum eine Berührung an meinem Arm. Doch auf einmal waren Caius kalte Hände fort und ihre eisige Kälte schien sich nicht mehr in meine Haut zu brennen. Wärme umgab mich, als Lucius starke Arme mich an seine Brust zogen und als ich mich an ihn pressen konnte, schien für einen kurzen Moment wieder alles in Ordnung. Ich zog seinen Duft ein und atmete erleichtert aus. In seinen Armen konnte ich mir für einen kurzen Augenblick der Illusion hingeben, wir wären allein und ich hätte dies alles nur geträumt. Ein Albtraum, nachdem ich mich wieder an Lucius gekuschelt hatte und er alles böse vertrieb. Doch das hier war kein Traum. und das kühle Metall um meinen Hals brachte mich schnell wieder in die Gegenwart. Ich hörte wie Caius mich zu einem Tanz aufforderte und sofort wurde ich wieder panisch. "Lucius.", flüsterte ich leise und er drückte mich noch fester an sich, doch ich wusste es war zu spät. Egal was Lucius tun würde, ich müsste Caius diesen Tanz geben. Zumindest war ich mir ziemlich sicher, dass Cornelia dieser Auffassung war, vor allem nachdem ich ihr Versprechen einfach gebrochen hatte und mich für ihre Ansichten viel zu eng an Lucis presste. Sie war so anders heute und mit einem Mal hatte ich das Gefühl, all ihre Mütterliche Zuneigung die sie mir gegeben hatte, war nur ein Schauspiel gewesen. Natürlich kannte sie die Geschichte mit Caius nicht, doch jeder Blinde hätte gesehen, dass damals etwas vorgefallen war. Immerhin war Caius einer der engsten Freunde Lucius gewesen. Warum sonst wäre er plötzlich nicht mehr hier aufgetaucht? Lucius hatte ihm damals klar zu verstehen gegeben, dass er hier nie wieder etwas zusuchen hatte, dass er unerwünscht sei und das Lucius sich das nächste Mal nicht zusammen reißen würde, im nichts anzutun. Und doch stand er nun vor uns beiden und lächelte immer noch dieses Lächeln, das ich nie wieder sehen wollte. Ich wollte ihn nie wieder sehen. Er hätte für immer und ewig aus meinem Leben verschwinden sollen. Zusammen mit den schrecklichen Erinnerungen, die ich so krampfhaft verdrängt hatte und die beinahe tatsächlich in Vergessenheit geraten wären „Oh ein Tanz. Wie wunderbar!", ertönte Cornelias Stimme eine Oktave höher als normal, mit den Worten, die ich schon erwartete hatte. Sie würde darauf bestehen und ich hätte keine andere Wahl als mich zufügen. Ein bitterer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Ich musste ihr gehorchen, denn, tief im inneren hatte ich es ja schon immer gewusst, ich war immer noch eine Sklavin des Hauses Cornu und hatte mich zu fügen. Doch ich konnte es nicht. Wie sollte ich es schaffen? Jede seiner Berührungen würde meine Haut versenken und ihr nur noch mehr Narben verpassen. Seelische Narben. Sie waren verblasst, wie meine Erinnerungen, doch wenn er mich wieder anfasst, würde jede einzelne erneut aufreißen. Mein Herz schien sich zusammen zu ziehen und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ich versuchte Luft in meine Lunge zu ziehen doch es schien als wäre der Weg blockiert. „Nein!", knurrte Lucius neben mir und legte eine Hand auf meine Wange, was mich dazu bracht ihm tief in die Augen zu schauen. Schnell presste er seine Lippen auf meine und gab mir wieder die Kraft zu Atmen. Luft strömte in meine Lunge und es fühlte sich an wie ein Dejavue. Dennoch bekam ich eine Gänsehaut. Vorsichtig blickte ich zu Cornelia, die absolut nicht glücklich zu sein schien. Lucius hatte mich vor ihr geküsst. Lucius wird keine Chance mehr haben, Cornelia zu überreden, mich nicht tanzen zu lassen. Cornelia würde alles tun, um Lucius und mich zu trennen, da war ich mir plötzlich schmerzlich bewusst. Ein Überraschender Besuch? Wohl kaum. Ich würde Caius diesen Tanz schenken müssen. Es führte kein Weg daran vorbei. Trotz der Wärme, die Lucius ausstrahlte, begann mein Körper erneut zu zittern und Cornelia löschte mit ihren nächsten Worten den letzten kleinen Hoffnungsschimmer. „Was ist denn los mit dir Lucius? So etwas darf man nicht ausschlagen! Nicht war meine Liebste? Du findest doch auch, dass es so ist oder?" Ich schwieg doch Caius ergriff erneut das Wort, doch so leise, dass ich mir sicher war, das Cornelia es nicht mitbekam: „Komm schon Prinzessin. Ein Tanz. Danach verschwinde ich. Danach lass ich dich für immer in Ruhe. Doch diesen einen Tanz fordere ich noch von dir. Oder willst du, dass ich wieder öfter hier auftauche? Immer und immer wieder? Lucius kann nicht immer da sein." Lucius verkrampfte sich. „Nein.", hauchte ich leise. Lucius schaute mich aus seinen wunderschönen Augen an. Er sah hilflos aus. „Ich will das nicht." Zärtlich strich ich über seine Wange. „Uns bleibt doch keine andere Möglichkeit." Meine Stimme zitterte und ich sah das Caius grinste, als er es hörte.

„Er würde nie die Möglichkeit haben, dir noch mal etwas an zu tun. Ich würde auf dich aufpassen. Du musst das nicht tun."

„Er hat recht. Du kannst nicht immer aufpassen. Du hast Pflichten und Aufgaben. Es ist die einzige Möglichkeit." Ich ließ meine Hand sinken, wendete mich zu Caius und streckte, wie als würde ich an Fäden gesteuert werden, meine Hand zu der seinen, die er mir entgegen gestreckt hatte. „Ein Tanz. Danach verschwindest du für immer aus unserem Leben.", knurrte ich. „Natürlich Lia.", flüsterte er immer noch grinsend und zog mich auf die Beine. Schon jetzt schien seine Berührung zu schmerzen, doch sein Griff war zu fest, als dass ich mich hätte daraus entwinden können. „Wundervoll! Musik bitte!", rief Cornelia überschwänglich und von einem auf den anderen Moment, erfüllten schöne Klänge den Raum. Wut machte sich in mir breit. Ich hätte mit Lucius tanzen wollen an meinem Geburtstag. Mit ihm durch den Raum wirbeln und den Klängen der Musik lauschen. So wie es immer war wenn wir tanzten. Es war Lucius und meine Lieblingsbeschäftigung. Caius wusste das und er hatte bewusst, deshalb danach gefragt, weil es mich noch viel mehr schmerzen würde. Meine Augen schossen zu Lucius, der aussah als würde er gleich explodieren. „Es ist mein Tanz, meine Schöne. Jemand anderen dabei anzugucken, ist sehr unhöflich.", raunte Caius mir ins Ohr bevor seine freie Hand sich auf meine Taille legte und mich damit dazu zwang meine Hand auf seiner Schulter abzulegen. Augenblicklich begann Caius mich in Takt der Musik durch den Raum zu wirbeln. Mein Herz pochte wie verrückt, so dass ich dachte es würde mir jeden Moment aus der Brust springen. „Du bist so wunderschön. Am liebsten würde ich sofort hier damit beginnen, wobei wir bei unserem letzten Treffen gestört wurden." Er grinste und seine Augen schienen bei dem Gedanken zu Funkeln. Mich hingegen überkam ein eiskalter Schauer und ich wollte von ihm wegrutschen. Caius Grinsen wurde breiter, sein Griff verstärkte sich und er drückte mich so fest an sich, dass seine Finger sicherlich blaue Flecken auf meiner Haut hinterließen würden,

„Nicht weglaufen, Lia. Diesmal entkommst du mir nicht. Du gehörst mir!"

Meine Augen weihten sich bei diesen Worten. Ich hatte sie schon mal gehört. In der vergangenen Nacht von Lucius. Und auch wenn mir Lucius Angst gemacht hatte in dem Moment, ich kannte ihn und wusste wie er sonst war. Ein liebevoller Mann, mein bester Freund, den ich so sehr liebte. Caius löste mit den gleichen Worten ein Gefühl in mir aus, was viel schlimmer war. Ich wollte fliehen. Weg. Weg von ihm, von diesen kalten Augen, seinen Händen, die mir weh taten, von seinen Worten. Doch ich hatte keine Chance. Er war viel stärker als ich. Er würde mich erst gehen lassen, wenn er es wollte. „Jemandem wie dir, würde ich niemals gehören." Ich legte all meine Verachtung in diese Worte, doch er lächelte bloß weiter. „Prinzessin." Seine Stimme wirkte sanft und liebevoll. Er spielte mit mir und mit der Panik die immer mehr in mir aufstieg. Es machte ihm Spaß, beruhigend auf mich einzureden und zu wissen, dass er damit alles noch schlimmer machte. „Das hast da gar nicht zu zusagen. Und ich hab das schon vor langer Zeit entschieden."

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