Kapitel 28

904 50 1
                                    

Neverland, vor Emmas Geburt/ dem Fluch:
(Juna: 14, fast 15, Jahre)

„Ah!", stöhnt der Junge. Er hatte einen anderen verlorenen Jungen zu einem Stockkampf aufgefordert, doch ist nun am Verlieren. Pech für ihn.
Ich und die anderen beobachten den Kampf. Ab und zu wird gejubelt. An sich finde ich solche Kämpfe nicht besonders spannend, es sei denn ich bin daran beteiligt. Dass man dann nicht verlieren möchte ist ja wohl klar. Ich habe nichts besseres zu tun, deswegen sitze ich jetzt hier.
Neben mir sitzt ein Junge namens Shawn. Er scheint ebenfalls nicht besonders interessiert an der Aktion zu sein. Stattdessen schnitzt er lieber ein wenig.

„Was wird das?", frage ich mit Blick auf das lange Stück Holz in seinen Händen. Ohne aufzusehen antwortet er: „Eine Uhr."
Ich runzle die Stirn, „Eine Standuhr?" Er schüttelt den Kopf.
„Nein, in Wahrheit ist sie viel größer." Shawn seufzt. „Sie stand in meiner Heimatstadt, die heißt London. Damals hat der Schatten Kinder von dort geholt." Er zuckt die Schultern.
„London?", ich kenne die Stadt nicht.
„Sie ist im Land ohne Magie", erklärt der Junge.
„Achso", sage ich und eine kurze Pause entsteht, dann frage ich, „Sind noch mehr verlorene Jungs von dort?" Nun schaut Shawn doch auf.
„Nein, obwohl... Nein", er schüttelt den Kopf.
„Obwohl was?", hake ich nach.
Der verlorene Junge seufzt genervt: „Es gibt ein Mädchen, das auch von dort ist und jetzt frag nicht weiter." Er wendet sich wieder seiner Schnitzarbeit zu.
„Wo ist sie denn?", ich kann mir die Frage einfach nicht verkneifen. Eigentlich war ich ja in der Annahme, dass Pan hier nur verlorene Jungs aufnimmt und keine Mädchen. Ich dachte ich wäre eine Ausnahme.
„Wenn ich dir die Frage beantworte gibst du dann Ruhe?", grummelt Shawn. Ich nicke.
„Na schön, sie ist in einem Käfig, in der Richtung", er weist mit seinem Schnitzmesser nach rechts.
„Danke", grinse ich und stehe auf.
„Wo gehst du hin?", fragt diesmal Shawn verwirrt.
„Na zu dem Mädchen", antworte ich, drehe mich um und gehe los.

Doch kaum bin ich ein paar Meter in den Dschungel hinein gegangen blockiert Pan meinen Weg.
„Na, und wohin willst du?", er steht mit verschränkten Armen an einen Baum gelehnt da.
„Zu dem anderen Mädchen", sage ich lächelnd.
„Woher weißt du denn von ihr?", will Pan wissen und hebt eine Augenbraue. Ich zucke bloß die Schultern. War es etwa ein Geheimnis, das Shawn mir gesagt hat?
„Warum ist sie nicht im Lager?", erkundige ich mich, „Ist sie kein verlorenes Mädchen?"
„Nein, das ist sie nicht", antwortet Pan und stößt sich von dem Baum ab. „Warum ist sie in einem Käfig?", frage ich weiter und beobachte wie Pan langsam auf mich zu geht.
„Sie ist eine Art... Geisel", gesteht Pan schließlich, als wäre es nichts Schlimmes.
„Eine Geisel?", ich bin schon ein wenig schockiert, „Aber der Schatten holt doch nur Kinder, die sich ungeliebt fühlen." In meinem Kopf ergibt gerade gar nichts einen Sinn.
„Schon, aber das Mädchen fühlt sich von ihren Eltern nicht ungeliebt. Sie ist bloß fasziniert von der Magie, weshalb sie ursprünglich hierher kam", erzählt Pan ihre Geschichte, „Sie durfte wieder nach Hause, doch sie kam kurz danach wieder um einen Jungen zu holen. Er ist nun nicht mehr hier."
„Aber warum behältst du das Mädchen als Geisel?"
„Das brauchst du nicht zu wissen, Juna. Aber du solltest doch inzwischen gemerkt haben, dass ich nicht zu allen Menschen nett bin."
„Ja, das habe ich schon gemerkt", bestätige ich ehrlich.
„Stört dich das?", Pans Blick sieht nun wirklich interessiert aus.
„Nein", meine Aussage stimmt. Mein Leben ist kaputt genug, dass ich weiß, dass das Meiste eben nicht gut ist. Aber der Herr Neverlands ist gut zu mir und das fühlt sich schön an. Wie ein wenig Gerechtigkeit. Dann kann ich ihm die Ungerechtigkeit zu anderen Personen verzeihen.

„Wie heißt das Mädchen?", will ich wissen.
„Ihr Name ist Wendy. Wendy Darling", antwortet Pan. „Lass uns wieder zum Lager gehen", fordert er mich auf.
„In Ordnung", ich drehe mich um und gehe voran. Doch dann bleibe ich noch einmal stehen und drehe mich um: „Weißt du Pan, wenn ich von diesem Ort träume, dann fühle ich mich nicht mehr ganz so verloren."

Peter Pan loves meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt