Kapitel 27

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Zauberwald, vor Emmas Geburt/ dem Fluch:
(Juna: 7 Jahre alt, ein Jahr bevor ihre Mutter sie verlässt)

Es ist ein wunderschöner Sommertag. Ich stehe neben meinen Eltern auf einer Wiese und wir jubeln dem Brautpaar zu, das glücklich an uns vorbei schreitet. Wir sind ganz schön weit weg von Zuhause, weil eine Freundin meiner Mutter heute geheiratet hat. Sie heißt Merle und ist total nett.
„Das wurde aber auch Zeit, dass die beiden sich vermählen", lacht meine Mutter meinem Vater zu, „Sie haben so lange gebraucht bis sie erkannt haben, dass sie sich lieben."
Langsam lösen wir uns aus den gebildeten Reihen und folgen dem Brautpaar zu ihrem Hof, auf dem gefeiert werden wird.
„Manchmal dauert es eben bis man die wahre Liebe findet", lächelt mein Vater und ergreift die Hand meiner Mutter.
„Da magst du recht haben", stimmt sie ihm zu und gibt ihm einen Kuss. Viele Kinder finden Küsse ekelig, aber ich freue mich. Es ist für mich das Schönste wenn jemand seinen perfekten Partner gefunden hat. Ich hoffe, dass mir das Glück auch einmal gegönnt sein wird. Die Erwachsenen nennen es die wahre Liebe, doch so ganz genau weiß ich noch nicht was das bedeutet.

(Später auf dem Fest)
Die Musiker haben schon lange gespielt. Überall wird getanzt und gelacht. Der Hof wird überall von Kerzen beleuchtet. Ich sitze ein wenig abseits und betrachte das Geschehen. Die Familien mit Kindern in meinem Alter sind bereits gegangen. Schließlich ist es ja auch schon spät. Doch ich kann mich gar nicht satt sehen an all dem Glück, das heute ein Gast auf dem Fest ist. An Hochzeiten können die Menschen mal all ihre Sorgen fallen lassen. Sie können einfach nur feiern, dass zwei Menschen sich lieben. Gibt es etwas schöneres?

Etwas wackelig auf den Beinen wankt eine weitere Freundin meiner Mutter auf mich zu.
„Schätzchen.. hast du vielleicht mal das Klo gesehen?", sie klingt ein wenig angetrunken, doch ist definitiv nüchterner als die meisten Anderen. Ich nicke und weise ihr die Richtung. Nach ein paar Minuten kommt sie wieder und lässt sich neben mir auf der Bank nieder.
„Uff... Toll so eine Hochzeit oder?", murmelt sie.
„Ja, es ist so schön", schwärme ich, „Ich hoffe, dass ich auch irgendwann meine wahre Liebe finden werde."
„Da bin ich mir ganz sicher", sie tätschelt mir den Arm.
„Woher weiß man eigentlich, dass man jemanden liebt?", frage ich, das interessiert mich wirklich. Die Frau neben mir seufzt schwärmerisch.
„Ach Kind, die Liebe ist das Schönste Gefühl auf der Welt. Wenn du jemanden wirklich liebst, dann ist das als würdest du fliegen! Nichts ist mehr um dich herum, nur du und diese eine Person. Nichts anderes ist mehr wichtig." Wieder seufzt sie.
„Hast du schon deine wahre Liebe gefunden?", frage ich begeistert.
„Nein, aber so stelle ich sie mir vor und so habe ich es gehört", lacht sie, „Ich suche immer noch nach dem Einen."
Während sie geredet hat ist ihr Blick an einem jungen Mann hängen geblieben, der nun auf uns zu kommt.
„Wer ist das?", flüstere ich bevor er da ist.
„Ich habe keine Ahnung", haucht die Frau, dann steht der Mann vor ihr.

„Darf ich sie um einen Tanz bitten?", fragt er und lächelt freundlich.
„Gerne", sie strahlt und nimmt seine Hand.
Glücklich beobachte ich wie die Beiden im Takt der Musik dahin schweben. So etwas will ich unbedingt auch erleben.

Neverland, nach Henrys Ankunft:

Ich weiß nicht wie lange ich schon zwischen den Büschen des Dschungels liege. Immer wieder kehren dieselben Gedanken in meinem Kopf wieder:
'Er liebt dich nicht.
Er benutzt dich nur.
Weil er dich nicht liebt.
Er benutzt dich nur.
Du bist ihm egal.'

Ich versuche noch immer den Stimmen etwas entgegenzusetzen, doch ich habe nichts. Alles sieht ganz nach einem Spiel, einem Betrug, aus. Verdammt nochmal! Ich liebe diesen Menschen!
Habe alles für ihn aufgegeben.
Ich hätte ein glückliches Leben mit Timmothy führen können, wäre er nicht gewesen.
Hätte ich mich nicht in ihn verliebt.
War das alles wirklich geplant? Von ihm? Sieht er in mir nicht mehr als eine Figur in seinem Spiel?

Ich fühle mich völlig ausgelaugt, habe aufgehört zu weinen. Still und bewegungslos liege ich auf der Seite und starre ins Leere. Bis ich plötzlich angetippt werde:
„Warum liegst du da so herum, Luna?" Es ist Tinkerbell. „Geht es dir gut?", fragt sie, nun klingt sie sogar etwas besorgt.
„Nein", meine Stimme klingt kratzig und gebrochen.
„Was ist denn los?", die verlorene Fee hockt sich neben mich und guckt ehrlich bestürzt. Ich antworte nicht. Es geht sie nichts an.
„Geh weg", es soll ruppig klingen, doch ist nur ein erbärmlicher Abklatsch dessen.
„Mein Baumhaus ist hier in der Nähe, komm mit", fordert Tink mich auf. Erst will ich den Kopf schütteln, doch was habe ich für eine Alternative? Ins Lager zurückkehren und auf Pan treffen? Nein, danke.
Langsam richte ich mich auf. Meine Augen sind ganz verquollen.
„Ach herrje", mein Gegenüber guckt etwas pikiert. Doch das ist mir egal.
„Na komm", sie reicht mir die Hand und hilft mir auf. Schweigend gehen wir den kurzen Weg zu ihrem Baumhaus.

„Jetzt erzähl mal", Tinkerbell sitzt vor mir auf dem Boden, während ich mich auf ihrer Hängematte niedergelassen habe. Soll ich es ihr wirklich erzählen? Es geht sie eigentlich wirklich nichts an. Und was wenn sie irgendwas davon weitererzählt? Doch wäre das überhaupt schlimm? Wenn Peter mich nicht liebt, dann ist mir eigentlich alles andere egal. Ich habe mein ganzes Leben nur auf ihn ausgerichtet. Er ist mein ganzer Lebensinhalt. Ich habe sonst nichts, wirklich nichts, was mich irgendwo hält.
„Rumpelstilzchen hat gesagt, dass Pan mich nur benutzt. Dass er mich mit Absicht in sich verliebt gemacht hat, damit ich alles für ihn tue. Dass ich nur ein Mittel zum Zweck bin."
Es ist totenstill in dem Baumhaus.
Tink starrt mich an.

„Ich mag dich zwar nicht sonderlich, Luna", beginnt sie, „Aber ich möchte dir trotzdem einen Rat geben. Vielleicht liegt das in meiner Feen-Natur oder so, keine Ahnung. Ich weiß auch nicht ob das richtig ist, was ich dir rate, aber es ist meine einzige Antwort:
Vertraust du deinem Feind wirklich mehr als dem, den du liebst?
Es ist doch klar, dass er Pan schaden will. Ich meine, ich weiß, dass Pan wirklich skrupellos ist und es zu ihm passen würde was der Dunkle gesagt hat, aber ich habe auch gesehen wie Pan dich ansieht. Meiner Meinung nach ist das echt. Doch letzten Endes musst du das selbst wissen." Die verlorene Fee zuckt mit den Schultern.
Nur langsam sickern ihre Worte in mein Gehirn. Sie denkt wirklich, dass Pans Liebe echt ist? Auch ich habe ja die ganze Zeit versucht ihn gegen die schlimmen Gedanken zu verteidigen, aber es scheint alles gegen ihn gerichtet zu sein.
„Warum hilfst du mir?", frage ich.
„Wie gesagt, vielleicht ein Feen-Instinkt?", dann seufzt Tink, „Du sagtest mir, dass Pan deine große, wahre Liebe ist. Vertraue darauf und rede wenigstens einmal mit ihm."
„Darum werde ich wohl sowieso nicht herum kommen", entgegne ich bitter. Sie zuckt lediglich die Schultern, dann schweigen wir uns wieder an, haben nichts worüber wir reden könnten.

„Danke", verabschiede ich mich schließlich und gehe auf die Leiter zu. Als ich schon halb durch die Bodenluke geklettert bin, frage ich jedoch noch etwas: „Habe gehört, dass du die böse Königin kennst? Was war denn zwischen euch?"
Eigentlich bin ich nur neugierig, warum Tinkerbell sie verschleppt hatte. Aber ich werde ihr garantiert nicht sagen, dass ich die Krähe war.
„Du lässt nicht locker, wenn ich jetzt nicht antworte oder?", rät sie.
„Nein", grinse ich.
Sie stöhnt genervt, dann fasst sie sich: „Sie ist die Person, wegen der ich meine Flügel verloren habe. Sie war zu feige um sich ihrer wahren Liebe hinzugeben. Oder um sie zu kämpfen." Bei ihrem letzten Satz schaut sie mich bedeutsam an. Ich nicke nur und steige dann die Leiter komplett hinunter. Ich werde mit Peter reden und dann wird sich hoffentlich alles klären.

××××

Mit einem unguten Gefühl betrete ich das Lager, welches ich ohne Probleme gefunden habe, denn mittlerweile kenne ich den Weg von Tinkerbells Baumhaus zum Lager recht gut. Zu meinem Erstaunen sehe ich Henry mit den anderen Jungen um das Feuer tanzen. Pan hat es also tatsächlich geschafft, der Junge mit dem Herzen des am innigsten Glaubenden hört seine Flöte. Die Chancen, dass wir leben werden, werden immer besser. Doch meine Freude darüber ist unter meiner Trauer und Unsicherheit kaum zu spüren.
Zielstrebig gehe ich auf die Leiter zu, die zu Peters und meinem Schlafplatz führt. Dabei spüre ich seinen Blick auf mir. Kurz werfe ich ihm auch einen Blick zu. Als er meinen Zustand erkennt ist er sehr erstaunt und kommt auf mich zu. Doch bevor er mich erreichen kann bin ich schon die Sprossen hochgeklettert. Durch das leise Knacken des Holzes höre ich, dass er mir folgt.

„Was ist los?", fragt er, als er oben angekommen ist. Dabei geht er auf mich zu und will mich in den Arm nehmen, doch ich weiche zurück.
„Sag mir jetzt die Wahrheit", meine Stimme zittert kurz, doch dann erlange ich meine Fassung wieder, „Bin ich für dich nur ein Spiel oder liebst du mich wirklich?"

Peter Pan loves meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt