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Aurelia

"Lucius!" Ich schrie. Ich schrie so laut ich konnte, bis mein Hals sich anfühlte als hätte jemand tausende Nadeln hineingesteckt. Nein! Er hatte mich doch grade noch in seinem Armen gehalten und er hatte endlich verstanden, wie wichtig es war das zwischen uns zu beschützen. Ich wollte ihm doch vorschlagen, zu fliehen. So weit, wie wir konnten. Nur wir beide irgendwo neu anfangen. Endlich glücklich. Wie konnten wir so schnell auffliegen? Wie konnte das hier nur geschehen? Ich wusste natürlich, dass es gefährlich war, Lucius von Latavia zu trennen, aber es waren doch erst einige Minuten. Wären es nur einige mehr gewesen und wir hätten schon weg sein können. Lucius hätte sich seine Ersparnisse genommen und wir könnten bereits zusammen auf seinem Pferd sitzen. Ich würde mich an ihn schmiegen und endlich konnten wir gemeinsam frei sein. Ich war so dumm. So dumm! Hätte ich doch noch gewartet. Doch ich konnte einfach nicht. Ich konnte nicht atmen, wenn dieses Weib in seiner Nähe war und ihn mir wegnahm. Ich konnte es nicht mit ansehen.

Die Hände der Sklaven, die sich um meine Arme geschlungen hatten und mich nach draußen zerrten, waren trotz ihrer von Arbeit gezeichneten Körper, viel zu stark für mich um sich zu wehren. Ich wollte sie anschreien, ich wollte mit meinen Fingernägeln ihr Gesicht zerkratzen. Doch ich fühlte mich wie betäubt. Es hatte ja doch keinen Sinn. Ich würde mich nicht losreißen können. Die Sklaven mussten tun, was ihnen befohlen wurde, wenn sie nicht gerade für ihr Versagen bestraft werden wollten. Deshalb würden sie mich niemals loslassen, obwohl ich eine von ihnen war. Nein. Die anderen Sklaven hatten mich nie als eine von ihnen gesehen. Für sie war ich jemand, den sie hassten, weil es mir besser ging. Für die Adeligen jedoch war ich immer noch eine dreckige Sklavin, die beseitigt werden musste, wenn sie zu einem Problem wurde.

Eine Gänsehaut überkam mich, als ich immer weiter gezerrt wurde und auf einmal überkam mich nicht nur die Trauer um Lucius sondern die Angst, was mit mir geschehen würde. Was würden sie mit mir anstellen? Würde ich verkauft werden? Oder hatte Cornelia endgültig ihre Geduld verloren? Diese verkorkste Gesellschaft liebte es doch, ein Zeichen zu setzten. Würden sie mich an ein Kreuz nageln um mich über mehrere Tage grausam sterben zu lassen? Oh Götter, bitte nicht. Diese Todesmethode, war so grausam, das mir bei dem Gedanken die Tränen in die Augen stiegen. Ich war doch noch so jung. Ich wollte nicht auf so eine Art sterben. Das würde sie mir nicht antun. Oder?

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als wir bei einer einfachen Kutsche ankamen, die eher aussah, wie eine Zelle, auf Rädern. Mein Atem stockte. Ich wollte nicht eingesperrt werden. Ich drehte mich um, in der Hoffnung Lucius hinter mir zu entdecken, der mich wie immer im letzten Moment rettete. Doch er war nicht da. Was würden sie wohl mit ihm anstellen? Er war kostbar, allerdings würde er sicherlich auch nicht komplett glimpflich aus der Sache herauskommen. Mein Tod wäre auch Strafe für ihn. Aber das durfte einfach nicht passieren.

Ein letztes mal warf ich mich mit aller Kraft gegen die Hände, die mich hielten und schaffte es tatsächlich mich für einen kurzen Moment etwas loszureißen. Doch ich kam nicht weit, als ich gegen jemanden prallte, dessen Hände sich erneut um meine Arme schlangen. Ich hatte ihn vorher nicht bemerkt, meine Chance war vertan. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Tränen der Wut. Warum war alles so ungerecht? Ich wollte den Mann nicht angucken, der mich aufgehalten hatte und mich nun auch noch enger an seine Brust zog. Ein Schauer überkam mich. Ich wollte nicht, dass er mich so nah an sich zog. Ich hasste die Nähe anderer Männer. Es gab nur einen Mann, den ich an meiner Seit haben wollte. Ich versuchte Raum zwischen ihn und mich zu bringen, doch auch sein Griff war zu stark und seine Finger bohrten sich nur noch schmerzhafter in mein Fleisch, was mich beinahe aufschrieben ließ. Aber ich blieb stumm. Ich wollte niemanden hier die Genugtuung gönnen, dass sie gewonnen hatten.

Dennoch konnte ich nicht anders, als Angst zu verspüren, als der Mann sich zu mir runterbeugte und mir leise zu flüsterte: "So schnell sieht man sich wieder, kleine Sklavin."

Ich erkannte die Stimme augenblicklich.

"Was ein lustiger Zufall", ertönte nun auch die Stimme des anderen Mannes etwas hinter diesem.

"Zufall? Ganz sicher nicht", gab ich leise zurück . Wie konnte das sein? Ich dachte ich müsste diese Männer nie wieder sehen.

"Ja Zufall, ist vielleicht nicht ganz richtig. Aber ist es nicht eine schöne Ironie, dass die Mutter deines "Freundes", der dich letztes mal gerettet hat, dich nun an uns verkauft?" , erwiderte Flavius, der sich nun an meine Seite stellte, während der andere, dessen Namen ich nicht erfahren hatte, über die Worte seinen Freundes lachen musste.

"Wo ist er denn jetzt? Oder bist du ihm jetzt doch über geworden und wollte es so?" Er strich mit seinen Fingern über meine Wange und zwang mich schließlich doch ihn anzugucken. Ich konnte nicht anders, als bei der Berührung zusammen zu zucken, dennoch legte ich all meine Ernsthaftigkeit in meine folgenden Worte, um mich auch etwas selbst davon überzeigen zu können.

"Wenn ihr mir irgendwas antut, werdet ihr nicht so glimpflich davon kommen, wie das letzte mal." Ich blicke zu Flaviús, dessen Gesicht noch blau und rot leuchtete, von Lucius Schlägen, und lächelte ihm kampflustig zu. Lucius würde mich sicherlich retten.

Wenn er es schafft zu entkommen zumindest...

"Sei nicht so frech, Mädchen. Du wirst es noch bereuen, wie dein Freund mit uns umgegangen ist. Freu dich drauf." Mein lächeln verschwand, als er seine Hand um meinen Hals legte und mich mit so viel kraft gegen die Kutsche presste, dass mein Rücken schmerzte. Er stand nun direkt vor mir und grinste auf mich herunter. Seine Griff wurde stärker, sodass es mir schwer fiel zu atmen. Meine Augen weiteten sich, als ich versuchte die Luft einzusaugen und nicht genug bekam.

"Flavius, lass das. Wir wollen doch Gewinn mit ihr machen" ,mischte sich sein Freund ein und öffnete die Tür an der Kutsche, in die Flavius mich daraufhin hineinschubste.

Ich fiel, rappelte mich allerdings sofort wieder auf. Doch, die Tür wurde bereits zugeworfen und ein klappern ertönte. Ich presste mich gegen das Tor, doch es gab nicht nach. Wahrscheinlich hatten sie es verschlossen. Statt Fenstern gab es nur Gitterstäbe. Der Raum war winzig und ein beklemmendes Gefühl machte sich in mit breit. Panik durchflutete mich.

Der Mann tauchte noch einmal vor dem Tor auf und grinste. Flavius konnte ich nicht mehr sehen.

"Aurelia richtig? Sei jetzt brav, dann sind wir vielleicht auch nett zu dir." Er zwinkerte mir zu bevor er ebenfalls verschwand und die Kutsche sich langsam in Bewegung setzte.

Ich sank zusammen, während das Tuckern, Übelkeit in mir hervorrief. Bei Lucius hatte ich mich immer frei gefühlt, nun allerdings war alles verloren.

Du gehörst mir!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt