Kapitel 47

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Der Briefumschlag war nun vollkommen aufgerissen und der Inhalt des Briefes war nur noch eine Handbewegung von mir entfernt. Erstarrt, völlig regungslos stand ich da und wollte mir den Inhalt gar nicht erst ansehen. Durch die Öffnung sah ich, dass es mehrere Blätter waren, die mit einer Heftklammer zusammengehalten wurden. "Ich muss nachsehen", flüsterte ich und erneut sammelten sich Tränen in meinen Augen. Gerade, als ich die Blätter aus dem Umschlag nehmen wollte, hörte ich ein vertrautes aufschließen der Wohnungstür und Jess kam herein. Erschrocken drehte ich mich zu ihr. "Was machst du schon hier? Woher wusstest du, dass Sam nicht mehr hier ist?", fragte ich mit zittriger Stimme. "Ach süße", sagte Jess und eilte auf mich zu um mich in ihre Arme zu nehmen. Der Briefumschlag landete auf dem Boden, weil mich die Kraft verließ und ich meine Arme auch um Jess schlug. Meine Emotionen prasselten jetzt nur noch so aus mir raus. Mein ganzer Körper zitterte unaufhaltsam. "Schhhht", versuchte mich Jess zu beruhigen. "Ich habe Sam aus der Wohnung eilen sehen. Sie sah gar nicht gut aus. Ich möchte behaupten, dass sie geweint hatte", erzählte sie mir und streichelte über meinen bebenden Rücken. "Was ist denn vorgefallen? So sollte das heute ja gar nicht laufen", fragte sie nun nach und löste sich von mir, um in meine verheulten Augen zu sehen. Sie wies mich an mich zu setzen und ihr alles zu erzählen, was ich dann auch tat. "Sie hat ihren Mantel vergessen", schluchzte ich und mein Blick schweifte zur Garderobe, wo ihr Mantel noch immer hing. "Vielleicht ist das ein Wink des Schicksals?", stellte Jess fest und sah ebenfalls zu dem Mantel. Ich zuckte mit den Schultern und wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte. "Was ist das?", fragte Jess mich nun und griff nach dem Umschlag. "Ich weiß es nicht", flüsterte ich und fixierte den Umschlag. "Soll ich für dich hineinsehen?", bot sie mir nun an und ich war irgendwie erleichtert, dass sie mich diese Möglichkeit anbot. "Ja", hauchte ich und beobachtete Jess, wie sie den Umschlag öffnete und die Blätter herauszog. Langsam, quälend, fast schon wie in Zeitlupe kamen mir ihre Bewegungen vor. Langsam wurde ich ungeduldig. Jess schien das zu merken, verdeckte die beschriebene Seite der Blätter, sah mich an und sagte einfühlsam "Egal was da jetzt steht, ich werde immer für dich da sein und hinter dir stehen. Ok?". Schnell blinzelte ich meine Tränen weg und nickte wieder. "Danke", hauchte ich und schenkte Jess ein kleines zustimmendes Lächeln. "Na dann wollen wir mal", sagte sie und atmete tief ein und wieder aus als sie die Blätter umdrehte. Jess fing an leise, nur für sich zu lesen und ich sah, wie ihre Augen sich weiteten und über den Text flitzten. Als sie die Blätter fertiggelesen hatte, räusperte sie sich, wand ihren Blick zu mir, hielt mit die Zettel hin und meinte, "Ich finde, dass solltest du selbst lesen". Ich zog meine Augenbrauen hoch. "Warum? Ist es die Scheidung?", wollte ich vorab schon mal wissen. "Lies einfach", kam es von Jess und Tränen fingen an sich in Jess's Augen zu sammeln. Noch immer hielt sie mir die Blätter entgegen, welche ich nach langem Zögern auch an mich nahm. Langsam wanderte mein Blick auf den Text vor mir. Mein Blick huschte über den ersten Zettel. Es war ein computergeschriebener Text, soviel stand schon mal fest.  Ich atmete noch einmal tief ein und aus und begann dann den Text zu lesen:

