Kapitel 37

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Zauberwald, vor Emmas Geburt/ dem Fluch:
(Juna: 17 Jahre, POV)

Peter und ich haben uns auf den Heuboden verkrochen, dort werden wir nicht so leicht gefunden. Es ist einer seiner seltenen Besuche und ich genieße seine Nähe, dennoch lässt mich ein Gedanke nicht in Ruhe:
Macht es eigentlich Sinn, dass wir uns noch immer lieben?
Daran, dass diese Liebe echt ist zweifele ich nicht, aber ich zweifele daran ob sie uns gut tut. Gibt es Hoffnung für uns? Etwas, das uns untrennbar zusammenführen kann? Oder besteht unsere Beziehung nur aus dem Schmerz nicht zusammen sein zu können?
Mit Timmothy komme ich nicht weiter. Er will mir einfach nichts über den Fluch verraten, egal wie oft oder  geschickt ich frage. Allerdings darf ich ihn auch nicht zu sehr bedrängen, denn unsere Freundschaft steht nur auf wackeligen Beinen.

„Was ist wenn wir es nicht schaffen Peter?", frage ich in die Stille hinein, die nur durch Vogelgesänge unterbrochen wird. Mein Freund schweigt, doch er weiß genau was ich meine.
„Wir werden es schaffen", sagt er schließlich, "Es muss so sein."
„Ich liebe dich Peter", spreche ich weiter, „Aber was macht dich so sicher, dass wir irgendwann zusammen leben können? Bisher hat es uns nur Schmerzen bereitet. Wäre es nicht leichter wenn wir uns einfach Lebe wohl sagen?" Ich presse meine Lippen aufeinander.
„Nein das wäre nicht leichter", widerspricht mir Pan, „Das könnte ich gar nicht, mich von dir verabschieden. Und wir hatten nicht nur Schmerz zu erleiden. Denk nur an unsere Zeit auf Neverland. Deine Träume haben dich vor dem Untergang bewahrt. Das ist doch positiv."
„Das stimmt", stimme ich ihm zu, „Aber wie soll es weitergehen? Wir machen keinerlei Fortschritte in Sachen Fluch brechen."
Peter setzt sich auf und nimmt mich in den Arm, dann hält er mich eine Armeslänge von sich.
„Ich werde dich niemals aufgeben", schwört er mir, „Du bist das, was meinem Leben einen Sinn verleiht und genau deshalb werden wir es schaffen. Irgendwann werden wir gemeinsam auf Neverland leben. Das haben wir uns verdammt nochmal verdient!" Ich schaue ihn nur an, dann muss ich ihn einfach küssen.

Das ist einer der Gründe warum ich ihn liebe: Er fängt mich immer wieder auf. Wir werden es schaffen, weil wir aneinander, an uns, glauben.

Neverland, nach Henrys Ankunft:
(Peter Pan POV)

„Ich bin zwar nicht die am innigsten Glaubende", sagt Tami und in ihren Augen liegt ein eigenartiger Schimmer. Ich weiß nicht ob es Trauer ist oder Hoffnung. Vermutlich beides. „Aber ich bin diejenige, die am innigsten an dich glaubt. Mehr als Henry es je könnte. Und darum geht es doch oder? An dich zu glauben." Sie greift mit ihrer Hand ihr Herz und zieht es aus ihrem Brustkorb, es hat einen grünlichen Schimmer.
Ihre Worte sind wahr. Sie glaubt tatsächlich am meisten an mich.
Erst jetzt wird mir die Bedeutung ihrer Worte bewusst. Sie wird doch nicht...
„Ich liebe dich mehr als mein Leben Peter Pan."
„Nein Tami!", mein Ruf kommt zu spät und ich habe zu wenig Kraft um es zu verhindern: Meine Gefährtin stößt ihr Herz in meinen Brustkorb.

Wie auch bei Henrys Herz geht eine Druckwelle von mir aus, die alles um mich herum kurzzeitig zu Boden wirft. Augenblicklich bin ich voller Energie.
„Tami!", sie ist einfach umgekippt. Schnell richte ich mich auf.
Luna hat ihre Augen geschlossen und auf den Lippen ein Lächeln, das nun langsam erlischt. Es war auch nicht dasselbe Lächeln wie sonst. Es sah leblos aus, eingefroren.
„Tu mir das nicht an", flüstere ich, greife unter ihren Rücken und ziehe ihren schlaffen Körper zu mir heran. Ihr Kopf kippt nach hinten als ich sie an mich drücke und so muss ich ihn abstützen.
„Komm wieder zu dir!", meine Finger graben sich in ihre Haare. Ich weine nicht, dennoch brennt es in meinen Augen.
War das jahrzehntelange Warten umsonst? Nein, es war gar nichts umsonst. Ich durfte sie lieben und für eine kurze Zeit ein Leben mit ihr kosten.

Sie hat mich gerettet.
Tami Luna hat wirklich mein Leben gerettet.
Womit habe ich das verdient?
Jetzt ist sie tot.
Ergibt das irgendeinen Sinn?
Warum musste sie mich verlassen?
Hätten wir nicht gemeinsam sterben können?
Sie wäre auch so gestorben, schließlich war sie an mein Leben gebunden, aber ich war ihr wichtiger.
Und jetzt ist sie tot.
Ich will nicht ohne sie sein, aber dann wäre ihr Opfer umsonst gewesen.
Sie ist tot.
Nur weil die böse Königin meinen Urenkel retten musste. Sie sind schuld!
„Ich werde dich rächen, Liebste", flüstere ich ihr ins Ohr, dann sage ich es noch einmal laut, „Ich werde dich rächen!"
Was ist eine Ewigkeit wert, wenn sie nicht da ist? Wenn kein Licht mehr bei mir ist?
Sie hat meinem Dasein einen Sinn gegeben, war mein Happy End. Mir fällt auf, dass ich ihr das nie gesagt habe, den Teil mit dem Happy End.

Vorsichtig lege ich sie wieder ab, küsse ihre Lippen. Für einen kurzen Moment hatte ich die Hoffnung, dass sie dadurch wieder aufwacht, aber ein Kuss der wahren Liebe bringt keine Toten zurück. Es ist ein seltsames Gefühl, dass keiner da ist, der auf den Kuss reagieren könnte.
Weil sie tot ist.
Ihre Lippen sind ganz weich, keine Kraft wohnt mehr darin inne. Ihre langen Haare sind zu einem Fächer um ihren Kopf ausgebreitet.
„Sie werden es bereuen", meine Stimme ist nur ein Grollen. Ab und zu strömen grüne Wellen über meine Haut. Die Kraft aus Tamis Herz geht in mich über. Ich kann ihreGefühle spüren.
Am stärksten ist ihre Liebe zu mir. Sie nimmt fast den gesamten Raum ihres Herzens ein und ist ein fester Bestandteil dessen. Es scheint, als würde es ohne sie einfach in sich zusammenfallen. Doch manchmal wird diese Liebe unterbrochen. Von Löchern, die ihr Herz durchbohren und mal eine intensive Trauer, mal Verzweiflung und ein anderes Mal völlige Leere hervorrufen. Sie war eben ein verlorenes Mädchen. Ein wenig kaputt, ein wenig allein. Und meine Gefährtin.
Und jetzt ist sie tot.

Eine weitere Welle aus Lebenskraft schwappt über mich. Der Prozess geht schneller als mit Henrys Herz. Weil sie heftiger an mich glaubt. Geglaubt hat. Die Hälfte ihrer Energie ist bereits in mir.
Ich nehme ihre Hand und streiche über den Ring, küsse ihn.
'Ich werde dich rächen, du hättest leben sollen. Wir hätten gemeinsam leben sollen.'
Ich erhebe mich in die Luft. Das Fliegen aus eigener Kraft ist leichter als das mit Feenglanz, weil dieser irgendwann aufgebraucht ist und nach und nach an Kraft verliert.
Schnell gleite ich über die Baumkronen hinweg, immer auf die Küste zu, denn dort liegt das Schiff des Piraten. Die Jolly Roger.

Ich fliege einmal um das Schiff herum, schaue durch die Fenster. Regina sitzt mit Henry in einer Kajüte, der Junge liegt im Bett.
Die Kraft aus Tamis Herz ist fast vollständig in mich übergegangen. Es geht wirklich verdammt schnell.
Ich wende den Blick von dem Mutter-Sohn-Duo ab und fliege höher, betrachte die Situation von den Segeln aus. Hook, Tinkerbell und die Retterin stehen in der Nähe vom Steuerrad. Mein Sohn und mein Enkel lehnen an der Reling. Überall verlorene Jungs. Verräter. Wendy und Felix, der bestimmt nicht freiwillig hier ist, dafür ist er zu loyal, haben sich jeder von den anderen weggesetzt. Nun kommt Regina aus dem Unterdeck. Das bedeutet Henry muss alleine sein.
Wenn Tami sterben musste, dann muss er es auch tun!
Ich mache eine Handbewegung und im nächsten Moment stehe ich in seiner Kajüte. Das Kind starrt mich erschrocken an. Ich ziehe ein Messer.

„Es tut mir leid, dass es soweit kommen musste, Henry", entschuldige ich mich. 'Es tut mir leid, dass deine Familie dich gerettet hat' ist das, was der Satz eigentlich meint.
„Was willst du?", fragt Henry panisch.
„Ich wollte dein Herz, Henry, aber deine Mutter hat es mir gestohlen. Und jetzt ist Tami tot", meine Hand zittert vor Wut während ich den Jungen mit dem Messer bedrohe.
„Die Krähe?", fragt Henry verwirrt.
„Nein", ich lache bitter und schüttele den Kopf, „Luna und Tami sind ein und dieselbe Person. Sie hat sich für mich geopfert. Und daran habt ihr Schuld!"
Meine Hand schnellt vor in Richtung seines Herzens, um es anschließend vor den Augen seiner Familie zu zerquetschen. Doch als ich danach greife bekomme ich einen heftigen Schlag. Schmerzerfüllt und wütend blicke ich auf meine vor Schmerz brennende Hand. Die böse Königin muss das Herz geschützt haben.
„Clever", sage ich mit zusammengepressten Zähnen.
Wenn nicht so, dann eben anders, Henry muss sterben! Meine Hand schnellt wieder vor und greift diesmal nach dem Schatten des Jungen.
„Ah! Was machst du?!", ruft Henry gequält aus. Ich ziehe immer weiter, als sich plötzlich ein merkwürdiges, taubes Gefühl in meinen Beinen ausbreitet. Erschrocken gucke ich nach hinten ohne den Schatten loszulassen.
Rumpelstilzchen hält die geöffnete Büchse der Pandora in der Hand, roter Nebel umschließt bereits meine Beine, kriecht immer weiter um mich herum.
Das eigenartige Gefühl ist nun im ganzen Körper. Auf einmal überrollt mich noch eine Welle aus grünem Glanz, nun ist die gesamte Kraft von Tamis Herz in mir, sie ist endgültig, unwiderruflich tot.

Der rote Nebel durchdringt mich, hält mich in dieser Position, löst mich schließlich auf. Doch ich sterbe nicht. Dieser Zustand meiner Existenz wird einfach nur in dem Kästchen aufbewahrt. Ich werde nicht tot sein.
Dankbar nehme ich den Zauber der Büchse an. Wenn ich erst einmal darin bin, werde ich nicht mehr dem Schmerz ausgeliefert sein, den Tamis Verlust hinterlassen hat.
Es ist Erlösung ohne zu sterben.

Peter Pan loves meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt