Aurelia
Ich lehnte meinen Kopf an Lucius Brust und drückte mich wie am Tag zuvor an ihn, um es mir leichter zu machen, mich auf diesem Pferd zu halten. Der Wind wuschelte durch meine Haare und immer wieder landeten Strähnen vor meinem Blickfeld, doch ich nahm sie weder wirklich wahr, noch versuchte ich sie wegzuschieben. Nicht mal das Reiten konnte ich genießen, obwohl es mir gestern noch so wie viel Spaß bereit hatte. Es fühlte sich an, als wäre jede Freude aus meinem Körper gewichen und je länger wie reiteten, je mehr Zeit verstrich um so schneller klopfte mein Herz und ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Ich wollte nicht dort hin. Ich würde am liebsten für immer weiter reiten, bis wir irgendwo ankämen, wo es niemanden interessierte, was und wer wir waren. Wo niemand nachfragen würde und wir uns einfach lieben könnten. Wo wir zusammen sein durften, ein eigenes Haus haben könnten, eine Familie. Alles, was uns nicht vergönnt war und ich spürte wie meine Augen anfingen zu brennen und es mir schwer viel zu schlucken. Meine Sicht verschwamm, als ich mir vorstellte, wie es hätte sein können und doch nie sein würde. Wie sollte das auch gehen? Lucius wurde von klein auf mit seinen Pflichten aufgezogen. Er würde sie immer erfüllen, da war ich mir sicher, selbst wenn es ihn selbst zerreißen würde. Ich hatte die Schuldgefühle in seinen Augen gesehen, als er davon sprach, dass er schon zu lange fort sei, weil er damit seinen Vater enttäuscht hatte. Diese Pflichten und Lehren. Es saß zu tief in ihn, wie sollte er dies jemals abschütteln können? Es war albern sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich war eine Sklavin, ich stand immer an letzter Stelle und Cornelias Worte kamen mir wieder ihn Sinn. Ich hatte kein Anspruch auf ihn und ich sollte ihn nicht lieben. Ich gehörte ihm, aber er gehörte nicht mir. So sollte es sein. Ich war nicht wichtig. Ich diente nur dazu, dass Lucius sich nicht langweilte. Nur zur Unterhaltung. Er allerdings war wichtig. Es war seine Pflicht zu heiraten. Ich durfte mich nicht einmischen, auch wenn es mich innerlich zerriss.
Auf einmal wurde das Pferd langsamer und als ich aufblickte, sah ich das Anwesen vor mir in all seiner Pracht. Früher hatte ich es immer bewundert, wenn ich es sah, doch heute fühlte ich nichts dergleichen. Nur Wut. Wut auf diese Gesellschaft. Wut auf seine Familie und vor allem auf die Frau, die er ehelichen sollte. Der Ritt war deutlich schneller vergangen, als gestern, stehlte ich mit bedauern fest, vor allem weil ich den ganzen Weg über in Gedanken war.
"Da wären wir", flüsterte Lucius leise, als er sein Pferd zum Stehen gebracht hat und gekonnt herunter sprang, bevor er mir die Hand reichte und half herunter zu kommen. Meine Beine zitterten leicht, doch diesmal lag es eher an meiner Nervosität als am reiten, aber ich widerstand den Drang mich an Lucius zu lehnen, sondern versuchte mich so weit es ging auf den Boden zu konzentrieren um das Schwindelgefühl zu vertreiben, was mich plötzlich überkam. Ich atmete tief ein und aus, doch es schien kaum besser zu werden. Meine Schläfen pulsierten und als Lucius sein Pferd einigen Sklaven überlassen hatte und seine Hand fürsorglich auf meinen Rücken gelegt hat um mich zum Eingang zu führen, hatte ich das Gefühl jeden Moment umzukippen. Mein Herz raste schmerzhaft in der Brust und ich konnte nichts dagegen tun. Lucius öffnete die Tür und wir treten ein, als uns bereits eine mädchenhafte Stimme begrüßte, die ich noch nie zuvor gehört hatte und dennoch mein Blut zum gefrieren brachte.
"Liebling, da bist du ja endlich." Eine junge Frau kam herbei geeilt und warf sich um Lucius Hals, was ihre hellbraunen Locken zum herumwirbeln brachten und sich wie ein Sicht Schutz zwischen die beiden und mich legten. Ich sah, wie Lucius einen Schritt zurück trat, aber diese Frau schien davon nicht beeindruckt und verschränkte ihre Finger mit seinen.
"Ich hatte schon Sorge, dich heute gar nicht mehr anzutreffen. Es ist so lange her, dass ich dich gesehen hab. Du bist so erwachsen geworden."
Was? Ich erstarrte bei ihren Worten. Die beiden kannten sich und das gefiel mir überhaupt nicht.
"Du auch",erwiderte Lucius ruhig und für einen kurzen Moment herrschte eine Stille, die mich noch viel mehr beunruhigte. Ich hatte den Blick gesehen von dieser Frau, als sie Lucius gesehen hatte. Sie hatte sich ehrlich gefreut. Aber ich wollte nicht, dass sie ihn anguckte. Ich wollte nicht, dass irgendeine Frau ihn anguckte.
"Ich war so aufgeregt, seit ich erfahren habe, dass ich dich endlich wiedersehen durfte. Ich hatte dich vermisst." Der letzte Satz war kaum mehr als ein flüstern und sie drückte sich wieder näher an Lucius heran und am liebsten hätte ich sie eigenhändig von ihm gezerrt, doch ich konnte mich nicht rühren. Konnte bloß zusehen.
"Wir werden erwartet. Ich wollte dich abholen, als ich die Haustür gehört hatte. So aufgeregt war ich." Sie lachte leise, bevor sie sich von ihm löste, seine Hand jedoch nicht losließ. Erst jetzt schien sie zu realisieren, dass Lucius nicht allein gekommen war. Ihr Blick legte sich auf mich und ihr lachen erstarb. Karamellfarbene Augen schauten mich an und eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper. Ich hatte bis jetzt nur eine Person mit dieser außergewöhnlichen Augenfarbe kennengelernt, doch diese Frau ähnelte Caius aufs Haar und ich ahnte bereits, wozu Lucius nicht in der Lage war, es auszusprechen.
"Wer ist das denn?" Ihr Stimmlage klang plötzlich kalt und sie schien gar nicht begeistert zu sein, eine andere Frau neben ihrem zukünftigen zu sehen.
"Das ist Aurelia. Meine..." Er stockte, ließ den Satz in der Luft verweilen und atmete tief durch. "Sowas wie eine Schwester für mich" ,beendete er sich dann und ließ den Blick zu Boden sinken. Ich spürte einen Stich im Herzen. Schwester. Ja so hatten wir uns immer bezeichnet. Geschwister. Doch das waren wir schon lange nicht mehr. Es war mehr. Es war weit über Freundschaft hinausgegangen. Doch ich wusste auch, dass Lucius dies nie als sowas wie eine Beziehung ansehen konnte. Viel mehr durfte. Er durfte nichts für mich empfinden und dennoch konnte ich den Schmerz nicht abstellen, der sich über mir ergoss und mir ein weiteres mal vor Augen hielt, dass nie mehr aus Lucius und mir werden würde. Niemals.
Ihr Blick verfinsterte sich kurz, doch sie fand ihr lächeln schnell wieder, ließ Lucius Hand los und kam auf mich zu.
"Oh es freut mich dich kennen zulernen. Ich bin Latavia. Wir werden uns bestimmt gut verstehen." Sie schob mir die Haare hinters Ohr und zog auch mich in eine Umarmung, was mich vollkommen überraschte, da sie erst gar nicht erfreut über mich zu sein schien.
Doch der Gedanken verflüchtete sich sofort wieder, als sie mir leise ins Ohr zischte.
"Lass bloß deine dreckigen Finger von ihm. Ich weiß genau, wer du bist und glaub erst gar nicht, dass ich es zulassen werde, das Lucius sich mit einer anderen Vergnügt, vor allem mit jemanden wie dir. Glaub mir, ich hab dich schon seit dem Moment gehasst, als du geboren wurdest und ihn mir weggenommen hast. Ich warne dich, ich kann dir dein armseliges Leben noch mehr zu Hölle machen."
Sie ließ mich so plötzlich los, dass ich kurz das Gleichgewicht verlor und schon dachte ich würde umfallen. Ich schaute sie geschockt an, doch ihr Gesichtsausdruck zeigte nicht ein bisschen, was für bösartige Worten ihr eben über die Lippen kamen, als wäre nichts geschehen.
"Wir sind alle im Speisesaal. Es gibt einige Kleinigkeiten zu Essen. da lässt sich viel besser alles weitere besprechen."
Sie griff erneut Lucius Hand und zog in in die Richtung.
"Oh Aurelia, wenn du möchtest, kannst du gerne mitkommen. Dann könne wir uns noch weiter kennen lernen." Sie lächelte mich an, doch es trotze beinahe vor Verachtung, dennoch folgte ich den beiden, obwohl ich wusste, dass es mir überhaupt nicht gefallen würde. Ganz und gar nicht. Aber ich hoffte immer noch, dass sich alles vielleicht doch noch zum guten wenden würde, so absurd dieser Gedanke auch war, und meine Vermutung zu Latavia sich nicht bestätigen würde. Doch als Lucius die Tür öffnete und ich Caius wie selbstverständlich auf dem Sofa sah, auf dem Platz, an dem ich gestern saß, wusste ich, dass nun alles vorbei war.

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Du gehörst mir!
AléatoireSeit Aurelia denken kann, ist er an ihrer Seite. Er ist ihr bester Freund, wie ein Bruder für sie. Doch Aurelia ist für etwas anderes bestimmt und das weiß er auch. Denn Aurelia ist das Kind zweier Sklaven des Hauses Cornu, das Haus seiner Eltern un...