Liebe Mami,

ich schreibe dir diesen Brief, weil ich möchte, dass du weißt wie sehr ich dich liebe Mami. Ich vermisse dich und Mama vermisst dich auch. Ich habe diesen Brief und die Zeichnung für dich gemacht und Mama durfte das nicht ansehen. Mami? Sie weiß nicht, was ich dir schreibe und auch nicht, was ich für dich gezeichnet habe. Jetzt fragst du dich bestimmt, wie ich so gut schreiben konnte. Ich hatte Hilfe von einem Freund. Ich habe diktiert und er hat alles getippt. Weil Mama nicht mitbekommen soll, dass ich dich anrufe oder so, habe ich ihr diesen Umschlag gegeben, damit sie ihn dir ungeöffnet übergibt. Das soll unser kleines Geheimnis bleiben. Jetzt bist du schon den zweiten Tag nicht mehr hier und ich vermisse dich so schrecklich und wünsche mir, dass du wieder zurückkommst. Mama weint sehr viel. Sie weint immer abends, wenn ich schon in meinem Bett liege. Ich kann das hören. Mama weint manchmal sehr laut und dann schreit sie mit sich selbst. Manchmal weint sie auch heimlich unter Tags. Aber ich sehe das, weil sie dann immer ganz rote Augen hat. Mama ist stur, das weiß ich und du bist auch stur Mami! Ich bin schuld an dem Streit, weil ich einen Pool haben wollte. Wenn ich nicht hier wäre, dann würdet ihr euch noch immer liebhaben. Ich habe ein bisschen in deinem und Mama's Büro gestöbert und habe etwas gefunden. Dass was ich gefunden habe, liegt auch bei den Zetteln dabei. Ich weiß nicht was das bedeutet Mami. Vielleicht weißt du was das ist und kannst es mir erklären? Ein weiterer Zettel ist eine Zeichnung von unserer Familie. Du kannst es in einen Rahmen geben, wenn du möchtest Mami. Ich hatte danach ganz schmutzige Finger und wenn du das gesehen hättest, dann hättest du mich wahrscheinlich geschimpft, dass ich das auch ordentlicher machen hätte können. Mami ich vermisse sogar deine schimpfigen Wörter. Mama scheint das auch zu vermissen, denn sie isst gar nichts mehr. Sie tut immer so als ob nichts wäre aber ich weiß, dass sie sehr traurig ist. Mein Geburtstag ist auch bald und ich wünsche mir zu meinem Geburtstag nichts. Ich wünsche mir nur, dass du wieder hier bist und ich auf deinem Schoß die Kerzen ausblasen kann. So wie wir es immer gemacht haben Mami. Kannst du dich noch daran erinnern?  Ich kann es.
Mami bitte komm wieder zu mir zurück. Bitte.

In Liebe
Jason

Ps.: Ich hab dich lieb Mami!!

Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Meine Hände zitterten noch immer so stark, dass ich zu tun hatte den nächsten Zettel zu nehmen. Auf dem Zettel war, wie es Jason in dem Brief schon geschrieben hatte, ein selbst gemalte Zeichnung von ihm, wo Sam, er und ich auf einer Wiese standen. Jason war zwischen uns und wir hielten uns alle an unseren Händen. Jede dieser Männchen lächelte und rundherum hatte er ein fettes Herz gezeichnet und "Familie" geschrieben. Ich musste schmunzeln, als ich sah, dass er außerhalb des Herzens einen Pool gemalt hatte und ihn durchgestrichen hatte. Darüber stand in schwarzer fetter Schrift. "Brauche ich nicht" und über dem Herz, das uns alle vereinte, stand in fetter roter Schrift "Brauche ich". Jess schien genauso gerührt wie ich zu sein, denn sie fischte sich ein Taschentuch aus ihrer Tasche und wischte sich damit ihre Tränen weg. Wieder atmete ich tief ein und versuchte meinen Tränen zu unterdrücken. Immerhin hatte ich noch nicht alle Zettel begutachtet. Es war noch ein dritter dabei, den ich Jason erklären sollte. Anspannung machte sich in mir breit, als ich nun auch den dritten und letzten Zettel hervorholte. Es war kein selbst geschriebener Zettel. Es war ein Zettel, der mit sehr kleiner Schrift bedruckt war und auf den Grafiken abgebildet waren. Was sollte das sein? Ganz oben stand Sam's Name und unsere Adresse. Also war es an Sam geschickt worden und ich sollte das wahrscheinlich gar nicht sehen. Aber trotzdem musste ich es, alleine schon um meine Neugierde zu stillen wissen, was darin geschrieben stand. Also fing ich an den Zettel zu lesen...

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