Kapitel 6

286 15 0
                                    

Nachdem ich wieder zu Jason ins Zimmer gegangen war, konnte ich kein Auge mehr zu machen. Tausende und abertausende Gedanken kreisten in meinem Kopf umher. Ich überlegte hin und her. Was sollte ich machen? Mich von Sam trennen? Irgendwie war ich mir meinen Gefühlen ihr gegenüber nicht mehr sicher. Mir war selbst schon aufgefallen, dass ich wieder anfing anderen Frauen nachzusehen. Wenn man jemanden liebt, dann tut man das normalerweise nicht. Also nicht so bewusst. Klar, man sieht mal einer Frau hinterher weil sie schöne Haare hat oder eine Traum Figur von der man selbst nur träumen konnte. Aber man sah ihr nicht in sexueller Hinsicht nach. Wenn es wirklich zu einer Trennung oder sogar Scheidung kommen sollte, dann würde ich alles hinter mir lassen wollen. Jason würde ich mitnehmen. Egal was Sam auch versuchen würde damit sie ihn mir entreißen konnte. Ich würde alles dafür tun damit er bei mir bleiben konnte. Immerhin hatte er mittlerweile mehr Bezug zu mir als zu Sam. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass er sich vor ihr fürchtete. Dieses Gefühl war nicht schön. Ich wollte ihn nicht mehr mit ihr alleine lassen. Immer wieder war es vorgekommen, dass er, wenn ich wieder zu Hause war, in meine Arme gerannt kam und mir weinend erzählt hatte wie sehr Sam wieder mit ihm geschimpft hatte. Wegen nichts eigentlich. Nur weil er mal ein Glas mit Saft zu Boden gestoßen hatte. Aber das war noch lange kein Grund das Kind so nieder zu machen. Doch das verschaffte ihr anscheinend Genugtuung. Und diese Genugtuung wollte ich ihr verwehren. Also ließ ich die Beiden auch nicht mehr alleine zu Hause.

Ich musste jetzt einen klaren Kopf bewahren. Eine Entscheidung nur aus einer Laune raus zu treffen war noch nie gut. Ich war eher der Typ Mensch, der sich das reichlich überlegte und dann oft einen Rückzieher machte. Aber diesmal musste es eine Entscheidung sein. Doch bevor ich mich entscheiden konnte, musste ich nochmal mit Sam sprechen. Ich musste sie dazu bringen sich mir endlich wieder zu öffnen. Ich musste ihr vor Augen halten was sie alles verlieren würde wenn sie so weiter machen würde. Vielleicht bräuchte sie nur einen stups in die richtige Richtung. Vielleicht sollte ich Jason auch mal auf sie ansetzen. Ich weiß das macht man nicht aber Kinder sind ehrlich und wenn Jason ihr mal sagen würde wie er sich mit ihr fühlt, vielleicht würde sie dann anfangen alles anders zu sehen. Und wenn das alles nichts nützen würde, dann und nur dann musste ich eine Entscheidung fällen. Verdammt schwer. So viel zu verlieren. Wie ich so nachdachte und jede Option abwog kam mir auf einmal eine super tolle Idee. Jess und ich arbeiteten ja im selben Unternehmen und Jess war sehr gut in Programmieren und leider auch in hacken. Vielleicht konnte sie mir bei meinem Unterfangen ja behilflich sein? Gleich morgen würde ich sie fragen ob sie mir behilflich sein könnte. Ich denke mal, dass sie da nichts dagegen einzuwenden hatte. Immerhin hatte sie Sam's Ausraster ja selbst am eigenen Leib gespürt.

Jetzt wo ich auf Jess gekommen war, ließ mich diese Idee auch nicht wieder los. Erst vor einigen Monaten hatte sie für die Polizei verdeckte Ermittlungen machen müssen. Das würde aber etwas grenzgängerisch werden. Sam arbeitete ja auch für die Polizei. Nicht für die normale Polizei aber trotzdem wäre es verdammt schlecht, wenn sie drauf kommen würde. Wir sollten uns einen Plan überlegen wie wir Sam mal etwas genauer unter die Lupe nehmen konnten ohne dass sie davon Wind bekommen würde. 

Wie aus dem nichts fing Jason's Wecker an herum zu hüpfen und ich hatte Mühe in zu erwischen bevor er auch wie meiner einst auf den Boden fliegen würde. Ich tapste auf dem Nachtkästchen umher um ihn dann endlich in die Finger zu bekommen und ihn dann eliminieren konnte. 7:15 Uhr stand auf dem Wecker. "Verdammt", fluchte ich innerlich. Warum war es 7:15 Uhr? Ich hatte Jason's Wecker immer auf 6:30 Uhr gestellt. Entweder hatte er daran herum gespielt oder Sam hatte ihre Finger an dem Ding. Wobei Sam ja die letzt Zeit nicht wirklich oft und vor allem lange zu Hause war. Also vermutete ich, dass es mein Kleiner gewesen sein musste. 

Langsam drehte ich mich zu ihm um ihn liebevoll mit kleinen Küssen zu wecken. Ich merkte genau, dass er bereits wach war aber er stellte sich schlafend. Anhand seines Grinsers erkannte ich, dass es ihm sichtlich schwer viel so zu tun als würde er schlafen. "Na warte Bürschchen", dachte ich mir und grinste. Ich wusste schon wie ich ihn aus der Reserve locken konnte. Ich grub meine Hand unter die Decke und begann leichte Tapser auf seinem Rücken zu machen. Als das jedoch keine Wirkung erzielte, musste ich meine Taktik ändern. Ich wurde immer schneller und fing ihn dann an zu kitzeln. Ich wusste genau wo er kitzelig war und zwar an der Hüfte. Ja man glaubt es kaum, aber mein kleiner war an der Hüfte kitzelig. Zum einen gut, weil ihn dann nicht jeder kitzeln konnte, zum anderen schlecht, weil ich ja wusste wo seine Stelle war. Ich wurde stürmischer und merkte wie Jason sich nicht mehr halten konnte. Plötzlich schrie er laut auf "Mami, Mami, STOP, bitte. Ich kann nicht mehr. Ich muss aufs Klo". Sofort stoppte ich meine kitzel Attacke und klapste ihn auf dem Hintern " Ja dann Abmarsch Mister. Nicht, dass du mir auch noch ins Bett machst.", gab ich lachend von mir. Jason quietschte vor sich hin und lief schnurstracks ins WC. Vom WC konnte man ein erleichtertes "aaaahhhhh" hören. Ich lachte und schüttelte den Kopf. Wie süß konnte er denn bitte sein? Er war wirklich ein ganz wundervolles Kind. So herzlich und so zuvorkommend. Er gab so viel und verlangte nicht mal die Hälfte zurück. Welch ein Glück ich mit ihm doch hatte. Ich war gerade dabei mich selbst aus dem Bett zu schälen und meine Müdigkeit nicht anmerken zu lassen, als Jason mir aus dem WC zurief "Mami!!". "Ja, Schatz?", gab ich zur Antwort. "Klopapier ist alle", kam es von ihm. "Ja warte. Ich bring dir gleich welches". "Schneller Mami. Ich muss in den Kindergarten", kam es lauthals aus dem WC. "Ja. Moment." Ich flitzte schnell in den Abstellraum und schnappte mir zwei Rollen Klopapier um sie zu Jason zu bringen. Bei ihm angekommen musste ich wieder lachen. Er hockte auf der Toilette und hatte seine Hände unter sein Kinn gestützt. "Ja jetzt übertreib mal nicht. So lange hat das jetzt auch nicht gedauert.", tadelte ich ihn. "Mami. Kindergarten", war alles was er von sich gab. "Ja du Kindergarten. Wisch dich ab und zieh dich an. In der Zwischenzeit mache ich dir Müsli". "Nein", antwortete Jason. "Kein Müsli heute". "Was willst du dann?", wollte ich wissen. "Nichts. Ich möchte nur in den Kindergarten bitte", flehte er mich schon fast an. "OK? Ist irgendwas bestimmtes heute im Kindergarten?", fragte ich neugierig wie ich war. "Nein. Ich möchte nur den Tag dort in vollen Zügen genießen", sagte er mit aufgedrehter Stimme und flitzte durch den Flur in sein Zimmer um sich um zu ziehen. "Ok, ich zieh mich auch schnell an und dann können wir schon los", ließ ich Jason wissen. 

Nicht mal 15 Minuten später standen wir schon am Parkplatz vom Kindergarten. Jason öffnete die Autotür so stürmisch, als ob ein Monster hinter ihm her wäre. "Mooooment Kleiner", sagte ich und zog ihn wieder ins Auto. "Du kannst nicht einfach die Tür so aufreißen. Was wenn da jemand anders parkt und du ihm die Tür in sein Auto rein schmeißt?", fragte ich Jason mit hochgezogenen Augenbrauen. Jason's Blick wurde etwas traurig und es kam nur ein leises "Entschuldigung" von ihm. "Alles gut kleiner. Ich möchte nur, dass du in Zukunft aufpasst. OK?" "OK", bestätigte er mir meine Frage. Wir stiegen gemeinsam aus und gingen zum Haupteingang des Kindergartens. Erst beim Eingang fiel mir ein, dass ich heute das erste Mal nicht an Sam gedacht hatte. Ich wusste nicht einmal ob sie noch zu Hause gewesen war als wir uns fertig gemacht hatten. So vertieft war ich mit Jason, dass mir das missfallen war. "Sie wird schon wissen was sie tut", redete ich mir ein, gab Jason im Kindergarten ab, verabschiedete mich von ihm und ging wieder zu meinem Auto als mich eine vertraute Stimme zu sich rief. "Guten Morgen Megan. Komm doch mal her bitte." Jess stand bei ihrem Wagen und winkte mir entgegen. Ich steuerte gerade auf sie zu. Als ich bei ihr war umarmten wir uns und gaben uns links und recht ein Küsschen auf die Wange. "Und? Wie gehts dir mit dem Hausdrachen?", wollte Jess wissen. "Hausdrachen ist jetzt schon etwas zu streng", stellte ich bestürzt fest. "Naja, wenn man bedenkt, was du in letzter Zeit mitgemacht hast? Und natürlich auch Jason, dann finde ich diesen Begriff mehr als passend", stellte Jess ernüchternd fest. "Wahrscheinlich hast du wieder mal recht", gab ich Jess zur Antwort. "Na los, fahren wir in die Arbeit, Meg?", fragte Jess und boxte mich in den Oberarm. "Ja machen wir. Und wenn wir dort sind, muss ich was wichtiges mit dir besprechen, bitte!", warnte ich Jess vor. von Jess kam nur ein entgeistertes "OK?. Wir gingen jeder zu seinem Wagen, stiegen ein und fuhren hintereinander in die Arbeit.


What is?! - Was passiert, wenns passiert is?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt